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Lacher, Achim, Friedrich Oskar von Schwarze (30. 09. 1816-17. 01. 1886). Leben und Werk des ersten sächsischen Generalstaatsanwalts unter besonderer Berücksichtigung seiner Arbeiten über das Schwur- und das Schöffengericht und ihren Einfluss auf die Gesetzgebung des Königreichs Sachsen und des Deutschen Reiches. Diss. jur. Würzburg 2008. VII, 232 S. Besprochen von Werner Schubert. ZRG GA 126 (2009)

Lacher, Achim, Friedrich Oskar von Schwarze (30. 09. 1816-17. 01. 1886). Leben und Werk des ersten sächsischen Generalstaatsanwalts unter besonderer Berücksichtigung seiner Arbeiten über das Schwur- und das Schöffengericht und ihren Einfluss auf die Gesetzgebung des Königreichs Sachsen und des Deutschen Reiches. Diss. jur. Würzburg 2008. VII, 232 S.

 

Der in Löbau/Sachsen 1816 als Sohn des dortigen Bezirksarztes geborene Friedrich Oskar von Schwarze gehört zu den bedeutendsten gesetzgeberisch und wissenschaftlich tätigen Strafrechtspraktikern der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Mit der Würzburger Dissertation Achim Lachers liegt erstmals eine Werkbiographie über diesen für die sächsische und deutsche Strafrechtsgeschichte wichtigen Juristen vor. Schwarze war 1839 in den sächsischen Staatsdienst eingetreten und nach Bestehen des Großen Staatsexamens 1842 an das Appellationsgericht Dresden (1846-1848 am Spruchgericht Leipzig tätig) und 1854 zum Oberappellationsgericht und 1856 zum Chef der sächsischen Staatsanwaltschaft befördert worden. Seine 1839 einsetzenden Publikationen umfassen 31 Monographien und Kommentare sowie nahezu 300 Zeitschriftenbeiträge (davon 117 Beiträge in der Allgemeinen Gerichtszeitung für das Königreich Sachsen; S. 87, 110). Schwarze war Hauptautor der sächsischen Strafprozessordnung von 1855, zu der er einen Kommentar und ein Lehrbuch veröffentlichte, der Reform der sächsischen StPO und des sächsischen Strafgesetzbuchs im Jahre 1868 sowie Mitglied der Bundesratskommissionen zum Strafgesetzbuch des neuen Norddeutschen Bundes (1869) und zur StPO von 1877. Es ist anzunehmen, dass Schwarze auch die Stellungnahmen Sachsens im Bundesrat zu den Reichsjustizgesetzen 1874 mit beeinflusste. Als Mitglied der Reichsjustizkommission (1874 bis 1876) war er an den Beratungen der Reichsjustizgesetze beteiligt. Schwarze gehörte von 1867 bis 1884 dem Reichstag für die liberalkonservative Reichspartei (später für die Freikonservative Partei) an. Lacher behandelt zunächst im biographischen Teil (S. 3-110) das Leben und die einzelnen Stationen der beruflichen Laufbahn Schwarzes sowie seine wichtigsten literarischen Werke. Schwarze sind mit der StPO von 1855 der endgültige Abschied Sachsens vom gemeinrechtlichen Strafprozess sowie die vollständige Einführung der Staatsanwaltschaft zu verdanken. Die Reform des materiellen Strafrechts von 1868 brachte die Abschaffung der Todesstrafe. Sein Anteil am Gerichtsverfassungsgesetz, am StGB und an der StPO ist weniger greifbar, da die maßgebenden, von Heinrich von Friedberg bearbeiteten Vorlagen aus dem preußischen Justizministerium kamen.

 

Im zweiten Teil seines Werkes befasst sich Lacher mit den Arbeiten Schwarzes über das Schwur- und Schöffengericht und deren Einfluss auf die StPO des Königreichs Sachsen und das GVG des Reichs (S. 111-194). Nach einer Kennzeichnung des englischen und französischen Schwurgerichtsverfahrens und des gemeinen Strafprozesses geht Lacher zunächst auf die Arbeiten Schwarzes über das Schwur- und Schöffengericht näher ein. Während nach einem Besuch von Schwurgerichtsverhandlungen im Rheinland Schwarze 1842 Bedenken gegen die Schwurgerichte äußerte, änderte er in den 50er Jahren seine skeptische Haltung zur Jury (S. 144ff.), zu deren Reform er detaillierte Vorschläge erarbeitete. 1864/65 forderte er in seinen Werken: „Geschworenengericht und Schöffengericht. Ein Beitrag zur Lösung der Schwurgerichtsfrage“ und „Das deutsche Schwurgericht und dessen Reform“ die Ersetzung der Schwurgerichte durch Schöffengerichte: „Ein aus Staatsrichtern und Geschworenen (Schöffen) zusammengesetztes Collegium entscheidet auf Grund gemeinsamer Berathung und Beschlussfassung über die gesamte Schuldfrage. Das numerische Übergewicht gebührt den Geschworenen. ... Die Processleitung, sowie späterhin die Strafabmessung erfolgt lediglich durch die Richter; - die Schuldfrage selbst wird durch die Majorität sämtlicher Mitglieder (Richter und Geschworenen) entschieden“ (S. 176, zitiert nach dem zuletzt genannten Werk). Schwarze konnte seine Ideen jedoch 1868 nur zum Teil verwirklichen, da für die liberale Mehrheit des sächsischen Landtags die Schwurgerichte für schwere Verbrechen noch als unverzichtbar angesehen wurden. Lediglich die mittleren Strafgerichte waren als Schöffengerichte mit drei Berufsrichtern und vier Laienrichtern eingeführt worden. Der preußische Justizminister griff die Vorschläge Schwarzes – ähnliche Pläne von 1857/58 waren bereits in Hannover diskutiert worden (vgl. W. Schubert, Die deutsche Gerichtsverfassung [1869-1877] – Entstehung und Quellen, Frankfurt am Main 1981, S. 211) – auf und schlug für die reichseinheitliche Gerichtsverfassung 1870/72 die Einführung von mittleren und großen Schöffengerichten anstelle von Strafkammern und Schwurgerichten vor, scheiterte jedoch mit seinen von Sachsen bzw. Schwarze warm unterstützten Plänen an den süddeutschen Staaten und am Reichstag. Erst 1924 wurden die Schwurgerichte durch Strafgerichte ersetzt, bei denen die Laienrichter zusammen mit den Berufsrichtern entschieden (Quellen hierzu bei W. Schubert, Quellen zur Reform des Straf- und Strafprozessrechts, I 4, 1999, S. 563 ff.).

 

Das Verdienst des Werkes Lachers ist darin zu sehen, dass er sämtlichen noch greifbaren biographischen Details über Schwarze auch archivalisch nachgegangen ist. Auch die wichtigsten Schriften hat Lacher für das Straf- und Strafprozessrecht und in diesem Zusammenhang auch die beiden Schriften zur Schwur- und Schöffengerichtsfrage von 1864/65 hinreichend erschlossen. Es fehlt allerdings eine detaillierte Einordnung dieses Fragenkomplexes in die zeitgenössische Literatur und Gesetzgebung. Nur knapp behandelt sind die Gesetzgebung von 1868, das Zustandekommen des GVG von 1877 und die allgemeinpolitische Diskussion in der Schwurgerichtsfrage in den 60er und 70er Jahren des 19. Jahrhunderts. Nützlich sind die jeweiligen Hinweise auf die politische und wirtschaftliche Entwicklung Sachsens im biographischen Teil. Nicht detailliert eingegangen ist Lacher auf die rechtspolitischen Vorschläge Schwarzes zum materiellen Strafrecht insbesondere in der StGB-Kommission des Bundesrates (hierzu die Quellen bei W. Schubert/Th. Vormbaum, Entstehung des Strafgesetzbuchs, Bd. 1 u. 2, Baden-Baden, Berlin 2002 und 2004). Insgesamt liegt über Leben und Werk von Schwarze mit dem Werk Lachers ein erster wichtiger Beitrag vor, der eine gute Grundlage für die weitere Beschäftigung mit dem Werk Schwarzes darstellt.

 

Kiel

Werner Schubert