Haider, Siegfried, Studien zu den Traditionsbüchern des Klosters Garsten (= Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung Ergänzungsband 52). Oldenbourg, München 2008. 202 S. Besprochen von Gerhard Köbler. ZRG GA 126 (2009)
Haider, Siegfried, Studien zu den Traditionsbüchern des Klosters Garsten (= Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung Ergänzungsband 52). Oldenbourg, München 2008. 202 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Das nahe Steyr in Oberösterreich gelegene, von den ersten Landesherren der Steiermark gegründete, im späten Mittelalter an das Land ob der Enns gelangte, 1787 aufgehobene Benediktinerkloster Garsten hatte seit dem hohen Mittelalter zwei Handschriften von Traditionsbüchern. Die erhaltene, 1852 im Rahmen des Edition des Urkundenbuchs des Landes ob der Enns einbezogene Handschrift befindet sich im oberösterreichischen Landesarchiv in Linz. Von der zweiten, seit der Mitte des 19. Jahrhunderts als verschollen geltenden Handschrift wurde im Zusammenhang mit der Erforschung der Anfänge der Pfarre, des Stiftes und des Klosters Garsten ein aus drei Doppelblättern bestehendes neuzeitliches Inhaltsverzeichnis aufgefunden.
Der Verfasser, von 1999 bis 2003 Direktor des oberösterreichischen Landesarchivs, hat sich der damit verbundenen Fragen angenommen. Er plant eine verbesserte Edition der Garstener Traditionsbücher. Deren Vorbereitung dienen die gesondert veröffentlichten, in vier Abschnitte gegliederten Studien.
Der erste Abschnitt befasst sich mit dem erhaltenen, sehr schlicht gestalteten Traditionsbuch (A). Er beschreibt sehr sorgfältig die 59 bzw. 60 Pergamentblätter umfassende, hauptsächlich von einem Schreiber geschriebene Handschrift und untersucht eindringlich die drei Teile Kopialbuch (19 Abschriften von Urkunden vom Anfang des 12. Jahrhunderts bis um 1186), Traditionen (mehr als 200 Notizen) und Register (rund 30 Urkundenabschriften aus der Zeit von 1264/1277 bis 1333).
Der zweite Abschnitt betrifft das verschollene, wohl von verschiedenen Händen geschriebene Traditionsbuch B, dessen Inhaltsverzeichnis derzeit unter der Signatur Stiftsarchiv Garsten, Akten Sch, 320 (Akten aus dem Musealarchiv), Bd. 1 Nr. 1 im oberösterreichischen Landesarchiv aufbewahrt ist. Dieses die Blätter 33- 49 des Traditionsbuchs B überspringende Inhaltsverzeichnis weist rund vier Fünftel der in der erhaltenen Handschrift A aufgenommenen Traditionen und eine Reihe weiterer Traditionen aus. Auf seiner Grundlage rekonstruiert der Bearbeiter die Handschrift B in 57 Blättern und nimmt einleuchtend zu dem Inhalt der Traditionsnotizen Stellung, die in der Handschrift B über die Handschrift A hinaus (wahrscheinlich) enthalten waren.
Danach behandelt der Verfasser das Verhältnis der beiden Handschriften, von denen A 40 Traditionsnotizen mehr als B und B vier Traditionsnotizen mehr als A bietet. Dabei gelangt er zu der Erkenntnis, dass man in Garsten seit der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts formlose Traditionszettel gesammelt, daraus früher oder später förmliche Traditionsnotizen auf Einzelblättern oder Sammelblättern hergestellt und in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts (wohl nicht völlig vollständig) ein ungebundenes Traditionsbuch (B) mit Abschriften älterer Traditionsnotizen wie Formulierung neuer Traditionsnotizen aus vorhandenen Traditionszetteln geschaffen hat. Diese bis 1186/1190 weitergeführte, mit zwischenzeitlich neu aufgefundenen Traditionsnotizen ergänzte Handschrift B wurde nach dem Verfasser zwischen 1186 und 1190 zum Großteil in die Handschrift A abgeschrieben.
Im dritten Abschnitt nimmt der Verfasser zu Wesen und Funktion der beiden Garstener Traditionsbücher Stellung. Im vierten Abschnitt erörtert er die Überlieferungsgeschichte. und grenzt den Zeitraum des Verlustes der älteren Handschrift B auf die Jahre zwischen 1808 und 1819 ein. 15 Abbildungen (vor allem des neu aufgefundenen Inhaltsverzeichnisses) und ein Register der Orts- und Personenamen runden das verdienstvolle Werk ab, auf dessen Grundlage der Neuedition der Garstener Frühüberlieferung gespannt entgegengesehen werden kann.
Innsbruck Gerhard Köbler