Kümmerle, Julian, Luthertum, humanistische Bildung und württembergischer Territorialstaat. Die Gelehrtenfamilie Bidembach vom 16. bis zum 18. Jahrhundert (= Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Reihe B Forschungen 170). Kohlhammer, Stuttgart 2008. XLIV, 387 S. Besprochen von Gerhard Köbler. ZRG GA 126 (2009)
Kümmerle, Julian, Luthertum, humanistische Bildung und württembergischer Territorialstaat. Die Gelehrtenfamilie Bidembach vom 16. bis zum 18. Jahrhundert (= Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Reihe B Forschungen 170). Kohlhammer, Stuttgart 2008. XLIV, 387 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Arbeit ist die zwischen 2002 und 2005 im Rahmen des Graduiertenkollegs Ars und Scientia im Mittelalter und in der frühen Neuzeit entstandene, von Anton Schindling betreute, im Sommersemester von der Fakultät für Philosophie und Geschichte der Universität Tübingen angenommene, für den Druck geringfügig überarbeitete Dissertation des Verfassers. Sie gliedert sich in die vier Teile Einleitung (Thema, Methode und Forschungsstand), Sozial- und Bildungsprofil der Familie Bidembach, Profilierungsebenen und Etablierungsräume der Familie Bidembach und Gesamtergebnisse. Der Anhang enthält einen Bericht Georg Wilhelm Bidembachs an Herzog Eberhard, Register und eine Stammtafel, während elf Abbildungen die Ausführungen veranschaulichen.
Im Rahmen des Sozialprofils beginnt der Verfasser mit dem Herzogtum Württemberg im 16. Jahrhundert als sozialgeschichtlichem Problemaufriss. Danach untersucht er die Familie Bidembach nach Herkunft, Studium, Ämtern Dienstverhältnissen, Heiratskreisen und Nobilitierung. Im Anschluss hieran führt er aufschlussreiche Vergleiche mit den Familien Andreae und Osiander in Württemberg und Bacmeister, Buxtorf, Marbach, Carpzov und Mentzer in Rostock, Basel, Straßburg, Sachsen und Gießen durch.
Bei den Professionalisierungsebenen wendet er sich eingangs der lutherischen Konfessionalisierung zu und erörtert dabei auch fragend die Melancholie als Familienkrankheit. Danach verbindet er Konfessionskultur mit humanistischer Bildung. Über Klosterschule und Prälatenstand führt ihn der sorgfältig verfolgte Weg über späthumanistische Bildung zu Rechtswissenschaft und Diplomatie.
Insgesamt wurde dabei aus einer Theologenfamilie eine Juristenfamilie, wobei das juristische Studium einen in der Familiengeschichte deutlich verifizierbaren vertikalen, aber auch horizontalen Mobilitätskanal bildete. Als Schlüsselfigur erweist sich Wilhelm Bidembach von Treuenfels., der mit seiner Innovationskraft und Risikobereitschaft, seiner Flexibilität und Anpassungsfähigkeit neue Akzente setzte. Im Kern waren es, wie der Verfasser in seiner eindringlichen Untersuchung überzeugend ermittelt, lutherische Konfession und Theologie sowie humanistische und juristische Bildung, welche die Etablierung der Familie im niederen Adel und in den Spitzenpositionen Württembergs und damit zugleich in der Galerie protestantischer Gelehrtenfamilien ermöglichten.
Innsbruck Gerhard Köbler