Becker, Martin, Arbeitsvertrag und Arbeitsverhältnis während der Weimarer Republik und in der Zeit des Nationalsozialismus (= Juristische Abhandlungen 44). Klostermann, Frankfurt am Main 2004. XVI, 627 S. Besprochen von Alfred Söllner. ZRG GA 123 (2006)
Becker, Martin, Arbeitsvertrag und Arbeitsverhältnis in Deutschland vom Beginn der Industrialisierung bis zum Ende des Kaiserreichs (= Studien zur europäischen Rechtsgeschichte 76). Klostermann, Frankfurt am Main 1995. XII, 377 S.
Becker, Martin, Arbeitsvertrag und Arbeitsverhältnis während der Weimarer Republik und in der Zeit des Nationalsozialismus (= Juristische Abhandlungen 44). Klostermann, Frankfurt am Main 2004. XVI, 627 S.
Bei der erstgenannten Publikation handelt es sich um die von Thilo Ramm betreute Dissertation des Verfassers, bei der zweitgenannten um seine Frankfurter Habilitationsschrift. Beide Untersuchungen gehören zusammen; die zweite baut auf der ersten auf. Wenn der Verfasser beispielsweise am Ende der Habilitationsschrift (S. 577) die Auffassung vertritt, in der Weimarer Zeit seien die „freiheitsbezogenen und freiheitsverbürgenden Konzepte aus der Zeit des Kaiserreichs“ weitgehend untergegangen und ungenutzt geblieben, so lässt sich dieses Urteil nur bei Kenntnis seiner Dissertation verstehen und nachvollziehen. Die Personen- und Sachregister in der Habilitationsschrift verweisen denn auch sowohl auf den „ersten Band“ als auch auf den „zweiten Band“.
In beiden Untersuchungen geht es dem Verfasser darum, historisch aufzuklären, wie sich das Spannungsverhältnis von Fremdbestimmung und Selbstbestimmung in der Entwicklung des Arbeitsrechts und seinen Konzepten niedergeschlagen hat. Innerhalb der Behandlung der verschiedenen Epochen nimmt die Darstellung der in der Rechtslehre vertretenen Konzeptionen den größten Raum ein. Dieser Darstellung geht zwar jeweils die Schilderung der verfassungsrechtlichen und politischen Rahmenbedingungen voraus. Und sie wird jeweils auch abgerundet durch Hinweise auf die damalige Rechtsprechung zum Arbeitsvertrag und auf die einschlägigen Gesetzgebungsvorhaben. Das eigentlich Verdienstvolle aber ist die eingehende Wiedergabe und Würdigung der in der Wissenschaft vertretenen Konzeptionen von Arbeitsvertrag und Arbeitsverhältnis. Allerdings kann diese Darstellung keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. So werden in dem Abschnitt der Habilitationsschrift, welcher der Weimarer Zeit gewidmet ist (§ 4), zwar die Konzeptionen von Kaskel, Silberschmidt, Richter, Potthoff, Kreller, Renner, Sinheimer, Melsbach, Jakobi, Oertmann, Molitor, A. Hueck, Nipperdey und Herschel wiedergegeben und gewürdigt. Es fehlt jedoch in dieser Reihe der Name Heinrich Hoeniger. Hoeniger hatte schon bald nach dem Ersten Weltkrieg zusammen mit Wehrle eine Textsammlung Arbeitsrecht herausgegeben, die in der Zeit der Weimarer Republik viele Auflagen erlebte. Dieser Textsammlung hatte Hoeniger eine Einführung vorausgeschickt, die man getrost als die erste systematische Darstellung des damals neuen Rechtsgebiets „Arbeitsrecht“ bezeichnen kann. Nach Hoeniger unterscheidet sich der Arbeitsvertrag vom Dienstvertrag des Selbständigen dadurch, dass im Arbeitsvertrag die zu leistenden Dienste allein der Gattung nach umschrieben sind und dass die nur gattungsmäßig zugesagte Arbeitsleistung im Einzelfalle dann durch die Weisungen des Arbeitgebers bestimmt wird. Damit hatte Hoeniger das Grundphänomen des Arbeitsrechts, nämlich die Fremdbestimmung, bis auf den heutigen Tag zutreffend beschrieben. Wenn sein Name in der Habilitationsschrift Beckers nicht einmal erwähnt wird, so ist dies ein bedauerlicher Mangel. Zudem ist kaum verständlich, dass dieser Mangel vor der Drucklegung vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Frankfurt am Main, wo Heinrich Hoeniger nach dem Zweiten Weltkrieg - aus dem von den Nationalsozialisten erzwungenen Exil in den USA zurückgekehrt – als Gastprofessor noch mehrere Jahre lang Arbeitsrecht lehrte, im Habilitationsverfahren nicht bemerkt und beanstandet worden ist.
Gießen Alfred Söllner