AAAKöbler, Gerhard, Beamte in Bismarcks Gedanken und Erinnerungen, 2016
Suchtext: Beamte
exakte Suche, Groß-/Kleinscheibung
Ausgabe: Absatz
42 Ergebnis(se) gefunden
Abs. 7 [1-3] der bürokratischen Laufbahn nach Jahrzehnten dahin führen konnte, an den höhern Stellen bemerkt und herangezogen zu werden. Als mustergültige Vordermänner auf diesem Wege wurden mir im Familienkreise damals Männer wie Pommer-Esche und Delbrück vorgehalten, und als einzuschlagende Richtung die Arbeit an und in dem Zollvereine empfohlen. Ich hatte, so lange ich in dem damaligen Alter an eine Beamtenlaufbahn ernstlich dachte, die diplomatische im Auge, auch nachdem ich von Seiten des Ministers Ancillon bei meiner Meldung dazu wenig Ermuthigung gefunden hatte. Derselbe bezeichnete nicht mir, aber hohen Kreisen gegenüber als Musterbild dessen, was unsrer Diplomatie fehle, den Fürsten Felix Lichnowski, obschon man hätte vermuthen sollen, daß diese Persönlichkeit, wie sie sich damals in Berlin zur Anschauung brachte, der anerkennenden Würdigung eines der evangelischen Geistlichkeit entstammenden Ministers nicht grade nahe stände. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 21 Ich kann mir denken, daß bei Besetzung der rheinischen Regirungscollegien 1816 ähnlich verfahren worden war, wie 1871 bei der Organisation von Elsaß-Lothringen. Die Behörden, welche einen Theil ihres Personals abzugeben hatten, werden nicht auf das staatliche Bedürfniß gehört haben, für die schwierige Aufgabe der Assimilirung einer neu erworbenen Bevölkerung den besten Fuß vorzusetzen, sondern diejenigen Mitglieder gewählt haben, deren Abgang von ihren Vorgesetzten oder von ihnen selbst gewünscht wurde; in den Collegien fanden sich frühere Präfektur-Sekretäre und andre Reste der französischen Verwaltung. Die Persönlichkeiten entsprachen nicht alle dem unberechtigten Ideale, das mir in dem Alter von 21 Jahren vorschwebte, und noch weniger that dies der Inhalt der laufenden Geschäfte. Ich erinnere mich, daß ich bei vielen Meinungsverschiedenheiten zwischen Beamten und Regirten oder innerhalb jeder dieser beiden Kategorien, Meinungsverschiedenheiten, deren polemische Vertretung jahrelang die Akten anschwellen machte, gewöhnlich unter dem Eindrucke stand, "ja, so kann man es auch machen," und daß Fragen, deren Entscheidung in dem einen oder dem andern Sinne das verbrauchte Papier nicht werth war, eine Geschäftslast erzeugten, die ein einzelner Präfekt mit dem vierten Theile der aufgewandten Arbeitskraft hätte erledigen können. Nichtsdestoweniger war, abgesehn von den subalternen Beamten, das tägliche Arbeitspensum ein geringes und besonders für die Abtheilungs-Dirigenten eine reine Sinecure. Ich verließ Aachen mit einer, abgesehn von dem begabten Präsidenten Grafen Arnim-Boitzenburg, geringen Meinung von unsrer Bürokratie im Einzelnen und in der Gesammtheit. Im Einzelnen wurde meine Meinung günstiger durch meine demnächstige Erfahrung (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 25 Die Neigung zu befremdendem Eingreifen in die verschiedensten Lebensverhältnisse war unter dem damaligen väterlichen Regimente vielleicht größer als heut, aber die Organe zum Eingreifen waren weniger zahlreich und standen an Bildung und Erziehung höher als ein Theil der heutigen. Die Beamten der Königlichen hochlöblichen Regirung waren ehrliche, studirte und gut erzogne Beamte, aber ihre wohlwollende Thätigkeit fand nicht immer Anerkennung, weil sie sich ohne locale Sachkunde auf Details zersplitterte, in Betreff deren die Ansichten des gelehrten Stadtbewohners am grünen Tische nicht immer der Kritik des bäuerlichen gesunden Menschenverstandes überlegen waren. Die Mitglieder der Regirungs-Collegien (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 26 [1-11] hatten damals multa, nicht multum zu thun, und der Mangel an höhern Aufgaben brachte es mit sich, daß sie kein ausreichendes Quantum wichtiger Geschäfte fanden und in ihrem Pflichteifer sich über das Bedürfniß der Regirten hinaus zu thun machten, in die Neigung zur Reglementirerei, zu dem, was der Schweizer "Befehlerle" nennt, geriethen. Man hatte, um einen vergleichenden Blick auf die Gegenwart zu werfen, gehofft, daß die Staatsbehörden durch die Einführung der heutigen localen Selbstverwaltung an Geschäften und an Beamten würden entbürdet werden; aber im Gegentheile, die Zahl der Beamten und ihre Geschäftslast sind durch Correspondenzen und Frictionen mit den Organen der Selbstverwaltung von dem Provinzialrathe bis zu der ländlichen Gemeindeverwaltung erheblich gesteigert worden. Es muß früher oder später der wunde Punkt eintreten, wo wir von der Last der Schreiberei und besonders der subalternen Bürokratie erdrückt werden. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 28 [1-12] früher in dem Verhältniß lag, daß die Kreiseingesessenen, die Landräthe wurden, dies in ihrem Kreise lebenslänglich zu bleiben in der Regel entschlossen waren und die Leiden und Freuden des Kreises mitfühlten. Heut ist der Landrathsposten die unterste Stufe der höhern Verwaltungslaufbahn, gesucht von jungen Assessoren, die den berechtigten Ehrgeiz haben, Carrière zu machen; dazu bedürfen sie der ministeriellen Gunst mehr als des Wohlwollens der Kreisbevölkerung und suchen erstre durch hervorragenden Eifer und Anspannung der Amtsvorsteher der angeblichen Selbstverwaltung bei Durchführung auch minderwerthiger bürokratischer Versuche zu gewinnen. Darin liegt zum großen Theil der Anlaß zur Ueberlastung ihrer Untergebenen in der localen "Selbstverwaltung". Die "Selbstverwaltung" ist also Verschärfung der Bürokratie, Vermehrung der Beamten, ihrer Macht und ihrer Einmischung ins Privatleben. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 31 Der Geschäftsgang in beiden Collegien, in Potsdam wie in Aachen, war für meine Strebsamkeit nicht ermuthigend gewesen. Ich fand die mir zugewiesene Beschäftigung kleinlich und langweilig, und meine Arbeiten auf dem Gebiete der Mahlsteuerprozesse und der Beitragspflicht zum Bau des Dammes in Rotzis bei Wusterhausen haben mir kein Heimweh nach meiner damaligen Thätigkeit hinterlassen. Dem Ehrgeiz der Beamtenlaufbahn entsagend, erfüllte ich gerne den Wunsch meiner Eltern, in die festgefahrne Bewirthschaftung unsrer pommerschen Güter einzutreten. Auf dem Lande dachte ich zu leben und zu sterben, nachdem ich Erfolge in der Landwirthschaft erreicht haben würde, vielleicht auch im Kriege, wenn es einen gäbe. Soweit mir auf dem Lande Ehrgeiz verblieb, war es der des Landwehr-Lieutenants. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 34 [1-14] war das "von" vor meinem Namen ein Nachtheil für mein kindliches Behagen im Verkehre mit Mitschülern und Lehrern. Auch auf dem Gymnasium zum grauen Kloster habe ich einzelnen Lehrern gegenüber unter dem Adelshasse zu leiden gehabt, der sich in einem großen Theile des gebildeten Bürgerthums als Reminiscenz aus den Zeiten vor 1806 erhalten hatte. Aber selbst die aggressive Tendenz, die in bürgerlichen Kreisen unter Umständen zum Vorschein kam, hat mich niemals zu einem Vorstoße in entgegengesetzter Richtung veranlaßt. Mein Vater war vom aristokratischen Vorurtheile frei, und sein inneres Gleichheitsgefühl war, wenn überhaupt, nur durch die Offizierseindrücke seiner Jugend, keineswegs aber durch Ueberschätzung des Geburtsstandes modificirt. Meine Mutter war die Tochter des in den damaligen Hofkreisen für liberal geltenden Cabinetsraths Friedrichs des Großen, Friedrich Wilhelms II. und III. aus der Leipziger Professorenfamilie Mencken, welche in ihren letzten, mir vorhergehenden Generationen nach Preußen in den auswärtigen und den Hofdienst gerathen war. Der Freiherr vom Stein hat meinen Großvater Mencken als einen ehrlichen, stark liberalen Beamten bezeichnet. Unter diesen Umständen waren die Auffassungen, die ich mit der Muttermilch einsog, eher liberal als reactionär, und meine Mutter würde, wenn sie meine ministerielle Thätigkeit erlebt hätte, mit der Richtung derselben kaum einverstanden gewesen sein, wenn sie auch an den äußern Erfolgen meiner amtlichen Laufbahn große Freude empfunden haben würde. Sie war in bürokratischen und Hofkreisen groß geworden; Friedrich Wilhelm IV. sprach von ihr als "Mienchen" im Andenken an Kinderspiele. Ich darf es darnach für eine ungerechte Einschätzung meiner Auffassung in jüngern Jahren erklären, wenn mir "die Vorurtheile meines Standes" angeheftet werden und behauptet wird, daß Erinnerung an Bevorrechtigung des Adels der Ausgangspunkt meiner innern Politik gewesen wäre. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 39 Wahrnehmungen, welche ich auf dem Lande über Bestechlichkeit und Chicane von Bezirksfeldwebeln und subalternen Beamten machte, und kleine Conflicte, in welche ich als Kreisdeputirter und Stellvertreter des Landraths mit der Regirung in Stettin gerieth, steigerten meine Abneigung gegen die Herrschaft der Bürokratie. Von diesen Conflicten mag der eine erwähnt sein. Während ich den beurlaubten Landrath vertrat, erhielt ich von der Regirung den Auftrag, den Patron von Külz, der ich selbst war, zur Uebernahme gewisser Lasten zu bewegen. Ich ließ den Auftrag liegen, um ihn dem Landrathe bei seiner Rückkehr zu übergeben, wurde wiederholt excitirt, und eine Ordnungsstrafe von einem Thaler wurde mir durch Postvorschuß auferlegt. Ich setzte nun ein Protokoll auf, in welchem ich erstens als stellvertretender Landrath, zweitens (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 190 Die Entwicklung der Dinge bot keine Gelegenheit, die Berliner Versammlung für die deutsche Sache nutzbar zu machen, während ihre Uebergriffe wuchsen; es reifte daher der Gedanke, sie nach einem andern Orte zu verlegen, um ihre Mitglieder dem Drucke der Einschüchterung zu entziehn, eventuell sie aufzulösen. Damit steigerte sich die Schwierigkeit, ein Ministerium zu Stande zu bringen, welches diese Maßregel durchzuführen übernehmen würde. Schon seit der Eröffnung der Versammlung war es dem Könige nicht leicht geworden, überhaupt Minister zu finden, besonders aber solche, welche auf seine sich nicht immer gleichbleibenden Ansichten gefügig eingingen, und deren furchtlose Festigkeit zugleich die Bürgschaft gewährte, daß sie bei einer entscheidenden Wendung nicht versagen würden. Es sind mir aus dem Frühjahre mehre verfehlte Versuche erinnerlich: Georg von Vincke antwortete auf meine Sondirung, er sei ein Mann der rothen Erde, zu Kritik und Opposition und nicht zu einer Ministerrolle veranlagt. Beckerath wollte die Bildung eines Ministeriums nur übernehmen, wenn die äußerste Rechte sich ihm unbedingt hingebe und ihm den König sicher mache. Männer, welche in der Nationalversammlung Einfluß hatten, wollten sich die Aussicht nicht verderben, künftig, nach Herstellung geordneter Zustände, constitutionelle Majoritätsminister zu werden und zu bleiben. Ich begegnete unter anderm bei Harkort, der als Handelsminister in das Auge gefaßt war, der Meinung, daß die Herstellung der Ordnung durch ein Fachministerium von Beamten und Militärs bewirkt werden müsse, ehe verfassungstreue Minister die Geschäfte übernehmen könnten; später sei man bereit. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 198 [1-52] Zeit in seiner Wohnung unter den Linden sei, und ermächtigte mich, dem Obersten von Griesheim zu schreiben, daß er die Wohnung "seines abwesenden Freundes", des Grafen Kniephausen, für polizeiliche Zwecke zur Verfügung stelle. Spät zu Bett gegangen, wurde ich um 7 Uhr Morgens durch einen Boten Platens mit der Bitte, ihn zu besuchen, geweckt. Ich fand ihn sehr erregt darüber, daß eine Abtheilung von etwa 100 Mann im Hofe seiner Wohnung, also grade dort, wo er den Sitz der Gesandschaft bezeichnet hatte, aufmarschirt war. Griesheim hatte wahrscheinlich den durch meine Mittheilung veranlaßten Befehl irgend einem Beamten ertheilt, der das Mißverständniß angerichtet hatte. Ich ging zu ihm und erwirkte den Befehl an den Führer der Abtheilung, die Kniephausensche Wohnung zu besetzen, was denn auch geschah, nachdem es schon Tag geworden, während die Besetzung der übrigen gewählten Häuser in der Nacht heimlich erfolgt war. Vielleicht bewirkte grade der zufällige Anschein offner Entschlossenheit, daß der Gensdarmenmarkt, als die Minister sich in das Schauspielhaus begaben, ganz leer war. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 205 Diese Hoffnung oder Erwartung, die bis in die "Neue Aera" hinein in Phrasen von dem deutschen Berufe Preußens und von moralischen Eroberungen einen schüchternen Ausdruck fand, beruhte auf dem doppelten Irrthum, der vom März 1848 bis zum Frühjahr des folgenden Jahres in Sanssouci wie in der Paulskirche bestimmend war: einer Unterschätzung der Lebenskraft der deutschen Dynastien und ihrer Staaten, und einer Ueberschätzung der Kräfte, die man unter dem Wort Barrikade zusammenfassen kann, so daß darunter alle die Barrikade vorbereitenden Momente, Agitation und Drohung mit dem Straßenkampfe, begriffen sind. Nicht in diesem selbst lag die Gefahr des Umsturzes, sondern in der Furcht davor. Die mehr oder weniger phäakischen Regirungen waren im März, ehe sie den Degen gezogen hatten, geschlagen, theils durch die Furcht vor dem Feinde, theils durch die innere Sympathie ihrer Beamten mit demselben. Immerhin wäre es für den König von Preußen an der Spitze der Fürsten leichter gewesen, durch Ausnutzung des Sieges der Truppen in Berlin ein deutsches Einheitsgebilde herzustellen, als es nachher der Paulskirche geworden ist; ob die Eigenthümlichkeit des Königs nicht eine solche Herstellung auch bei Festhalten dieses Sieges gehindert oder das hergestellte, wie Bodelschwingh im März fürchtete, wieder unsicher gemacht haben würde, ist allerdings schwer zu beurtheilen. In den Stimmungen seiner letzten Lebensjahre, wie sie auch aus den Aufzeichnungen Leopolds v. Gerlach und aus andern Quellen ersichtlich sind, steht die ursprüngliche Abneigung gegen constitutionelle Einrichtungen, die Ueberzeugung von der Nothwendigkeit eines größern Maßes freier Bewegung der Königlichen Gewalt, als das in der preußischen (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 218 [1-62] Könige selbst habe constatiren können, haben die Sympathien der höhern Beamtenschichten theils für die liberale, theils für die nationale Seite der Bewegung viel beigetragen - ein Element, das ohne einen Impuls von oben wohl hemmend, aber nicht thatsächlich entscheidend in's Gewicht fallen konnte. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 225 Ich lasse unentschieden, ob an der Halbheit und Schüchternheit der damals den ernsten Gefahren gegenüber ergriffenen Maßregeln nur finanzielle Minister-Aengstlichkeiten oder dynastische Gewissensbedenken und Unentschlossenheit an höchster Stelle Schuld waren, oder ob in amtlichen Kreisen eine ähnliche Sorge mitwirkte wie die, welche in den Märztagen bei Bodelschwingh und Andern die richtige Lösung verhinderte, nämlich die Befürchtung, daß der König in dem Maße, in dem er sich wieder mächtig und sorgenfrei fühlen würde, auch eine absolutistische Richtung einschlagen könnte. Ich erinnere mich, diese Besorgniß bei höhern Beamten und in liberalen Hofkreisen wahrgenommen zu haben. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 298 Die Erwähnung meinen damaligen Aufenthalts in Hanover erinnert mich an einen Vorgang, der mir nie klar geworden ist. Dem preußischen Commissarius, der in Hanover über die schwebenden Zollangelegenheiten zu verhandeln hatte, war von Berlin aus ein Consul Spiegelthal zur Aushülfe beigeordnet worden. Als ich desselben als eines preußischen Beamten im Gespräche mit dem mir (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 304 Die später nach Bethmann-Hollweg benannte Partei, richtiger Coterie, stützte sich ursprünglich auf den Grafen Robert von der Goltz, einen Mann von ungewöhnlicher Befähigung und Thätigkeit. Herr von Manteuffel hatte das Ungeschick gehabt, diese strebsame Capacität schlecht zu behandeln; der dadurch stellungslos gewordene Graf wurde der Impresario für die Truppe, welche zuerst als höfische Fraction und später als Ministerium des Regenten auf der Bühne erschien. Sie begann in der Presse, besonders durch das von ihr gegründete "Preußische Wochenblatt", und durch persönliche Werbungen in politischen und Hofkreisen sich Geltung zu schaffen. Die "Finanzirung", wie die Börse sich ausdrückt, wurde durch die großen Vermögen Bethmann-Hollweg's und der Grafen Fürstenberg-Stammheim und Albert Pourtalès, und die politische Aufgabe, als deren Ziel zunächst der Sturz Manteuffel's gestellt war, von den geschickten Händen der Grafen Goltz und Pourtalès besorgt. Beide schrieben ein elegantes Französisch in geschickter Diction, während Herr von Manteuffel in der Herstellung diplomatischer Aktenstücke hauptsächlich auf die hausbackne Tradition seiner Beamten von der französischen Kolonie in Berlin angewiesen war. Auch Graf Pourtalès war von dem Ministerpräsidenten im Dienste verstimmt und von dem Könige als Rival Manteuffel's ermuthigt worden. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 523 [1-152] der ersten Klasse enthielten auch den Namen der an dem betreffenden Tische vorsitzenden Dame. Diese Tische waren auf 15 bis 20 Personen eingerichtet. Ich erhielt beim Eintreten eine solche Karte zu dem Tische der Gräfin Walewska und später im Saale noch zwei von zwei andern Patronesses-Damen der Diplomatie und des Hofes. Es war also kein genauer Plan für die Placirung der Gäste gemacht worden. Ich wählte den Tisch der Gräfin Walewska, zu deren Departement ich als auswärtiger Diplomat gehörte. Auf dem Wege zu dem betreffenden Saale stieß ich auf einen preußischen Offizier in der Uniform eines Garde-Infanterie-Regiments, der eine französische Dame führte und sich in lebhaftem Streit mit einem der kaiserlichen Haushofmeister befand, der beide, weil sie mit Karten nicht versehn waren, nicht passiren lassen wollte. Nachdem mir der Offizier auf mein Befragen die Sachlage erklärt und mir die Dame als eine Herzogin mit italienischem Titel aus dem ersten Empire bezeichnet hatte, sagte ich dem Hofbeamten, ich hätte die Karte des Herrn, und gab ihm eine der meinigen. Der Beamte wollte nun aber die Dame nicht passiren lassen, ich gab daher dem Offizier meine zweite Karte für seine Herzogin. Der Beamte bedeutete mich, "mais vous ne passerez pas sans carte"; als ich ihm die dritte vorgezeigt hatte, machte er ein verwundertes Gesicht und ließ uns alle drei durch. Ich empfahl meinen beiden Schützlingen, sich nicht an die Tische zu setzen, die auf den Karten angegeben waren, sondern zu sehn, wo sie sonst unterkämen, habe auch keine Reclamation über meine Kartenvertheilung zu hören bekommen. Die Unregelmäßigkeit war so groß, daß unser Tisch nicht voll besetzt wurde, was sich aus dem Mangel einer Verabredung der dames patronesses erklärt. Der alte Fürst Pückler hatte entweder keine Karte erhalten oder seinen Tisch nicht finden können; nachdem er sich an mein ihm bekanntes Gesicht gewandt hatte, wurde er von der Gräfin Walewska auf einen der leer gebliebenen Plätze eingeladen. Das Souper war trotz der Dreitheilung weder nach dem Material, noch nach der Zubereitung auf der Höhe dessen, (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 677 [1-204] Gleichwohl wurde er nach Frankfurt ernannt. Daß ich ihm mit meinem Urtheil nicht Unrecht gethan, bewies sein späteres Verhalten in Turin und Florenz. Er posirte gerne als Stratege, auch als "verfluchter Kerl" und tief eingeweihter Verschwörer, hatte Verkehr mit Garibaldi und Mazzini und that sich etwas darauf zu Gute. In der Neigung zu unterirdischen Verbindungen nahm er in Turin einen angeblichen Mazzinisten, in der That östreichischen Spitzel, als Privatsekretär an, gab ihm die Akten zu lesen und den Chiffre in die Hände. Er war Wochen und Monate von seinem Posten abwesend, hinterließ Blanquets, auf welche die Legationssekretäre Berichte schrieben; so gelangten an das Auswärtige Amt Berichte mit seiner Unterschrift über Unterredungen, die er mit den italienischen Ministern gehabt haben sollte, ohne daß er diese Herrn in der betreffenden Zeit gesehn hatte. Aber er war ein hoher Freimaurer. Als ich im Februar 1869 die Abberufung eines so unbrauchbaren und bedenklichen Beamten verlangte, stieß ich bei dem Könige, der die Pflichten gegen die Brüder mit einer fast religiösen Treue erfüllte, auf einen Widerstand, der auch durch meine mehrtägige Enthaltung von amtlicher Thätigkeit nicht zu überwinden war und mich zu der Absicht brachte, meinen Abschied zu erbitten 1). Indem ich jetzt nach mehr als 20 Jahren die betreffenden Papiere wieder lese, befällt mich eine Reue darüber, daß ich damals, zwischen meine Ueberzeugung von dem Staatsinteresse und meine persönliche Liebe zu dem Könige gestellt, der erstern gefolgt bin und folgen mußte. Ich fühle mich heut beschämt von der Liebenswürdigkeit, mit welcher der König meine amtliche Pedanterie ertrug. Ich hätte ihm und seinem Maurerglauben den Dienst in Florenz opfern sollen. Am 22. Februar schrieb mir S. M.: "Ueberbringer dieser Zeilen [Cabinetsrath Wehrmann] hat mir Mittheilung von dem Auftrage gemacht, den Sie ihm für Sich gegeben haben. Wie können Sie nur daran denken, daß ich auf (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 713 [1-212] Schwerin, beeinflußt von dem nachmaligen Oberbürgermeister Winter in Danzig und andern liberalen Beamten. Er trieb die ministerielle Unabhängigkeit gegen den Regenten so weit, daß er schriftliche Befehle schriftlich damit erledigend beantwortete, dieselben seien nicht contrasignirt. Als das Ministerium den Regenten einmal zu einer ihm widerwärtigen Unterschrift genöthigt hatte, leistete er dieselbe in unlesbarer Gestalt und zerstampfte die Feder darauf. Graf Schwerin ließ eine zweite Reinschrift machen und bestand auf einer leserlichen Unterschrift. Der Regent unterschrieb nun wie gewöhnlich, knüllte aber das Blatt zusammen und warf es in die Ecke, aus der es hervorgeholt und, nachdem es geglättet, zu den Acten genommen wurde. Auch an meinem Abschiedsgesuche von 1877 war zu sehn, daß der Kaiser es zum Knäul geballt hatte, bevor er darauf antwortete. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 730 Ich fand auch sonst Anlaß, Gewohnheiten, die in dem Auswärtigen Ministerium eingerissen waren, abzustellen. Der langjährige Portier des Dienstgebäudes, ein alter Trunkenbold, konnte als Beamter nicht ohne Weitres entlassen werden. Ich brachte ihn dahin, den Abschied zu nehmen, durch die Drohung, ihn dafür zur Untersuchung zu ziehn, daß er mich "für Geld zeige", indem er gegen Trinkgeld Jedermann zu mir lasse. Seinen Protest brachte ich mit der Bemerkung zum Schweigen: "Haben Sie mir, als ich Gesandter war, nicht jederzeit Herrn von Manteuffel für einen Thaler, und, wenn das Verbot besonders streng war, für zwei Thaler gezeigt?" Von meiner eignen Dienerschaft wurde mir gelegentlich gemeldet, welche unverhältnißmäßigen Trinkgelder Levinstein an sie verschwendete. Thätige Agenten und Geldempfänger auf diesem Gebiete waren einige von Manteuffel und Schleinitz übernommne Canzleidiener, unter ihnen ein für seine subalterne Amtsstellung hervorragender Maurer. Graf Bernstorff hatte während seiner kurzen Amtszeit der Corruption im Auswärtigen Amte kein Ende machen können, war auch wohl geschäftlich und gräflich zu stark präoccupirt, um diesen Dingen nahe zu treten. Ich habe meine Begegnung mit Levinstein, meine Meinung über ihn, seine Beziehungen zu dem Auswärtigen Ministerium später dem Regenten mit allen Details zur Kenntniß gebracht, sobald ich die Möglichkeit hatte, dies mündlich zu thun, was erst Monate später der Fall war. Von einer schriftlichen Berichterstattung versprach ich mir keinen Erfolg, da die Protection Levinsteins durch Herrn von Schleinitz nicht blos zum Regenten hinauf, sondern an die (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 753 Wenn ich in Petersburg auf einem der kaiserlichen Schlösser Sarskoe oder Peterhof anwesend war, auch nur, um mit dem daselbst in Sommerquartier lebenden Fürsten Gortschakow zu conferiren, so fand ich in der mir angewiesenen Wohnung im Schlosse für mich und einen Begleiter ein Frühstück von mehren Gängen angerichtet, mit drei oder vier Sorten hervorragend guter Weine; andre sind mir in der kaiserlichen Verpflegung überhaupt niemals vorgekommen. Gewiß wurde in dem Haushalte viel gestohlen, aber die Gäste des Kaisers litten darunter nicht; im Gegentheil, ihre Verpflegung war auf reiche Brosamen für den "Dienst" berechnet. Keller und Küche waren absolut einwandsfrei, auch in Vorkommnissen, wo sie uncontrollirt blieben. Vielleicht hatten die Beamten, denen die nicht getrunknen Weine verblieben, durch lange Erfahrung schon einen zu durchgebildeten Geschmack gewonnen, um Unregelmäßigkeiten zu dulden, unter denen die Qualität der Lieferung gelitten hätte. Die Preise der Lieferungen waren nach allem, was ich erfuhr, allerdings gewaltig hoch. Von der Gastfreiheit des Haushalts bekam ich eine Vorstellung, wenn meine Gönnerin, die Kaiserin-Witwe Charlotte, Schwester unsers Königs, mich einlud. Dann waren für die mit mir eingeladnen Herrn der Gesandschaft zwei, und für mich drei Diners der kaiserlichen Küche entnommen. In meinem Quartier wurden für mich und meine Begleiter Frühstücke und Diners angerichtet und berechnet, wahrscheinlich auch gegessen und getrunken, als ob meine und der Meinigen Einladung zu der Kaiserin gar nicht erfolgt sei. Das Couvert für mich wurde einmal in meinem Quartier mit allem Zubehör auf- und abgetragen, das zweite Mal an der Tafel der Kaiserin in Gemeinschaft mit denen meiner Begleiter aufgelegt, und auch dort kam ich mit ihm nicht in Berührung, da ich vor dem Bette der kranken Kaiserin ohne meine Begleiter in kleiner Gesellschaft zu speisen hatte. Bei solchen Gelegenheiten pflegte die (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 764 Auch in Wien haben früher ähnliche Einrichtungen bestanden. Vor Erbauung der Eisenbahnen hat es Zeiten gegeben, in denen nach Ueberschreitung der Grenze ein östreichischer Beamter zu dem preußischen Courier in den Wagen stieg, und unter Assistenz des Letztern die Depeschen mit gewerbsmäßigem Geschicke geöffnet, geschlossen und excerpirt wurden, bevor sie an die Gesandschaft in Wien gelangten. Noch nach dem Aufhören dieser Praxis galt es für eine vorsichtige Form amtlicher Mittheilung von Cabinet zu Cabinet nach Wien oder Petersburg, wenn dem dortigen preußischen Gesandten mit einfachem Postbriefe geschrieben wurde. Der Inhalt wurde von beiden Seiten als insinuirt angesehn, und man bediente sich dieser Form der Insinuation gelegentlich dann, wenn die Wirkung einer unangenehmen Mittheilung im Interesse der Tonart des formalen Verkehrs abgeschwächt werden sollte. Wie es in der Post von Thurn und Taxis mit dem Briefgeheimniß bestellt war, (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 768 [1-231] Um sich selbst gegen Untreue der Beamten des auswärtigen Ressorts zu schützen, hat man in Wien zuweilen sehr drastische Mittel angewandt. Ich habe einmal ein geheimes östreichisches Actenstück in Händen gehabt, aus dem mir dieser Satz erinnerlich geblieben ist: (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 770 Vom Ersäufen war auch die Rede in einer scherzenden Unterhaltung, die ich 1853 oder 1854 mit dem russischen Gesandten in Berlin, Baron von Budberg, hatte. Ich erwähnte, daß ich einen Beamten im Verdacht hätte, bei den ihm aufgetragnen Geschäften das Interesse eines andern Staates zu vertreten. Budberg sagte: "Wenn der Mann Ihnen unbequem ist, so schicken Sie ihn nur einmal bis an das Aegäische Meer, dort haben wir Mittel, ihn verschwinden zu lassen" - und fuhr auf meine etwas ängstliche Frage: "Sie wollen ihn doch nicht ersäufen?" lachend fort: "Nein, er würde im Innern Rußlands verschwinden, und da er anstellig zu sein scheint, später als zufriedner russischer Beamter wieder zum Vorschein kommen." (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 772 In der ersten Hälfte des Juni 1859 machte ich einen kurzen Ausflug nach Moskau. Bei diesem Besuche der alten Hauptstadt, der in die Zeit des italienischen Krieges fiel, war ich Zeuge einer merkwürdigen Probe von dem damaligen Hasse der Russen gegen Oestreich. Während der Gouverneur Fürst Dolgoruki mich in einer Bibliothek umherführte, bemerkte ich auf der Brust eines subalternen Beamten unter vielen militärischen Decorationen auch das eiserne Kreuz. Auf meine Frage nach dem Erwerb desselben nannte er die Schlacht von Kulm, nach welcher Friedrich Wilhelm III. eine Anzahl etwas abweichend gestalteter eiserner Kreuze an russische Soldaten hatte vertheilen lassen, das sogenannte Kulmer Kreuz. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 962 [1-286] Coupé, daß er die ihm nach der Situation zufallende Rolle mehr vom Standpunkte des Offiziers auffaßte. Er fühlte sich bei dem Porte-épée gefaßt und in der Lage eines Offiziers, der die Aufgabe hat, einen bestimmten Posten auf Tod und Leben zu behaupten, gleichviel, ob er darauf umkommt oder nicht. Damit war er auf einen seinem ganzen Gedankengange vertrauten Weg gestellt und fand in wenigen Minuten die Sicherheit wieder, um die er in Baden gebracht worden war, und selbst seine Heiterkeit. Das Leben für König und Vaterland einzusetzen, war die Pflicht des preußischen Offiziers, um so mehr die des Königs, als des ersten Offiziers im Lande. Sobald er seine Stellung unter dem Gesichtspunkte der Offiziersehre betrachtete, hatte sie für ihn ebenso wenig Bedenkliches, wie für jeden normalen preußischen Offizier die instructionsmäßige Vertheidigung eines vielleicht verlornen Postens. Er war der Sorge vor der "Manöverkritik", welche von der öffentlichen Meinung, der Geschichte und der Gemalin an seinem politischen Manöver geübt werden könnte, überhoben. Er fühlte sich ganz in der Aufgabe des ersten Offiziers der Preußischen Monarchie, für den der Untergang im Dienste ein ehrenvoller Abschluß der ihm gestellten Aufgabe ist. Der Beweis der Richtigkeit meiner Beurtheilung ergab sich daraus, daß der König, den ich in Jüterbogk matt, niedergeschlagen und entmuthigt gefunden hatte, schon vor der Ankunft in Berlin in eine heitere, man kann sagen, fröhliche und kampflustige Stimmung gerieth, die sich den empfangenden Ministern und Beamten gegenüber auf das Unzweideutigste erkennbar machte. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 987 Ebenso war der Handelsminister Graf Itzenplitz nicht im Stande, das Steuer seines überladenen ministeriellen Fahrzeugs selbständig zu führen, sondern trieb in der Strömung, welche seine Untergebenen ihm herstellten. Wenn es vielleicht unmöglich war, für die mannichfaltigen Verzweigungen des damaligen Handelsministeriums einen Chef zu finden, der in allen ihm unterstellten Disciplinen zur Führung seiner Untergebenen befähigt gewesen wäre, so stand der Graf Itzenplitz den von ihm zu lösenden Aufgaben viel fremder gegenüber, als z. B. von der Heydt, und verfiel ziemlich hülflos der in technischen Fragen sachkundigen Leitung der Decernenten, namentlich Delbrücks. Außerdem war er eine weiche Natur, ohne die zur Leitung eines so großen Ressorts nöthige Energie; selbst den Unredlichkeiten gegenüber, die damals einzelnen hervorragenden Mitarbeitern des Handelsministeriums schuldgegeben wurden und die den persönlich ehrliebenden Chef auf's Höchste beunruhigten, wurde ihm das Einschreiten sehr schwer, weil die technische Leistung der ihm selbst verdächtigen Beamten ihm unentbehrlich schien. Unterstützung meiner Politik hatte ich persönlich von den in Rede stehenden beiden Collegen nicht zu erwarten, weder nach ihrem Verständniß für dieselbe, noch nach dem Maß von Wohlwollen, welches sie für mich als jüngern und ursprünglich dem Geschäft nicht angehörigen Präsidenten übrig hatten. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 995 [1-302] erinnere mich, daß ich schon in Gastein im August 1865 bis zur Unhöflichkeit darauf bestehn mußte, allein mit Herrn von Mühler über einen königlichen Befehl zu sprechen, ehe es mir gelang, die Frau Ministerin zu bewegen, uns allein zu lassen. Das Vorkommen einer solchen Nöthigung hatte seinerseits Verstimmungen zur Folge, die sich bei seiner sachkundigen Behandlung der Dinge auf mein geschäftliches Verhältniß zunächst nicht übertrugen, aber doch die Ergebnisse unsres persönlichen Verkehrs beeinträchtigten. Frau von Mühler empfing ihre politische Direction nicht von ihrem Gemale, sondern von Ihrer Majestät, mit welcher Fühlung zu erhalten sie vor Allem bestrebt war. Die Hofluft, die Rangfragen, die äußerliche Kundgebung Allerhöchster Intimität haben nicht selten auf Ministerfrauen einen Einfluß, der sich in der Politik fühlbar macht; die persönliche, der Staatsraison in der Regel zuwiderlaufende Politik der Kaiserin Augusta fand in Frau von Mühler eine bereitwillige Dienerin, und Herr von Mühler, wenn auch ein einsichtiger und ehrlicher Beamter, war doch nicht fest genug in seinen Ueberzeugungen, um nicht dem Hausfrieden Concessionen auf Kosten der Staatspolitik zu machen, wenn es in unauffälliger Weise geschehn konnte. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 1022 [1-310] verbunden waren. Von England konnten wir platonisches Wohlwollen und belehrende Briefe und Zeitungsartikel, aber schwerlich mehr erwarten. Der zarische Beistand ging, wie die ungarische Expedition des Kaisers Nicolaus gezeigt hatte, unter Umständen über die wohlwollende Neutralität hinaus. Daß er zu unsern Gunsten das thun würde, darauf ließ sich nicht rechnen, wohl aber lag es nicht außerhalb der möglichen Rechnung, daß Kaiser Alexander bei französischen Versuchen zum Eingreifen in die deutsche Frage uns in deren Abwehr wenigstens diplomatisch beistehn würde. Die Stimmung dieses Monarchen, die mich zu der Annahme berechtigte, hat sich noch 1870 erkennen lassen, während wir damals das neutrale und befreundete England mit seinen Sympathien auf französischer Seite fanden. Wir hatten also nach meiner Meinung allen Grund, jede Sympathie, welche Alexander II. im Gegensatz zu vielen seiner Unterthanen und höchsten Beamten für uns hegte, wenigstens insoweit zu pflegen, als nöthig war, um Rußlands Parteinahme gegen uns nach Möglichkeit zu verhüten. Es ließ sich damals nicht mit Sicherheit voraussehn, ob und wie lange dieses politische Kapital der zarischen Freundschaft sich werde praktisch verwerthen lassen. Jedenfalls aber empfahl der einfache gesunde Menschenverstand, es nicht in den Besitz unsrer Gegner gerathen zu lassen, die wir in den Polen, den polonisirenden Russen und im letzten Abschluß wahrscheinlich auch in den Franzosen zu sehn hatten. Oestreich hatte damals in erster Linie die Rivalität mit Preußen auf deutschem Gebiet im Auge und konnte sich mit der polnischen Bewegung leichter abfinden als wir oder als Rußland, weil der katholische Kaiserstaat ungeachtet der Reminiscenzen von 1846 und der auf die Köpfe polnischer Edelleute gesetzten Preise doch unter diesen und der Geistlichkeit immer viel mehr Sympathie besaß als Preußen und Rußland. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 12 [2-7] sagen, dies sei eine Selbsttäuschung. Vielleicht steigen mein Patriotismus und meine Urtheilskraft in Ihrer Ansicht, wenn ich Ihnen sage, daß ich mich seit 14 Tagen auf der Basis der Vorschläge befinde, die Sie in Ihrem Bericht Nro. — machen. Mit einiger Mühe habe ich Oestreich bestimmt, die holsteinischen Stände zu berufen, falls wir es in Frankfurt durchsetzen; wir müssen erst darin sein im Lande. Die Prüfung der Erbfolgefrage am Bunde erfolgt mit unserm Einverständniß, wenn wir auch mit Rücksicht auf England nicht dafür stimmen; ich hatte Sydow ohne Instruction gelassen, er ist zur Ausführung subtiler Instructionen nicht gemacht. Vielleicht werden noch andre Phasen folgen, die Ihrem Programm nicht sehr fern liegen; wie aber soll ich mich entschließen, mich über meine letzten Gedanken frei gegen Sie auszulassen, nachdem Sie mir politisch den Krieg erklärt haben und sich ziemlich unumwunden zu dem Vorsatz bekennen, das jetzige Ministerium und seine Politik zu bekämpfen, also zu beseitigen? Ich urtheile dabei blos nach dem Inhalt Ihres Schreibens an mich und lasse alles bei Seite, was mir durch Colportage und dritte Hand über Ihre mündlichen und schriftlichen Auslassungen in Betreff meiner zugeht. Und doch muß ich als Minister, wenn das Staatsinteresse nicht leiden soll, gegen den Botschafter in Paris rückhaltlos offen bis zum letzten Worte meiner Politik sein. Die Friction, welche Jeder in meiner Stellung mit den Ministern und Räthen, am Hofe, mit den occulten Einflüssen, Kammern, Presse, den fremden Höfen zu überwinden hat, kann nicht dadurch vermehrt werden, daß die Disciplin meines Ressorts einer Concurrenz zwischen dem Minister und dem Gesandten Platz macht, und daß ich die unentbehrliche Einheit des Dienstes durch Discussion im Wege des Schriftwechsels herstelle. Ich kann selten so viel schreiben wie heut in der Nacht am heiligen Abend, wo alle Beamte beurlaubt sind, und ich würde an niemanden als an Sie den vierten Theil des Briefes schreiben. Ich thue es, weil ich mich nicht entschließen kann, Ihnen amtlich und durch die Bureaus in derselben Höhe des Tones zu schreiben, (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 186 Ich würde es für ein erhebliches Unglück und für eine wesentliche Verminderung der Sicherheit der Zukunft ansehn, wenn wir auch in Deutschland in den Wirbel dieses französischen Kreislaufes geriethen. Der Absolutismus wäre die ideale Verfassung für europäische Staatsgebilde, wenn der König und seine Beamten nicht Menschen blieben wie jeder Andre, denen es nicht gegeben ist, mit übermenschlicher Sachkunde, Einsicht und Gerechtigkeit zu regiren. Die einsichtigsten und wohlwollendsten absoluten Regenten unterliegen den menschlichen Schwächen und Unvollkommenheiten, wie der Ueberschätzung der eignen Einsicht, dem Einfluß und der Beredsamkeit von Günstlingen, ohne von weiblichen, legitimen und illegitimen Einflüssen zu reden. Die Monarchie und der idealste Monarch, wenn er nicht in seinem Idealismus (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 270 Die Verstimmung gegen mich, welche die höhern militärischen Kreise aus dem östreichischen Kriege mitgebracht hatten, dauerte während des französischen fort, gepflegt nicht von Moltke und Roon, aber von den „Halbgöttern“, wie man damals die höhern Generalstabsoffiziere nannte. Sie machte sich im Feldzuge für mich und meine Beamten bis in das Gebiet der Naturalverpflegung und Einquartirung fühlbar 1). Sie würde noch weiter gegangen sein, wenn sie nicht in der sich immer gleichbleibenden, weltmännischen Höflichkeit des Grafen Moltke ein Correctiv gefunden hätte. Roon war im Felde nicht in der Lage, mir als Freund und College Beistand zu leisten; er bedurfte im Gegentheil schließlich in Versailles meines Beistandes, um im Kreise des Königs seine militärischen Ueberzeugungen geltend zu machen. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 318 Die schleunige Anfuhr von schwerem Geschütz und von der Masse schwerer Munition, ohne welche die Beschießung nicht begonnen werden durfte, hätte durch den vorhandenen Eisenbahnpark jedenfalls schneller, als der Fall war, bewirkt werden können. Es waren aber, wie Beamte mir meldeten, circa 1500 Axen mit Lebensmitteln für die Pariser beladen, um ihnen schnell zu helfen, wenn sie sich ergeben würden, und diese 1500 Axen waren deshalb für Munitionstransport nicht verfügbar. Der auf ihnen lagernde Speck wurde später von den Parisern abgelehnt und nach meinem Abgange aus Frankreich, infolge der durch General v. Stosch in Ferrières bei Sr. Majestät veranlaßten Aenderung unsres Staatsvertrages über die Verpflegung deutscher Truppen, diesen überwiesen und mit Widerstreben verbraucht wegen zu langer Lagerung. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 443 [2-156] Verleumders bereitwillig übernehmen? Sobald man aber vor dem eignen Gewissen und vor der Fraction sich damit decken kann, daß man im Parteiinteresse auftritt, so gilt jede Gemeinheit für erlaubt oder doch für entschuldbar. Gegen mich begannen die Verleumdungen in dem Blatte, das unter dem christlichen Symbol des Kreuzes und mit dem Motto „Mit Gott für König und Vaterland“ seit Jahren nicht mehr die conservative Fraction und noch weniger das Christenthum, sondern nur den Ehrgeiz und die gehässige Verbissenheit einzelner Redacteure vertritt. Als ich über die Giftmischereien des Blattes am 9. Februar 1876 in öffentlicher Rede Klage geführt hatte 1), antwortete mir die Kundgebung der sogenannten Declaranten, deren wissenschaftliches Contingent aus einigen Hundert evangelischen Geistlichen bestand, die in ihrem amtlichen Charakter mir in dieser Form als Eideshelfer der Kreuzzeitungslügen entgegentraten und ihre Mission als Diener der christlichen Kirche und ihres Friedens dadurch bethätigten, daß sie die Verleumdungen des Blattes öffentlich contrasignirten. Ich habe gegen Politiker in langen Kleidern, weiblichen und priesterlichen, immer Mißtrauen gehegt, und dieses Pronunciamiento einiger Hundert evangelischer Pfarrer zu Gunsten einer der frivolsten, gegen den ersten Beamten des Landes gerichteten Verleumdung war nicht geeignet, mein Vertrauen grade zu Politikern, die im Priesterrock, auch in einem evangelischen, stecken, zu stärken. Zwischen mir und allen Declaranten, von denen viele bis dahin zu meinen Bekannten, sogar zu meinen Freunden gehört hatten, war, nachdem sie sich die ehrenrührigen Beschimpfungen aus der Feder Perrots angeeignet hatten, die Möglichkeit eines persönlichen Verkehrs vollständig abgeschnitten. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 454 [2-161] In der Zeit der Declaranten wurde die antiministerielle Strömung, das heißt die Mißgunst, mit der ich von vielen meiner Standesgenossen betrachtet und behandelt wurde, lebhaft gefördert durch starke Einflüsse am Hofe. Der Kaiser hat mir seine Gnade und seine Unterstützung in Geschäften niemals versagt; das hinderte den Herrn aber nicht, die „Reichsglocke“ täglich zu lesen. Dieses nur von der Verleumdung gegen mich lebende Blatt wurde im Königlichen Hausministerium für unsern und andre Höfe in 13 Exemplaren colportirt und hatte seine Mitarbeiter nicht nur im katholischen, sondern auch im evangelischen Hof- und Landesadel. Die Kaiserin Augusta ließ mich ihre Ungnade andauernd fühlen, und ihre unmittelbaren Untergebenen, die höchsten Beamten des Hofes, gingen in ihrem Mangel an Formen so weit, daß ich zu schriftlichen Beschwerden bei Sr. Majestät selbst veranlaßt wurde. Diese hatten den Erfolg, daß wenigstens die äußern Formen mir gegenüber nicht mehr vernachlässigt wurden. — Minister Falk wurde demnächst durch dergleichen höfische Unfreundlichkeiten gegen ihn und seine Frau mehr als durch sachliche Schwierigkeiten seiner Stellung überdrüssig 1). (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 507 Graf Friedrich Eulenburg erklärte sich Sommer 1877 körperlich bankrott, und in der That war seine Leistungsfähigkeit sehr verringert, nicht durch Uebermaß von Arbeit, sondern durch die Schonungslosigkeit, mit der er sich von Jugend auf jeder Art von Genuß hingegeben hatte. Er besaß Geist und Muth, aber nicht immer Lust zu ausdauernder Arbeit. Sein Nervensystem war geschädigt und schwankte schließlich zwischen weinerlicher Mattigkeit und künstlicher Aufregung. Dabei hatte ihn in der Mitte der 70er Jahre, wie ich vermuthe, ein gewisses Popularitätsbedürfniß überfallen, das ihm früher fremd geblieben war, so lange er gesund genug war, um sich zu amüsiren. Diese Anwandlung war nicht frei von einem Anflug von Eifersucht auf mich, wenn wir auch alte Freunde waren. Er suchte sie dadurch zu befriedigen, daß er sich der Verwaltungsreform annahm. Sie mußte gelingen, wenn sie ihm Ruhm erwerben sollte. Um den Erfolg zu sichern, machte er bei den parlamentarischen Verhandlungen darüber unpraktische Concessionen und bürokratisirte den wesentlichen Träger unsrer ländlichen Zustände, den Landrathsposten, gleichzeitig mit der neuen Local-Verwaltung. Der Landrathsposten war in frühern Zeiten eine preußische Eigenthümlichkeit, der letzte Ausläufer der Verwaltungshierarchie, durch den sie mit dem Volke unmittelbar in Berührung stand. In dem socialen Ansehn aber stand der Landrath höher als andre Beamte gleichen Ranges. Man wurde früher nicht Landrath mit der Absicht, dadurch Carrière zu machen, sondern mit der Aussicht, sein Leben als Landrath des Kreises zu beschließen. Die Autorität eines solchen wuchs mit den Jahren (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 508 [2-180] seiner Amtsdauer; er hatte keine andern Interessen als die des Kreises zu vertreten und für keine andern Wünsche als die seiner Eingesessenen zu streben. Es liegt auf der Hand, wie nützlich eine solche Institution nach oben und nach unten wirkte, und mit wie geringen Mitteln an Menschen und Geld die Kreisgeschäfte betrieben werden konnten. Seitdem ist der Landrath ein reiner Regirungsbeamter geworden, seine Stellung ein Durchgangsposten für weitre Beförderung im Staatsdienste, eine Erleichterung der Wahl zum Abgeordneten; und in der Eigenschaft des letztern wird er, wenn er strebsam ist, seine Beziehungen nach oben als Beamter wichtiger finden als die zu den Einsassen seines Kreises. Zugleich sind die neugeschaffnen örtlichen Amtsvorstände nicht Organe der Selbstverwaltung, nach Analogie der städtischen Behörden, sondern eine unterste schreiberartig wirkende Klasse der Bürokratie geworden, durch welche jede unpraktische oder müßige Anregung der unzulänglich beschäftigten und den Realitäten des Lebens fremden Centralbürokratie über das platte Land verbreitet wird und die die unglücklichen Selbst-Verwalter nöthigt, Berichte und Listen zusammenzustellen, um die Wißbegierde von Beamten zu befriedigen, die mehr Zeit als Staatsgeschäfte haben. Es ist für Landwirthe oder Industrielle nicht möglich, solchen Anforderungen im „Nebenamte“ zu genügen. An ihre Stelle treten nothwendig mehr und mehr remunerirte Schreiber, deren Kosten durch die Eingesessenen aufzubringen sind und die von der höhern Bürokratie ad nutum abhängig sind. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 519 [2-187] Ich war sicher, daß der Kronprinz, auch wenn alle meine Collegen andrer Ansicht gewesen wären, die meinige annehmen werde, abgesehn von der Zustimmung, die ich unter den 20 oder mehr zugezogenen Generalen und Beamten, wenigstens bei den erstern fand. Wenn ich überhaupt Minister bleiben wollte, was ja eine Opportunitätsfrage geschäftlicher sowohl wie persönlicher Natur war, die ich bei eigner Prüfung mir bejahte, so befand ich mich im Stande der Nothwehr und mußte suchen, eine Aenderung der Situation im Parlament und in dem Personalbestande meiner Collegen herbeizuführen. Minister bleiben wollte ich, weil ich, wenn der schwer verwundete Kaiser am Leben bliebe, was bei dem starken Blutverlust in seinem hohen Alter noch unsicher, fest entschlossen war, ihn nicht gegen seinen Willen zu verlassen, und es als Gewissenspflicht ansah, wenn er stürbe, seinem Nachfolger die Dienste, die ich ihm vermöge des Vertrauens und der Erfahrung, die ich mir erworben hatte, leisten konnte, nicht gegen seinen Willen zu versagen. Nicht ich habe Händel mit den Nationalliberalen gesucht, sondern sie haben im Complot mit meinen Collegen mich an die Wand zu drängen versucht. Die geschmacklose und widerliche Redensart von dem „an die Wand drücken, bis sie quietschten“, hat niemals in meinem Denken, geschweige denn auf meiner Lippe Platz gefunden — eine der lügenhaften Erfindungen, mit denen man politischen Gegnern Schaden zu thun sucht. Obenein war diese Redensart nicht einmal eignes Product derer, welche sie verbreiteten, sondern ein ungeschicktes Plagiat. Graf Beust erzählt in seinen Memoiren („Aus drei Viertel-Jahrhunderten“ Thl. I S. 5): (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 531 Ferner bedarf das Gesetz meines Erachtens eines Zusatzes in Betreff der Beamten dahingehend, daß Betheiligung an socialistischer Politik die Entlassung ohne Pension nach sich zieht. Die Mehrzahl der schlecht bezahlten Subalternbeamten in Berlin, und dann der Bahnwärter, Weichensteller und ähnlicher Kategorien sind Socialisten, eine Thatsache, deren Gefährlichkeit bei Aufständen und Truppentransporten einleuchtet. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 599 Auf dem Gebiete der Landwirthschaft ist der Wegfall des von mir angeblich ausgeübten agrarischen Druckes hauptsächlich den kranken Schweinen und den Viehseuchen zu Gute gekommen, desgleichen den höhern und niedern Beamten, denen die Aufgabe zufiel, vor dem Parlamente und dem Lande die Agitationslüge von der Vertheuerung der Lebensmittel zu bekämpfen. In der Nachgiebigkeit auf diesem Gebiete und in der, nach unangenehmen Erfahrungen im Februar 1891 wieder zurückgenommnen, Erleichterung des französischen Verkehrs mit dem Elsaß sehe ich den gemeinschaftlichen Ausdruck der Kampfesscheu, die die Zukunft für etwas mehr Bequemlichkeit in der Gegenwart zu opfern bereit ist. Der Zweck, wohlfeiles Schweinefleisch zu haben, wird durch laxe Behandlung der Ansteckungsgefahr auf die Dauer ebenso wenig gefördert werden, wie die Loslösung des Elsaß von Frankreich durch die beifallsbedürftige Weichlichkeit gegen locale Beschwerden und Grenzschwierigkeiten. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 602 [2-210] dieser postalische Erlaß durch Militärberichte zu seiner Kenntniß gekommen war. Die Farbe der empfohlenen Blätter allein hätte genügt, um Stephan bei Wilhelm I. in Ungnade zu bringen; noch verstimmender aber wirkte die Berufung auf ein Mitglied der königlichen Familie und grade der Frau Kronprinzessin. Ich stellte den Frieden mit Sr. Majestät her. Das Bedürfniß hoher Anerkennung ist eins der Passiva, die auf den meisten ungewöhnlichen Begabungen lasten. Ich nahm an, daß die Schwächen, welche Stephan aus seinen Anfängen in seine höhern Stellungen hinübergebracht hatte, je älter und je vornehmer er werde, desto mehr von ihm abfallen würden. Ich kann nur wünschen, daß er in seinem Amte alt werde und gesund bleibe, und würde seinen Verlust für schwer ersetzlich halten 1), vermuthe aber, daß auch er bei meinem Abgange zu denen gehörte, welche eine Erleichterung zu empfinden glaubten. Ich bin stets der Meinung gewesen, daß der Transport- und Correspondenz- Verkehr zu dem Staatszwecke beizusteuern habe und diese Beisteuer in der Porto- und Frachtvergütung einzubegreifen sei. Stephan ist mehr Ressortpatriot und als solcher allerdings nicht nur seinem Ressort und dessen Beamten, sondern auch dem Reiche in einem Maße nützlich gewesen, das für jeden Nachfolger schwer erreichbar sein wird. Ich bin seinen Eigenmächtigkeiten stets mit dem Wohlwollen entgegen getreten, das die Achtung vor seiner eminenten Begabung mir einflößte, auch wenn sie in meine Competenz als Kanzler und stimmführender Vertreter Preußens einschnitten, oder er durch seine Vorliebe für Prachtbauten die finanziellen Ergebnisse schädigte. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 684 Dazu kam endlich die polnische Seite der östreichischen Politik. Wir können von Oestreich nicht verlangen, daß es auf die Waffe verzichte, die es in der Pflege des Polenthums in Galizien Rußland gegenüber besitzt. Die Politik, die 1846 dazu führte, daß östreichische Beamte Preise auf die Köpfe polnischer Insurgenten setzten, war möglich, weil Oestreich die Vortheile der heiligen Allianz, des Bündnisses der drei Ostmächte, durch ein adäquates Verhalten in den polnischen und orientalischen Dingen bezahlte, gleichsam durch einen Assecuranzbeitrag zu einem gemeinsamen Geschäfte. Bestand der Dreibund der Ostmächte, so konnte Oestreich seine Beziehungen zu den Ruthenen in den Vordergrund stellen; löste er sich auf, so war es rathsamer, den polnischen Adel für den Fall eines russischen Krieges zur Verfügung zu haben. Galizien ist überhaupt der östreichischen Monarchie lockrer angefügt, als Posen und Westpreußen der preußischen. Die östreichische, gegen Osten offne Provinz ist außerhalb der Grenzmauer der Karpathen künstlich angeklebt, und Oestreich könnte ohne sie ebenso gut bestehn, wenn es für die 5 oder 6 Millionen Polen und Ruthenen einen Ersatz innerhalb des Donaubeckens fände. Pläne der Art in Gestalt eines Eintausches rumänischer und südslavischer Bevölkerungen gegen Galizien, unter Herstellung Polens mit einem Erzherzoge an der Spitze, sind während (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 835 [2-284] der Privatcorrespondenz angeknüpft hatte, um eine förmliche diplomatische Berichterstattung in seiner Hand zu concentriren. Ich erhielt die Beweise dafür durch den Zufall, daß einige dieser Berichte, aus deren Fassung die Thatsache der Continuität der Berichterstattung ersichtlich war, durch Mißverständniß der Feldjäger oder der Post an mich gelangten und amtlichen Berichten so genau ähnlich sahn, daß ich erst durch einzelne Bezugnahmen im Texte stutzig wurde, mir das dazu gehörige Couvert aus dem Papierkorb suchte und darauf die Adresse des Herrn von Schleinitz vorfand. Zu den Beamten, mit denen er solche Verbindungen unterhielt, gehörte unter Andern ein Consul, über den mir Roon unter dem 25. Januar 1864 schrieb, derselbe stehe im Solde von Drouyn de L'Huys und schreibe unter dem Namen Siegfeld Artikel für das „Mémorial Diplomatique“, die u. A. der Occupation der Rheinlande durch Napoleon das Wort redeten und sie in Parallele stellten mit unsrer Occupation Schleswigs. Zur Zeit der „Reichsglocke“ und der gehässigen Angriffe der conservativen Partei und der „Kreuzzeitung“ auf mich konnte ich ermitteln, daß die Colportage der „Reichsglocke“ und ähnlicher verleumderischer Preßerzeugnisse im Bureau des Hausministeriums besorgt wurde. Der Vermittler war ein höherer Subalternbeamter Namens Bernhard (?), der der Frau von Schleinitz die Federn schnitt und den Schreibtisch in Ordnung hielt. Durch ihn wurden allein an unsre höchsten Herrschaften dreizehn Exemplare der „Reichsglocke“, davon zwei in das Kaiserliche Palais, berichtmäßig eingesandt und andre an mehre verwandte Höfe. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)