AAAKöbler, Gerhard, evangelisch in Bismarcks Gedanken und Erinnerungen, 2016
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Abs. 7 [1-3] der bürokratischen Laufbahn nach Jahrzehnten dahin führen konnte, an den höhern Stellen bemerkt und herangezogen zu werden. Als mustergültige Vordermänner auf diesem Wege wurden mir im Familienkreise damals Männer wie Pommer-Esche und Delbrück vorgehalten, und als einzuschlagende Richtung die Arbeit an und in dem Zollvereine empfohlen. Ich hatte, so lange ich in dem damaligen Alter an eine Beamtenlaufbahn ernstlich dachte, die diplomatische im Auge, auch nachdem ich von Seiten des Ministers Ancillon bei meiner Meldung dazu wenig Ermuthigung gefunden hatte. Derselbe bezeichnete nicht mir, aber hohen Kreisen gegenüber als Musterbild dessen, was unsrer Diplomatie fehle, den Fürsten Felix Lichnowski, obschon man hätte vermuthen sollen, daß diese Persönlichkeit, wie sie sich damals in Berlin zur Anschauung brachte, der anerkennenden Würdigung eines der evangelischen Geistlichkeit entstammenden Ministers nicht grade nahe stände. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 226 Unbeantwortet ist die Frage geblieben, ob der Einfluß des Generals von Radowitz aus katholisirenden Gründen in einer auf den König wirksamen Gestalt verwendet worden ist, um das evangelische Preußen an der Wahrnehmung der günstigen Gelegenheit zu hindern und den König über dieselbe hinweg zu täuschen. Ich weiß heut noch nicht, ob er ein katholisirender Gegner Preußens war oder nur bestrebt, seine Stellung bei dem Könige zu halten *) . Gewiß ist, daß er den geschickten Garderobier der (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 819 [1-244] glauben, daß eine lange und schwere Mißregirung das Volk gegen seine Obrigkeit so erbittert hätte, daß bei jedem Luftzug die Flamme ausschlägt. Politische Unreife hat viel Antheil an diesem Stolpern über Zwirnsfäden; aber seit vierzehn Jahren haben wir der Nation Geschmack an Politik beigebracht, ihr aber den Appetit nicht befriedigt, und sie sucht die Nahrung in den Gossen. Wir sind fast so eitel wie die Franzosen; können wir uns einreden, daß wir auswärts Ansehn haben, so lassen wir uns im Hause viel gefallen; haben wir das Gefühl, daß jeder kleine Würzburger uns hänselt und geringschätzt und daß wir es dulden aus Angst, weil wir hoffen, daß die Reichsarmee uns vor Frankreich schützen wird, so sehn wir innre Schäden an allen Ecken, und jeder Preßbengel, der den Mund gegen die Regirung aufreißt, hat Recht. Von den Fürstenhäusern von Neapel bis Hanover wird uns keins unsre Liebe danken, und wir üben an ihnen recht evangelische Feindesliebe, auf Kosten der Sicherheit des eignen Thrones. Ich bin meinem Fürsten treu bis in die Vendée, aber gegen alle andern fühle ich in keinem Blutstropfen eine Spur von Verbindlichkeit, den Finger für sie aufzuheben. In dieser Denkungsweise fürchte ich von der unsres allergnädigsten Herrn so weit entfernt zu sein, daß er mich schwerlich zum Rathe seiner Krone geeignet finden wird. Deshalb wird er mich, wenn überhaupt, lieber im Innern verwenden. Das bleibt sich aber m. E. ganz gleich, denn ich verspreche mir von der Gesammtregirung keine gedeihlichen Resultate, wenn unsre auswärtige Haltung nicht kräftiger und unabhängiger von dynastischen Sympathien wird, an denen wir aus Mangel an Selbstvertrauen eine Anlehnung suchen, die sie nicht gewähren können und die wir nicht brauchen. Wegen der Wahlen ist es Schade, daß der Bruch sich grade so gestaltet; die gut königliche Masse der Wähler wird den Streit über die Huldigung nicht verstehn, und die Demokratie ihn entstellen. Es wäre besser gewesen, in der Militärfrage stramm zu halten gegen Kühne, mit der Kammer zu brechen, sie aufzulösen und damit der Nation zu zeigen, wie der König zu den Leuten (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 1014 Gegenüber der Bewegung in Polen, die gleichzeitig mit der Umwälzung in Italien, und nicht ohne Zusammenhang mit ihr, durch die Landestrauer, die kirchliche Feier vaterländischer Erinnerungstage und die Agitation der landwirthschaftlichen Vereine begann, war man in Petersburg ziemlich lange schwankend zwischen Polonismus und Absolutismus. Die den Polen freundliche Strömung hing zusammen mit dem in der höhern russischen Gesellschaft laut gewordenen Verlangen nach einer Verfassung. Man empfand es als eine Demüthigung, daß die Russen, die doch auch gebildete Leute wären, Einrichtungen entbehren müßten, die bei allen europäischen Völkern existirten, und daß sie über ihre eignen Angelegenheiten nicht mitzureden hätten. Der Zwiespalt in der Beurtheilung der polnischen Frage erstreckte sich bis in die höchsten militärischen Kreise und führte zwischen dem Statthalter in Warschau, General Graf Lambert, und dem Generalgouverneur General Gerstenzweig, zu einer leidenschaftlichen Erörterung, die mit dem nicht aufgeklärten gewaltsamen Tode des Letztern endete (Jan. 1862). Ich wohnte seiner Beisetzung in einer der evangelischen Kirchen Petersburgs bei. Diejenigen Russen, welche für sich eine Verfassung verlangten, machten zuweilen entschuldigend geltend, daß die Polen durch Russen nicht regirbar wären und als die Civilisirteren erhöhten Anspruch auf Betheiligung an ihrer Regirung hätten. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 353 [2-126] gehende, daß bezüglich unsres Schicksals nach dem irdischen Tode die Bürgschaften für die Katholiken stärker seien, als für andre, weil, angenommen, daß die katholischen Dogmen irrthümlich seien, das Schicksal der katholischen Seele nicht schlimmer ausfalle, wenn der evangelische Glaube sich als der richtige erweisen sollte, im umgekehrten Falle aber die Zukunft der ketzerischen Seele eine entsetzliche sei. Er knüpfte daran die Frage: „Glauben Sie etwa, daß ein Katholik nicht selig werden könne?“ Ich antwortete: „Ein katholischer Laie unbedenklich; ob ein Geistlicher, ist mir zweifelhaft; in ihm steckt ,die Sünde wider den heiligen Geist', und der Wortlaut der Schrift steht ihm entgegen.“ Der Bischof beantwortete diese in scherzhaftem Tone gegebene Erwiderung lächelnd durch eine höflich ironische Verbeugung. Nachdem unsre Verhandlungen resultatlos abgelaufen waren, wurde die Neubildung der 1860 gegründeten, jetzt Centrum genannten katholischen Fraction mit steigendem Eifer besonders von Savigny und Mallinckrodt betrieben. An dieser Fraction habe ich die Beobachtung zu machen gehabt, daß, wie in Frankreich so auch in Deutschland, der Papst schwächer ist, als er erscheint, jedenfalls nicht so stark ist, daß wir seinen Beistand in unsern Angelegenheiten durch den Bruch mit den Sympathien andrer mächtiger Elemente erkaufen durften. Von dem désaveu des Cardinals Antonelli in dem Briefe an den Bischof Ketteler vom 5. Juni 1871, von der Centrumsmission des Fürsten Löwenstein-Wertheim, von der Unbotmäßigkeit des Centrums bei Gelegenheit des Septennats habe ich den Eindruck erhalten, daß der Partei- und Fractionsgeist, den die Vorsehung dem Centrum an Stelle des Nationalsinnes andrer Völker verliehn hat, stärker ist als der Papst, nicht auf einem Concil, ohne Laien, aber auf dem Schlachtfelde parlamentarischer und publicistischer Kämpfe innerhalb Deutschlands. Ob das auch der Fall sein würde, wenn der päpstliche Einfluß sich ohne Rücksicht auf concurrirende Kräfte, namentlich den Jesuitenorden, geltend zu machen vermöchte, lasse ich, ohne an den plötzlichen Tod des (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 363 [2-131] Falk unterlag derselben Tactik, die am Hofe gegen mich nicht mit demselben Erfolge, aber mit gleichen Mitteln in Anwendung gebracht worden war; er unterlag ihr, theils weil er für Hofeindrücke empfindlicher war als ich, theils weil ihm die Sympathie des Kaisers nicht in gleichem Maße zur Seite stand wie mir. Die antiministerielle Thätigkeit der Kaiserin fand ihre ursprüngliche Quelle in der Unabhängigkeit des Charakters, welche es ihr erschwerte, mit einer Regirung zu gehn, die nicht in ihren eignen Händen lag, und welche ihr ein Menschenalter hindurch den Weg der Opposition gegen die jedesmalige Regirung anziehend machte. Sie war nicht leicht der Meinung eines Andern. Zur Zeit des Culturkampfes wurde diese Neigung gefördert durch die katholische Umgebung Ihrer Majestät, welche aus dem ultramontanen Lager Information und Anweisung erhielt. Diese Einflüsse nutzten mit Geschick und Menschenkenntniß die alte Neigung der Kaiserin aus, auf die jedesmalige Staatsregirung verbessernd einzuwirken. Ich habe Falk wiederholt seine beabsichtigten Abschiedsgesuche ausgeredet, die sich an Kaiserliche Handschreiben ungnädigen Inhalts, welche wohl nicht der eignen Initiative des hohen Herrn entsprungen waren, und an verletzendes Benehmen gegen seine Frau am Hofe knüpften. Ich empfahl ihm, sich den ungnädigen, aber auch uncontrasignirten Allerhöchsten Erlassen gegenüber, die weniger an den Culturkampf als an die Beziehungen des Cultusministers zum Oberkirchenrath und zur evangelischen Kirche anknüpften, passiv zu verhalten, allenfalls seine Beschwerden an das Staatsministerium zu bringen, dessen Anträge, wenn sie einhellig waren, der König zu berücksichtigen pflegte. Endlich aber wurde er dadurch, daß er Kränkungen ausgesetzt war, die seinem Ehrgefühl empfindlich waren, doch bestimmt, seinen Abschied zu nehmen. Alle Erzählungen, nach denen ich ihn aus dem Ministerium verdrängt haben soll, beruhn auf Erfindung, und ich habe mich gewundert, daß er selbst ihnen niemals in der Oeffentlichkeit widersprochen hat, obschon er mit mir stets in befreundeten Beziehungen geblieben ist. Aus den Vorgängen, die für seinen (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 367 [2-133] entgegenkommen konnten, hatte ich mich also mit meinen Collegen zu verständigen. Der Widerstand der Gesammtheit der im Kampfe betheiligt gewesenen Ministerialräthe war dabei nachhaltiger als der meiner unmittelbaren Collegen, zunächst des Nachfolgers Falks, als welchen ich dem Könige Herrn v. Puttkamer vorschlug. Aber auch nach diesem Personenwechsel konnte es mir nicht sobald gelingen, die Kirchenpolitik zu ändern, wenn ich nicht neue, dem Könige unwillkommne und mir unerwünschte Cabinetskrisen herbeiführen wollte. Die Erinnerungen an die Zeiten der Anwerbung neuer Collegen gehören zu den unerquicklichsten meiner amtlichen Laufbahn. Um mich mit Herrn v. Puttkamer zu einigen, hätte ich die Unterstützung der culturkampfgewöhnten Räthe seines Ministeriums gewinnen müssen, und das überstieg meine Kräfte. Die Erklärung der Falkschen Kirchenpolitik ist nicht ausschließlich auf dem Gebiete des katholischen Kirchenstreits zu suchen; sie wurde gelegentlich auch durch die evangelische Kirchenfrage gekreuzt und beeinflußt. In dieser stand Herr von Puttkamer den am Hofe wirksamen Auffassungen näher als Falk, und mein Wunsch, den Kampf mit Rom auf ein engeres Gebiet einzuschränken, hätte bei meinem neuen Collegen persönlich wohl keinen Widerstand gefunden. Die Hemmnisse lagen aber theils in dem Schwergewicht der vom Zorne des Culturkampfs erregten Räthe, denen Herr von Puttkamer auch die natürliche und herkömmliche Entwicklung unsrer Orthographie zum Opfer zu bringen sich genöthigt glaubte, theils in dem Widerstreben meiner übrigen Collegen gegen jeden Anschein von Nachgiebigkeit dem Papste gegenüber. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 368 Meine ersten Versuche zur Anbahnung des kirchlichen Friedens fanden auch bei Sr. Majestät keinen Anklang. Der Einfluß der höchsten evangelischen Geistlichkeit war damals stärker als der katholisirende der Kaiserin und letztre vom Centrum her ohne Anregung, weil dort die Anfänge des Einlenkens ungenügend befunden wurden, und es auch dort wie am Hofe immer noch wichtiger schien, mich zu bekämpfen, als versöhnliche Bestrebungen, (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 374 Inwieweit derselbe von Dauer sein wird und die confessionellen Kämpfe nun ruhn werden, kann nur die Zeit lehren. Es hängt das von kirchlichen Stimmungen ab und von dem Grade der Streitbarkeit nicht blos des jedesmaligen Papstes und seiner leitenden Rathgeber, sondern auch der deutschen Bischöfe und der mehr oder weniger hochkirchlichen Richtung, welche im Wechsel der Zeit in der katholischen Bevölkerung herrscht. Eine feste Grenze der römischen Ansprüche an die paritätischen Staaten mit evangelischer Dynastie läßt sich nicht herstellen. Nicht einmal in rein katholischen Staaten. Der uralte Kampf zwischen Priestern und Königen wird nicht heut zum Abschluß gelangen, namentlich nicht in Deutschland. Wir haben vor 1870 Zustände gehabt, auf Grund deren die Lage der katholischen Kirche grade in Preußen als mustergültig und günstiger als in den meisten rein katholischen Ländern auch von der Curie anerkannt wurde. In unsrer innern Politik, namentlich der parlamentarischen, haben wir aber keine Wirkung dieser confessionellen Befriedigung gespürt. Die Fraction der beiden Reichensperger gehörte schon lange vor 1871, ohne daß deshalb die Führer persönlich in den Ruf des Händelmachens verfielen, dauernd der Opposition gegen die Regirung des evangelischen Königshauses an. Bei jedem modus vivendi wird Rom eine evangelische Dynastie und Kirche als eine Unregelmäßigkeit und Krankheit betrachten, deren Heilung die Aufgabe seiner Kirche sei. Die Ueberzeugung, daß dem so ist, nöthigt den Staat noch nicht, seinerseits den Kampf zu suchen und die Defensive der römischen Kirche gegenüber aufzugeben, denn alle Friedensschlüsse in dieser Welt sind Provisorien, (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 421 „Die Frage ist nach der evangelischen Seite hin zu einer Wichtigkeit aufgebläht worden, als wollten wir jetzt sämmtliche Geistliche absetzen, eine tabula rasa schaffen und mit diesen 20000 Thalern, (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 423 [2-150] die wir fordern, den evangelischen Staat auf den Kopf stellen. Wären diese Uebertreibungen nicht geschehn, so wären die bedauerlichen Streitigkeiten und Reibungen bei diesem Gesetz vollständig überflüssig gewesen; das Gesetz hat seine übertriebene Wichtigkeit erst durch den uns ganz unerwarteten Widerstand der conservativen Partei evangelischer Confession erhalten, einen Widerstand, in dessen Genesis ich hier nicht näher eingehn will — ich könnte es nicht, ohne persönlich zu werden — der aber für die Staatsregirung eine tief schmerzliche und für die Zukunft entmuthigende Erfahrung bildet. Nachdem ich Ihnen mit einer Offenheit, zu der conservative Leute die Staatsregirung niemals zwingen sollten, die Genesis und Tendenz dieses Gesetzes dargelegt habe, sollten Sie die Nothwendigkeit, daß unsre bisher nicht deutsch sprechenden Landsleute Deutsch lernen, anerkennen. Das ist für mich der Hauptpunkt dieses Gesetzes“ 1). (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 443 [2-156] Verleumders bereitwillig übernehmen? Sobald man aber vor dem eignen Gewissen und vor der Fraction sich damit decken kann, daß man im Parteiinteresse auftritt, so gilt jede Gemeinheit für erlaubt oder doch für entschuldbar. Gegen mich begannen die Verleumdungen in dem Blatte, das unter dem christlichen Symbol des Kreuzes und mit dem Motto „Mit Gott für König und Vaterland“ seit Jahren nicht mehr die conservative Fraction und noch weniger das Christenthum, sondern nur den Ehrgeiz und die gehässige Verbissenheit einzelner Redacteure vertritt. Als ich über die Giftmischereien des Blattes am 9. Februar 1876 in öffentlicher Rede Klage geführt hatte 1), antwortete mir die Kundgebung der sogenannten Declaranten, deren wissenschaftliches Contingent aus einigen Hundert evangelischen Geistlichen bestand, die in ihrem amtlichen Charakter mir in dieser Form als Eideshelfer der Kreuzzeitungslügen entgegentraten und ihre Mission als Diener der christlichen Kirche und ihres Friedens dadurch bethätigten, daß sie die Verleumdungen des Blattes öffentlich contrasignirten. Ich habe gegen Politiker in langen Kleidern, weiblichen und priesterlichen, immer Mißtrauen gehegt, und dieses Pronunciamiento einiger Hundert evangelischer Pfarrer zu Gunsten einer der frivolsten, gegen den ersten Beamten des Landes gerichteten Verleumdung war nicht geeignet, mein Vertrauen grade zu Politikern, die im Priesterrock, auch in einem evangelischen, stecken, zu stärken. Zwischen mir und allen Declaranten, von denen viele bis dahin zu meinen Bekannten, sogar zu meinen Freunden gehört hatten, war, nachdem sie sich die ehrenrührigen Beschimpfungen aus der Feder Perrots angeeignet hatten, die Möglichkeit eines persönlichen Verkehrs vollständig abgeschnitten. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 454 [2-161] In der Zeit der Declaranten wurde die antiministerielle Strömung, das heißt die Mißgunst, mit der ich von vielen meiner Standesgenossen betrachtet und behandelt wurde, lebhaft gefördert durch starke Einflüsse am Hofe. Der Kaiser hat mir seine Gnade und seine Unterstützung in Geschäften niemals versagt; das hinderte den Herrn aber nicht, die „Reichsglocke“ täglich zu lesen. Dieses nur von der Verleumdung gegen mich lebende Blatt wurde im Königlichen Hausministerium für unsern und andre Höfe in 13 Exemplaren colportirt und hatte seine Mitarbeiter nicht nur im katholischen, sondern auch im evangelischen Hof- und Landesadel. Die Kaiserin Augusta ließ mich ihre Ungnade andauernd fühlen, und ihre unmittelbaren Untergebenen, die höchsten Beamten des Hofes, gingen in ihrem Mangel an Formen so weit, daß ich zu schriftlichen Beschwerden bei Sr. Majestät selbst veranlaßt wurde. Diese hatten den Erfolg, daß wenigstens die äußern Formen mir gegenüber nicht mehr vernachlässigt wurden. — Minister Falk wurde demnächst durch dergleichen höfische Unfreundlichkeiten gegen ihn und seine Frau mehr als durch sachliche Schwierigkeiten seiner Stellung überdrüssig 1). (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 478 Meiner Ueberzeugung nach hat die römische Curie den Krieg zwischen Frankreich und Deutschland ebenso wie die meisten Politiker seit 1866 als wahrscheinlich betrachtet, als ebenso wahrscheinlich auch, daß Preußen unterliegen würde. Den Krieg vorausgesetzt, mußte der damalige Papst darauf rechnen, daß der Sieg Frankreichs über das evangelische Preußen die Möglichkeit bieten werde, den Vorstoß, den er selbst mit dem Concil und der Unfehlbarkeit gegen die akatholische Welt und gegen nervenschwache Katholiken gemacht hatte, zu weitern Consequenzen zu treiben. Wie das kaiserliche Frankreich und besonders die Kaiserin Eugenie damals zu dem Papste standen, ließ sich ohne zu gewagte Berechnung annehmen, daß Frankreich, wenn seine Heere siegreich in Berlin ständen, (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 485 Auf demselben Boden erwuchs in ausschließlich evangelischen Kreisen das Interesse, welches die fremdartige Erscheinung eines Katholiken und, am Hofe, eines Würdenträgers der katholischen Kirche, damals einflößte. Es war zur Zeit Friedrich Wilhelms III. eine interessante Unterbrechung der Einförmigkeit, wenn Jemand katholisch war. Ein katholischer Mitschüler wurde ohne jedes confessionelle Uebelwollen mit einer Art von Verwunderung wie eine exotische Erscheinung und nicht ohne Befriedigung darüber betrachtet, daß ihm von der Bartholomäusnacht, von Scheiterhaufen und dem dreißigjährigen Kriege nichts anzumerken war. Im Hause des Professors von Savigny, dessen Frau katholisch war, wurde den Kindern, wenn sie 14 Jahre alt waren, die Wahl der Confession freigestellt; sie folgten der evangelischen Confession des Vaters mit Ausnahme meines Altersgenossen, des nachmaligen Bundestagsgesandten und Mitbegründers des Centrums. In der Zeit, als wir Beide Primaner oder Studenten waren, sprach er ohne polemische Färbung über die Motive der getroffenen Wahl und führte dabei die imponirende Würde des katholischen Gottesdienstes, dann aber auch den Grund an, katholisch sei doch im Ganzen vornehmer, „protestantisch ist ja jeder dumme Junge“. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 487 [2-172] Kreise mehr Aufsehn erregen oder auch nur einen Eindruck machen. Nur die Kaiserin Augusta ist von ihren Jugendeindrücken nicht frei geworden. Ein katholischer Geistlicher erschien ihr vornehmer als ein evangelischer von gleichem Range und von gleicher Bedeutung. Die Aufgabe, einen Franzosen oder Engländer zu gewinnen, hatte für sie mehr Anziehung als dieselbe Aufgabe einem Landsmanne gegenüber, und der Beifall der Katholiken wirkte befriedigender als der der Glaubensgenossen. Gontaut-Biron, dazu aus vornehmer Familie, hatte keine Schwierigkeit, sich in den Hofkreisen eine Stellung zu schaffen, deren Verbindungen auf mehr als einem Wege an die Person des Kaisers heranreichten. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 730 [2-245] haben. In Wien fand ich eine ähnliche Stimmung in den Straßen, die Begrüßungen der dicht gedrängten Menge waren so zusammenhängend, daß ich, da ich in Civil war, in die unbequeme Nothwendigkeit gerieth, die Fahrt zum Gasthofe so gut wie mit bloßem Kopfe zurückzulegen. Auch während der Tage, die ich in dem Gasthofe zubrachte, konnte ich mich nicht am Fenster zeigen, ohne freundliche Demonstrationen der dort Wartenden oder Vorübergehenden hervorzurufen. Diese Kundgebungen vermehrten sich, nachdem der Kaiser Franz Joseph mir die Ehre erzeigt hatte, mich zu besuchen. Alle diese Erscheinungen waren der unzweideutige Ausdruck des Wunsches der Bevölkerung der Hauptstadt und der durchreisten deutschen Provinzen, eine enge Freundschaft mit dem neuen Deutschen Reiche als Signatur der Zukunft beider Großmächte sich bilden zu sehn. Daß dieselben Sympathien im Deutschen Reiche, im Süden noch mehr als im Norden, bei den Conservativen mehr als bei der Opposition, im katholischen Westen mehr als im evangelischen Osten, der Blutsverwandschaft entgegenkamen, war mir nicht zweifelhaft. Die angeblich confessionellen Kämpfe des dreißigjährigen Krieges, die einfach politischen des siebenjährigen und die diplomatischen Rivalitäten vom Tode Friedrichs des Großen bis 1866 hatten das Gefühl dieser Verwandschaft nicht erstickt, so sehr sonst der Deutsche auch geneigt ist, den Landsmann, wenn ihm Gelegenheit dazu geboten wird, mit mehr Eifer zu bekämpfen als den Ausländer. Es ist möglich, daß der slavische Keil, durch den in Gestalt der Czechen die urdeutsche Bevölkerung der östreichischen Stammlande von den nordwestlichen Landsleuten getrennt ist, die Wirkungen, die nachbarliche Reibungen auf Deutsche gleichen Stammes, aber verschiedener dynastischer Angehörigkeit, auszuüben pflegen, abgeschwächt und das germanische Gefühl der Deutsch-Oestreicher gekräftigt hat, das durch den Schutt, den historische Kämpfe hinterlassen, wohl verdeckt, aber nicht erstickt worden ist. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 834 Die Prinzessin Augusta vertrat unter Friedrich Wilhelm IV. in der Regel den Gegensatz zur Regirungspolitik; die Neue Aera der Regentschaft sah sie als ihr Ministerium an, wenigstens bis zum Rücktritt des Herrn von Schleinitz. Es lebte in ihr vorher und später ein Bedürfniß des Widerspruchs gegen die jedesmalige Haltung der Regirung ihres Schwagers und später ihres Gemals. Ihr Einfluß wechselte und zwar so, daß derselbe bis auf die letzten Lebensjahre stets gegen die Minister in's Gewicht fiel. War die Regirungspolitik conservativ, so wurden die liberalen Personen und Bestrebungen in den häuslichen Kreisen der hohen Frau ausgezeichnet und gefördert; befand sich die Regirung des Kaisers in ihrer Arbeit zur Befestigung des neuen Reiches auf liberalen Wegen, so neigte die Gunst mehr nach der Seite der conservativen und namentlich der katholischen Elemente, deren Unterstützung, da sie unter einer evangelischen Dynastie sich häufig und bis zu gewissen Grenzen regelmäßig in der Opposition befanden, überhaupt der Kaiserin nahe lag. In den Perioden, wo unsre auswärtige Politik mit Oestreich Hand in Hand gehn konnte, war die Stimmung gegen Oestreich unfreundlich und fremd; bedingte unsre Politik den Widerstreit gegen Oestreich, so fanden dessen Interessen Vertretung durch die Königin und zwar bis in die Anfänge des Krieges 1866 hinein. Während an der böhmischen Grenze schon gefochten wurde, fanden in Berlin unter dem Patronate Ihrer Majestät durch das Organ von Schleinitz noch Beziehungen und Unterhandlungen bedenklicher Natur statt. Herr von Schleinitz hatte, seit ich Minister des Aeußern und er selbst Minister des königlichen Hauses geworden, das Amt einer Art Gegenministers der Königin, um Ihrer Majestät Material zur Kritik und zur Beeinflussung des Königs zu liefern. Er hatte zu diesem Behufe die Verbindungen benutzt, die er in der Zeit, wo er mein Vorgänger war, im Wege (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 967 [2-310] ist berechnet auf die Zerstörung des unbequemen Gebildes eines Deutschen Reiches mit evangelischem Kaiserthum und acceptirt in Wahlen und Abstimmungen den Beistand jeder ihr an sich feindlichen, aber zunächst in gleicher Richtung wirkenden Fraction, nicht nur der Polen, Welfen, Franzosen, sondern auch der Freisinnigen. Wie viele der Mitglieder mit Bewußtsein, wie viele in ihrer Beschränktheit für reichsfeindliche Zwecke arbeiten, werden nur die Führer beurtheilen können. Windthorst, politisch latitudinarian, religiös ungläubig, ist durch Zufall und bürokratisches Ungeschick auf die feindliche Seite geschoben worden. Trotz alledem hoffe ich, daß in Kriegszeiten das Nationalgefühl stets zu der Höhe anschwellen wird, um das Lügengewebe zu zerreißen, in dem Fractionsführer, strebsame Redner und Parteiblätter in Friedenszeiten die Massen zu erhalten wissen. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)