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Ribhegge, Wilhelm, Preußen im Westen. Kampf um den Parlamentarismus in Rheinland und Westfalen 1789-1947. Aschendorff, Münster 2008. VII, 840 S. Besprochen von Werner Schubert. ZRG GA 126 (2009)

Ribhegge, Wilhelm, Preußen im Westen. Kampf um den Parlamentarismus in Rheinland und Westfalen 1789-1947. Aschendorff, Münster 2008. VII, 840 S. Besprochen von Werner Schubert.

 

Die Idee zu dem Werk „Preußen im Westen“ entstand, so Ribhegge, aus einem Vortrag, den der Autor über die Gründung des Landes Nordrhein-Westfalen in London gehalten und 1996 in einer Beilage zur Wochenzeitung „Das Parlament“ unter dem Titel: „,Preußen im Westen’. Großbritannien, die Gründung des Landes Nordrhein-Westfalen 1946 und die Wiedergeburt der Demokratie in Deutschland“ veröffentlicht hat. Mit dem vorliegenden, 656 Text- und über 100 Seiten Anmerkungen umfassenden Band geht Ribhegge von den Umwälzungen der Französischen Revolution und der Napoleonischen Zeit aus, in der die Gebiete des heutigen Nordrhein-Westfalen unter unmittelbarer oder mittelbarer französischer Herrschaft standen. Der Wiener Kongress übertrug 1815 Peußen das Rheinland und Westfalen, welche die beiden Westprovinzen des preußischen Staatsverbandes bildeten. Allerdings kam der südliche Teil der Rheinprovinz (Koblenz, Trier, Saarland) nicht zu Nordrhein-Westfalen; er bildet nunmehr einen Teil des Bundeslandes Rheinland-Pfalz. Die Darstellung endet mit der Begründung des Landes Nordrhein-Westfalen, der Auflösung der Provinzen des ehemaligen Landes Preußen und mit der Auflösung des Staates Preußen Anfang 1947 (S. 649ff.). Das Werk umfasst in sieben Kapiteln die Zeit von 1789 bis 1815, die Anfänge die Politisierung des Rheinlandes und Westfalens (1815-1848), die preußische und deutsche Nationalversammlung (1848/49), die Zeit von 1849 bis 1918, die Revolution bis zum Ruhrkampf (1919-1924), die guten Jahre der Weimarer Republik (1924-1929), die Krise der parlamentarischen Demokratie (1930-1933), das Jahr 1933 sowie die Jahre von 1945 bis 1947. Das Werk wird abgeschlossen mit mehreren Übersichtskarten und einem ausführlichen Personenregister. Ein Sachregister, das angesichts der vielfältigen Inhalte sehr nützlich gewesen wäre, fehlt leider.

 

Im Mittelpunkt des Werkes stehen die Debatten in den Provinziallandtagen (bis 1845), im Vereinigten Landtag (1847) und in den Parlamenten Preußens und des Deutschen Reichs, soweit an ihnen Abgeordnete aus dem Rheinland und aus Westfalen beteiligt waren. Insoweit ist das Werk über weite Passagen unter detaillierter Auswertung der Verhandlungsprotokolle eine deutsche Verfassungsgeschichte unter dem Blickwinkel der beiden preußischen Westprovinzen und ihrer Abgeordneten. Die Bevölkerung der beiden Provinzen, die mit dem Ruhrgebiet den industriellen Schwerpunkt Deutschlands bildeten, machten 1905 32% der Bevölkerung Preußens und ein Fünftel der Bevölkerung Deutschlands aus (S. 249). In der Darstellung kommen auch rechtshistorische Fragen immer wieder zur Sprache, allerdings primär für die Zeit bis 1849. So weist Ribhegge S. 28 auf die Bedeutung der napoleonischen Codes hin. Für das Großherzogtum Berg behandelt Ribhegge die bergisch-französische Gemeindeordnung und die umstrittene Agrargesetzgebung (S. 35ff.). Für die Restaurationszeit stellt Ribhegge vor allem die Verfassungsadressen der Rheinischen Städte von 1817 und mehrere Beratungsgegenstände des Rheinischen und Westfälischen Provinziallandtags heraus (S. 71 die rheinische Petition von 1837 für ein Kinderschutzgesetz; S. 90 die Ablehnung des Gesetzentwurfs zu einem gesamtpreußischen Strafgesetzbuch im Jahre 1843 durch den Rheinischen Provinziallandtag). Wenig ist über die Einflüsse des Rheinlandes auf die Gesetzgebung Preußens von 1849 an – man denke nur an die Gesetzgebung zur Strafgerichtsverfassung und an das Strafgesetzbuch von 1851 – und auf die Reichsjustizgesetze. Auf S. 257 erwähnt Ribhegge, dass der Zentrumspolitiker und Reichsgerichtsrat Peter Spahn Mitglied der 2. BGB-Kommission war, ohne jedoch dessen Bedeutung für das Bürgerliche Gesetzbuch näher zu präzisieren. Über den aus Düsseldorf stammenden, konservativ eingestellten preußischen Justizminister von 1919 bis 1927 Hugo am Zehnhoff, über den noch immer keine Monographie vorliegt, hätte man gerne noch mehr erfahren.

 

Insgesamt liegt mit dem Werk von Ribhegge eine interessant geschriebene und auch für den Rechtshistoriker sehr informative Geschichte des Rheinlandes und Westfalens vor dem Hintergrund der preußischen und deutschen Verfassungsgeschichte vor. Die Bedeutung der Auseinandersetzung rheinischer Politiker mit Preußen für den deutschen Parlamentarismus, und zwar auch noch für die Zeit der frühen Bundesrepublik, ist kaum zu überschätzen. Der Beitrag insbesondere des Rheinlandes für die deutsche Rechtskultur vor allem des 19. Jahrhunderts, der in dem Werk Ribhegges nicht zentral zur Sprache kommen konnte, ist eine Thematik, die einer eigenen Darstellung bedürfte.

 

Kiel

Werner Schubert