Die Preußische Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1914-1945, hg. v. Fischer, Wolfram unter Mitarbeit von Hohlfeld, Rainer/Nötzoldt, Peter (= Interdisziplinäre Arbeitsgruppen, Forschungsberichte 8 Interdisziplinäre Arbeitsgruppe Berliner Akademiegeschichte im 19. und 20. Jahrhundert). Akademie, Berlin 2000. XI, 594 S., 18. Abb. Besprochen von Gerhard Köbler. ZRG GA 126 (2009)
Die Preußische Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1914-1945, hg. v. Fischer, Wolfram unter Mitarbeit von Hohlfeld, Rainer/Nötzoldt, Peter (= Interdisziplinäre Arbeitsgruppen, Forschungsberichte 8 Interdisziplinäre Arbeitsgruppe Berliner Akademiegeschichte im 19. und 20. Jahrhundert). Akademie, Berlin 2000. XI, 594 S., 18. Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Berliner Akademie der Wissenschaften arbeitet an einer der Selbstvergewisserung und der Außenrechnungslegung dienenden Geschichte. Zielsetzung und Fragestellung der dafür eingesetzten Arbeitsgruppe sind von Jürgen Kocka in dem ersten 1999 erschienenen Band Die Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften zu Berlin im Kaiserreich ausführlich dargelegt. Sie gelten auch für den zweiten, die schwierigen Jahre der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus behandelnden Band, der die für den Druck überarbeiteten Referate enthält, die auf einem Symposion vom 29. bis 31. Oktober 1998 gehalten wurden.
Dieser mit einem Lichtbild des Akademiegebäudes (seit 1914) und der Staatsbibliothek, Unter den Linden nach 1937 eröffnete Band enthält insgesamt 20 Beiträge. Sie gliedern sich in Einleitung, 18 Studien und ein Resümee. Die Beiträge betreffen die Abteilungen Akademie, Staat und Politik, wissenschaftliche und kulturelle Kontexte der Akademie, Akademien im nationalen und internationalen wissenschaftlichen Rahmen sowie Disziplinenentwicklung und Arbeitsformen der Akademie.
Dabei schildert etwa Wolfgang Hartwig den schwierigen Übergang in die Weimarer Republik, in der sich die Mehrzahl der Akademiemitglieder als Vernunftrepublikaner erwies. Peter T. Walther erörtert, welche Freiräume sich die Akademie im Nationalsozialismus zunächst erhalten konnte, bis ihre Führung in den späten dreißiger Jahren mit Nationalsozialisten besetzt wurde, die ihrerseits sich im zunehmend chaotischen System des Dritten Reiches gegenüber Ministerium und Parteiorganisationen zu behaupten suchten, wobei seit 1939 neben der wissenschaftlichen Qualifikation auch die politische Ausrichtung zur Vorbedingung für eine Zuwahl wurde. Peter Nötzoldt legt dar, wie die Akademie - weitgehend vergebens - sich gegen den schon vor dem ersten Weltkrieg einsetzenden Bedeutungsverlust gegenüber den großen Forschungseinrichtungen sträubte.
Jens Thiel verfolgt den Rechtshistoriker Paul Abraham in der Tätigkeit an einem Wörterbuch der römischen Rechtssprache bis zur Deportation nach Auschwitz im Februar 1943. Für den Leiter des Wörterbuchvorhabens, den Sekretar der philosophisch-historischen Klasse Ernst Heymann, der von 1938 bis 1942 auch Vizepräsident der Akademie war, ergab sich, dass er zwar schon im Frühjahr 1933 erklärt hatte, dass natürlich in Zukunft bei der Neuwahl von Mitgliedern der Arier-Paragraph stillschweigend berücksichtigt werde, dass er aber Paul Abraham gleichwohl bis 1941/1942 zu schützen versuchte. Mit dem Selbstmord des zuständigen Ministers und der dreijährigen amerikanischen Haft des Amtschefs Wissenschaft endet die wichtige und interessante, wenn auch organisatorisch auf Teilfragen für unterschiedliche Bearbeiter eines Zeitraums zugeschnittene, durch ein Namenverzeichnis aufgeschlossene Bestandsaufnahme.
Innsbruck Gerhard Köbler