AAAKöbler, Gerhard, Absolutismus in Bismarcks Gedanken und Erinnerungen, 2016
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Abs. 36 [1-15] Für letztre war allerdings auf dem Ersten Vereinigten Landtage diese Autorität des Monarchen staatsrechtlich vorhanden, aber mit dem Wunsche und dem Zukunftsgedanken, daß die unumschränkte Macht des Königs selber ohne Ueberstürzung das Maß ihrer Beschränkung zu bestimmen habe. Der Absolutismus bedarf in erster Linie Unparteilichkeit, Ehrlichkeit, Pflichttreue, Arbeitskraft und innere Demuth des Regirenden; sind sie vorhanden, so werden doch männliche oder weibliche Günstlinge, im besten Falle die legitime Frau, die eigne Eitelkeit und Empfänglichkeit für Schmeicheleien dem Staate die Früchte des Königlichen Wohlwollens verkürzen, da der Monarch nicht allwissend ist und nicht für alle Zweige seiner Aufgabe gleiches Verständniß haben kann. Ich bin schon 1847 dafür gewesen, daß die Möglichkeit öffentlicher Kritik der Regirung im Parlamente und in der Presse erstrebt werde, um den Monarchen vor der Gefahr zu behüten, daß Weiber, Höflinge, Streber und Phantasten ihm Scheuklappen anlegten, die ihn hinderten, seine monarchischen Aufgaben zu übersehn und Mißgriffe zu vermeiden oder zu corrigiren. Diese meine Auffassung hat sich um so schärfer ausgeprägt, je nachdem ich mit den Hofkreisen mehr vertraut wurde und gegen ihre Strömungen und gegen die Opposition des Ressortpatriotismus das Staatsinteresse zu vertreten hatte. Letztres allein hat mich geleitet, und es ist eine Verleumdung, wenn selbst wohlwollende Publizisten mich beschuldigen, daß ich je für ein Adelsregiment eingetreten sei. Die Geburt hat mir niemals als Ersatz für Mangel an Tüchtigkeit gegolten; wenn ich für den Grundbesitz eingetreten bin, so habe ich das nicht im Interesse besitzender Standesgenossen gethan, sondern weil ich im Verfall der Landwirthschaft eine der größten Gefahren für unsern staatlichen Bestand sehe. Mir hat immer als Ideal eine monarchische Gewalt vorgeschwebt, welche durch eine unabhängige, nach meiner Meinung ständische oder berufsgenossenschaftliche Landesvertretung soweit controllirt wäre, daß Monarch oder Parlament den bestehenden gesetzlichen Rechtszustand nicht (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 38 Die Ueberzeugung, daß der uncontrollirte Absolutismus, wie er durch Louis XIV. zuerst in Scene gesetzt wurde, die richtigste Regirungsform für deutsche Unterthanen sei, verliert auch der, welcher sie hat, durch Specialstudien in den Hofgeschichten und durch kritische Beobachtungen, wie ich sie am Hofe des von mir persönlich geliebten und verehrten Königs Friedrich Wilhelms IV. zur Zeit Manteuffel's anstellen konnte. Der König war gläubiger, gottberufener Absolutist, und die Minister nach Brandenburg in der Regel zufrieden, wenn sie durch Königliche Unterschrift gedeckt waren, auch wenn sie persönlich den Inhalt des Unterschriebenen nicht hätten verantworten mögen. Ich erlebte damals, daß ein hoher und absolutistisch gesinnter Hofbeamter in meiner und mehrer seiner Collegen Gegenwart auf die Nachricht von dem Neufchâteler Aufstand der Royalisten in einer gewissen Verblüffung sagte: "Das ist ein Royalismus, den man heut zu Tage doch nur noch sehr fern vom Hofe erlebt." Sarkasmen lagen sonst nicht in der Gewohnheit dieses alten Herrn. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 580 1. Können Sie leugnen, daß Napoleon III. wie Napoleon I. den Consequenzen seiner Stellung eines auf Volkssouveränität gegründeten Absolutismus (l'élu de 7 millions) unterliegt, was er so gut als der alte fühlt ...? (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 585 [1-174] für die französische Allianz und schrieb darüber mitten im Kriege eine Abhandlung, von 1794 war Haugwitz für das Defensiv-System oder für die Neutralität u. s. w. Der revolutionäre Absolutismus ist seinem Wesen nach erobernd, da er sich im Innern nur halten kann, wenn rundum alles so wie bei ihm ist. Palmerston mußte die Demonstration gegen die Belgische Presse unterstützen u. s. w. Gegen den Schweizer Radicalismus, obschon er Bonaparte eingestandenermaßen sehr unbequem ist, war Napoleon III. sehr schwach. Nun noch eine Parallele. 1812 waren Gneisenau, Scharnhorst und wenige andre gegen die französische Allianz, die bekanntlich durchgesetzt und durch ein Hilfscorps zur Realität wurde. Der Erfolg sprach für die, welche die Allianz gewollt hatten. Ich würde doch sehr gern bei Gneisenau und Scharnhorst gestanden haben. 1813 war Knesebeck für den Waffenstillstand, Gneisenau dagegen, ich damals als 22jähriger Offizier entschieden dagegen und getraue mir, des Erfolges ungeachtet, zu beweisen, daß ich Recht hatte. Victrix causa diis placuit, victa Catoni hat auch eine Bedeutung. ... (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 598 Der erste Napoleon hat damit begonnen, die Revolution in Frankreich für seinen Ehrgeiz mit Erfolg zu benutzen und sie später ohne Erfolg und mit falschen Mitteln zu bekämpfen gesucht; er wäre sie recht gern aus seiner Vergangenheit los gewesen, nachdem er die Frucht davon gepflückt und in der Tasche hatte; gefördert wenigstens hat er sie nicht in dem Grade, wie die drei Louis vor ihm durch Einführung des Absolutismus unter Louis XIV., durch die Unwürdigkeiten der Regentschaft und des Louis XV., durch die Schwäche von Louis XVI., der am 14. September 1791 bei Annahme der Verfassung die Revolution als beendigt proclamirte; fertig war sie allerdings. Das Haus Bourbon hat mehr für die Revolution gethan als alle Bonaparten, auch wenn man ihm Philippe Egalité nicht zur Last schreibt. Der Bonapartismus ist nicht der Vater der Revolution, er ist nur wie jeder Absolutismus ein fruchtbares Feld für die Saat derselben. Ich will ihn damit durchaus nicht außerhalb des Gebietes der revolutionären Erscheinungen stellen, (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 623 Der Bonapartismus ist nicht Absolutismus, nicht einmal Cäsarismus; ersterer kann sich auf ein jus divinum gründen, wie in Rußland und im Orient, er afficirt daher nicht die, welche dieses jus divinum nicht anerkennen, für die es nicht ist, es sei denn, daß es solchem Autokraten einfällt, sich wie Attila, Mahomet oder Timur für eine Geißel Gottes zu halten, was doch eine Ausnahme ist. Der Cäsarismus ist die Anmaßung eines Imperiums (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 940 In einer absoluten Monarchie, und Preußen war damals eine solche, hat an der Verantwortlichkeit für die Politik außer dem Souverän Niemand einen genau nachweislichen Antheil; faßt oder genehmigt dieser verhängnißvolle Beschlüsse, so kann Niemand beurtheilen, ob sie das Ergebniß eignen moralischen Willens oder des Einflusses sind, den die verschiedenartigsten Persönlichkeiten männlichen und weiblichen Geschlechts, Adjutanten, Höflinge und politische Intriganten, Schmeichler, Schwätzer und Ohrenbläser auf den Monarchen geübt haben. Die Allerhöchste Unterschrift deckt schließlich Alles; wie sie erreicht worden ist, erfährt kein Mensch. Dem jedesmaligen Minister die Verantwortlichkeit für das Geschehene aufzuerlegen, ist für monarchische Auffassungen der nächstliegende Ausweg. Aber selbst wenn die Form des Absolutismus der Form der Verfassung Platz gemacht hat, ist die sogenannte Ministerverantwortlichkeit keine von dem Willen des (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 944 [1-280] Gerechtigkeit zu vertheilen sei. Rein menschlich gesprochen, wird sie in der Hauptsache auf dem Könige selbst beruhn bleiben, denn er hat überlegne, ihn und die Geschäfte leitende Rathgeber zu keiner Zeit gehabt. Er behielt sich die Auswahl unter den Rathschlägen nicht nur jedes einzelnen Ministers, sondern auch unter den viel zahlreichern vor, die ihm von mehr oder weniger geistreichen Adjutanten, Cabinetsräthen, Gelehrten, unehrlichen Strebern, ehrlichen Phantasten und Höflingen vorgetragen wurden. Und diese Auswahl behielt er sich oft lange vor. Es ist oft weniger schädlich, etwas Unrichtiges als nichts zu thun. Ich habe nie den Muth gehabt, die Gelegenheiten, die mir dieser persönlich so liebenswürdige Herr mehrmals, zuweilen scharf und beinahe zwingend, in den Jahren 1852 bis 1856 geboten hat, sein Minister zu werden, zu benutzen oder ihre Verwirklichung zu fördern. Wie er mich betrachtete, hätte ich ihm gegenüber keine Autorität gehabt, und seine reiche Phantasie war flügellahm, sobald sie sich auf dem Gebiete praktischer Entschlüsse geltend machen sollte. Mir fehlte die schmiegsame Gefügigkeit zur Uebernahme und ministeriellen Vertretung von politischen Richtungen, an die ich nicht glaubte, oder für deren Durchführung ich dem Könige den Entschluß und die Consequenz nicht zutraute. Er unterhielt und förderte die Elemente des Zwiespalts zwischen seinen einzelnen Ministern; die Frictionen zwischen Manteuffel, Bodelschwingh und Heydt, die in triangularem Kampfe mit einander standen, waren dem Könige angenehm und ein politisches Hülfsmittel in kleinen Detail-Gefechten zwischen königlichem und ministeriellem Einfluß. Manteuffel hat mit vollem Bewußtsein die Camarilla-Thätigkeit von Gerlach, Rauch, Niebuhr, Bunsen, Edwin Manteuffel geduldet; er trieb seine Politik mehr defensiv als im Hinblick auf bestimmte Ziele, fortwurstelnd, wie Graf Taaffe sagte, und beruhigt, wenn er durch allerhöchste Unterschrift gedeckt war; doch hat der reine Absolutismus ohne Parlament immer noch das Gute, daß ihm ein Gefühl der Verantwortlichkeit für eigne Thaten bleibt. Gefährlicher ist der durch gefügige (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 1014 Gegenüber der Bewegung in Polen, die gleichzeitig mit der Umwälzung in Italien, und nicht ohne Zusammenhang mit ihr, durch die Landestrauer, die kirchliche Feier vaterländischer Erinnerungstage und die Agitation der landwirthschaftlichen Vereine begann, war man in Petersburg ziemlich lange schwankend zwischen Polonismus und Absolutismus. Die den Polen freundliche Strömung hing zusammen mit dem in der höhern russischen Gesellschaft laut gewordenen Verlangen nach einer Verfassung. Man empfand es als eine Demüthigung, daß die Russen, die doch auch gebildete Leute wären, Einrichtungen entbehren müßten, die bei allen europäischen Völkern existirten, und daß sie über ihre eignen Angelegenheiten nicht mitzureden hätten. Der Zwiespalt in der Beurtheilung der polnischen Frage erstreckte sich bis in die höchsten militärischen Kreise und führte zwischen dem Statthalter in Warschau, General Graf Lambert, und dem Generalgouverneur General Gerstenzweig, zu einer leidenschaftlichen Erörterung, die mit dem nicht aufgeklärten gewaltsamen Tode des Letztern endete (Jan. 1862). Ich wohnte seiner Beisetzung in einer der evangelischen Kirchen Petersburgs bei. Diejenigen Russen, welche für sich eine Verfassung verlangten, machten zuweilen entschuldigend geltend, daß die Polen durch Russen nicht regirbar wären und als die Civilisirteren erhöhten Anspruch auf Betheiligung an ihrer Regirung hätten. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 185 [2-60] Bahnen, in denen sie einer unbekannten Zukunft entgegenlaufen, nicht geglättete Eisenschienen haben. Jedes große staatliche Gemeinwesen, in welchem der vorsichtige und hemmende Einfluß der Besitzenden, materiellen oder intelligenten Ursprungs, verloren geht, wird immer in eine der Entwicklung der ersten französischen Revolution ähnliche, den Staatswagen zerbrechende Geschwindigkeit gerathen. Das begehrliche Element hat das auf die Dauer durchschlagende Uebergewicht der größern Masse. Es ist im Interesse dieser Masse selbst zu wünschen, daß dieser Durchschlag ohne gefährliche Beschleunigung und ohne Zertrümmerung des Staatswagens erfolge. Geschieht die letztre dennoch, so wird der geschichtliche Kreislauf immer in verhältnißmäßig kurzer Zeit zur Dictatur, zur Gewaltherrschaft, zum Absolutismus zurückführen, weil auch die Massen schließlich dem Ordnungsbedürfniß unterliegen, und wenn sie es a priori nicht erkennen, so sehn sie es infolge mannigfaltiger Argumente ad hominem schließlich immer wieder ein und erkaufen die Ordnung von Dictatur und Cäsarismus durch bereitwilliges Aufopfern auch des berechtigten und festzuhaltenden Maßes von Freiheit, das europäische staatliche Gesellschaften vertragen, ohne zu erkranken. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 186 Ich würde es für ein erhebliches Unglück und für eine wesentliche Verminderung der Sicherheit der Zukunft ansehn, wenn wir auch in Deutschland in den Wirbel dieses französischen Kreislaufes geriethen. Der Absolutismus wäre die ideale Verfassung für europäische Staatsgebilde, wenn der König und seine Beamten nicht Menschen blieben wie jeder Andre, denen es nicht gegeben ist, mit übermenschlicher Sachkunde, Einsicht und Gerechtigkeit zu regiren. Die einsichtigsten und wohlwollendsten absoluten Regenten unterliegen den menschlichen Schwächen und Unvollkommenheiten, wie der Ueberschätzung der eignen Einsicht, dem Einfluß und der Beredsamkeit von Günstlingen, ohne von weiblichen, legitimen und illegitimen Einflüssen zu reden. Die Monarchie und der idealste Monarch, wenn er nicht in seinem Idealismus (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 192 [2-62] hundert gehoben hatte. Das Ergebniß würde der Regirung noch günstiger gewesen sein, wenn die Wahl einige Tage nach der entscheidenden Schlacht stattgefunden hätte; aber auch so war es in Verbindung mit der schwunghaften Stimmung im Lande immerhin geeignet, nicht blos conservativen, sondern auch reactionären Bestrebungen Hoffnung auf Gelingen zu geben. Für diejenigen, welche nach der Rückbildung zum Absolutismus oder doch nach einer Restauration im ständischen Sinne strebten, war durch die Vergrößerung der Monarchie, durch die parlamentarische Situation beim Ausbruch des Krieges und den ungeschickten und ehrgeizigen Eigensinn der Führer der Opposition ein Anknüpfungspunkt gegeben, um die preußische Verfassung zu suspendiren und zu revidiren. Sie war auf das vergrößerte Preußen nicht zugeschnitten, noch weniger aber auf die Einschichtung in die zukünftige Verfassung Deutschlands. Die Verfassungsurkunde selbst enthielt einen Artikel (118), welcher, entstanden unter dem Eindruck der nationalen Stimmung zur Zeit der Verfassungsbildung und aus dem Entwurf von 1848 entnommen, zur Unterordnung der preußischen Verfassung unter eine neu zu schaffende deutsche berechtigte. Es war also eine Gelegenheit gegeben, mit dem formalen Anstrich der Legalität die Verfassung und die Bestrebungen der Conflictsmajorität nach parlamentarischer Herrschaft aus den Angeln zu heben, und dies lag im Hintergrunde des Bemühns der äußersten Rechten und ihrer nach Prag abgeordneten Mitglieder. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 207 Ich halte den Absolutismus für keine Form einer in Deutschland auf die Dauer haltbaren oder erfolgreichen Regirung. Die preußische Verfassung ist, wenn man von einigen, aus der belgischen übersetzten Phrasenartikeln absieht, in ihrem Hauptprinzip vernünftig; sie hat drei Factoren, den König und zwei Kammern, deren jeder durch sein Votum willkürliche Aenderungen des gesetzlichen status quo hindern kann. Darin liegt eine gerechte Vertheilung der gesetzgebenden Gewalt. Wenn man letztre von der öffentlichen Kritik der Presse und der parlamentarischen Behandlung emancipirt, so wird die Gefahr erhöht, daß sie auf Abwege geriethe. Absolutismus der Krone ist ebenso wenig haltbar wie Absolutismus (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)