Dressel, Carl-Christian, Die Entwicklung von Verfassung und Verwaltung in Sachsen-Coburg 1800-1826 im Vergleich (= Schriften zur Verfassungsgeschichte 79). Duncker & Humblot, Berlin 2007. 975 S. Besprochen von Werner Schubert. ZRG GA 126 (2009)
Dressel, Carl-Christian, Die Entwicklung von Verfassung und Verwaltung in Sachsen-Coburg 1800-1826 im Vergleich (= Schriften zur Verfassungsgeschichte 79). Duncker & Humblot, Berlin 2007. 975 S. Besprochen von Werner Schubert.
Das Herzogtum Coburg-Gotha-Saalfeld erhielt 1821 eine vergleichsweise fortschrittliche Verfassung, die in § 68 erstmals für den Haushaltsplan die Form eines förmlichen Gesetzes vorsah (S. 457) und den Landständen das Recht zur Abnahme und Prüfung der Rechnung der Landeskasse zugestand. Der genaue Ursprung der Finanzverfassung von Sachsen-Coburg konnte bisher nicht ermittelt werden (S. 469). Sachsen-Coburg ist zu unterscheiden von Sachsen-Coburg-Gotha, das erst Ende 1826 im Rahmen einer umfassenden Neuregelung der sächsisch-thüringischen Fürstentümer mit Coburg zum „Herzogtum Sachsen-Coburg und Gotha“ unter Beibehaltung ihrer jeweiligen Verfassungen vereinigt wurde. Die beiden Landesteile erhielten erst 1852 eine gemeinsame Verfassung (Landesgrundgesetz); seit 1919 gehört Coburg zu Bayern. Dressel beschreibt zunächst die „althergebrachte“ landständische Verfassung des Fürstentums Sachsen-Coburg-Saalfeld, einer ständisch beschränkten Monarchie, die allerdings völlig überschuldet war. Herzog Franz Friedrich Anton (1800-1806) berief 1801 Theodor Konrad von Kretschmann zum leitenden Minister, der an der Reorganisation der bayreuthischen Verwaltung unter Hardenberg beteiligt gewesen war und nunmehr das Finanzsystem des Herzogtums Coburg sanieren sollte. Im Zusammenhang mit umfassenden Verwaltungsreformen lag 1804 der erste Coburgische Verfassungsentwurf vor (S. 171ff., 566ff.), dessen reformabsolutistische Ziele insbesondere auf den Widerstand der Stände stießen. Nach dem Ende des Reichs und dem Beitritt Coburgs zum Rheinbund kam es unter Herzog Ernst (1806-1844) zu neuen Reform- und Verfassungsüberlegungen. Der zweite Verfassungsentwurf Kretschmanns von 1807 (S. 278ff., 609ff., 617ff.) sah eine beratende Mitwirkung der Stände bei der Gesetzgebung und Finanzverwaltung, die Aufhebung der Patrimonialgerichtsbarkeit und die Einführung des Code Napoléon vor (beides in der französischen Fassung des Verfassungsentwurfs nicht mehr enthalten; vgl. S. 297, 620, 622).
Zwischen Herzog Ernst und seinem Minister Kretschmann kam es jedoch bald vor allem wegen der beabsichtigten Einführung des Code Napoléon zu erheblichen Differenzen (S. 304ff.), die 1808 zur Ablösung des Ministers führten (zur Bewertung seiner Leistungen, insbesondere der Trennung der Justiz von der Verwaltung in den Ober- und Unterbehörden S. 308ff.). Das von Kretschmann geschaffene Oberappellationsgericht wurde bereits Mitte 1808 aufgehoben und die Aktenversendung wieder für zulässig erklärt. Im neuen Verfassungsentwurf Gruners vom Juli 1808 (S. 328ff., 648ff.) waren die Bestimmungen zur Justizorganisation nicht mehr enthalten. Nach den Befreiungskriegen erfolgte 1816 eine öffentliche Verfassungsankündigung, die 1817 zu einem Verfassungsentwurf des Landesregierungsrats Lotz führte. Nach weiteren Zwischenfassungen lag nach den Wahlen der Landstände im März 1821 der letzte Verfassungs-(Grundgesetz-)Entwurf der Exekutive vor, der unter der Mitwirkung des Landtagssekretärs Rose unter Benutzung insbesondere der Verfassungen Hessen-Darmstadts um mehrere Titel, insbesondere um einen Grundrechtsteil (S. 750ff.) erweitert wurde. Herzog Ernst billigte die von den Ständen verabschiedete Verfassung im Wesentlichen, so dass man insgesamt von einer „verschleierten Verfassungsvereinbarung“ sprechen kann (S. 463ff.). Die Verfassung von 1821 ist im Zusammenhang mit den Verfassungen von Bayern, Württemberg und Hessen-Darmstadt zu sehen, die als Vorbild und Vergleichsmaterial herangezogen worden waren (S. 465). Wie Dressel zusammenfassend feststellt, handelt es sich bei der Konstitution von 1821 um eine „vom Text her fortschrittliche Verfassung für Sachsen-Coburg-Saalfeld“: „Neben dem Grundrechtskatalog fällt die weitgehende Beschneidung ständischer Privilegien wie der Steuerfreiheit ins Auge; als altständisches Relikt verblieb lediglich die besondere Repräsentation von Ritterschaft und Stadtverwaltungen in der (ansonsten) nicht altständisch gegliederten Ständeversammlung“ (S. 469). Eher durch Zufall seien die bedeutenden Regelungen im Bereich des Finanzverfassungsrechts entstanden. Die letzten Abschnitte des Werks befassen sich mit den durch die Verfassung notwendig gewordenen Reformen (S. 477ff.), mit der weiteren dilatorischen Gesetzgebung Ernsts I. von 1830 an und mit „Anmerkungen“ zu Entwicklung nach 1848 (S. 532ff.). Der Textanhang, der über ein Drittel des Gesamtumfangs des Werks ausmacht (S. 549-935), enthält alle für die Entwicklung der Verfassung und Verwaltung von Sachsen-Coburg zwischen 1800 und 1827 maßgebenden Entwurfs- und Gesetzestexte. Insgesamt liegt mit dem Werk Dressels ein wichtiger Beitrag zur deutschen und partikularen Verfassungsgeschichte der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vor. Aufgrund der sehr detaillierten Gliederung und der breiten Darstellung wäre zumindest eine ausführlichere Zusammenfassung der Gesamtentwicklung nützlich gewesen. Auch fehlen detailliertere biographische Hinweise auf die Herzöge von Sachsen-Coburg und die an der Abfassung der Verfassung beteiligten Beamten und Ständemitglieder. Auch die Hinweise zu Kretschmann (vgl. S. 97f.) und zur Territorialentwicklung Sachsen-Coburgs sind allzu knapp. Trotz dieser offen gebliebenen Wünsche handelt es sich bei dem Werk Dressels um eine gut lesbare und auf einer umfassenden Auswertung der reichhaltigen archivalischen Überlieferung beruhende Arbeit, die anschaulich macht, dass wesentliche Entwicklungen auch in kleineren Staaten ihren Anfang nehmen können.
Kiel
Werner Schubert