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Singer, Johanna M., Arme adlige Frauen im Deutschen Kaiserreich (= Bedrohte Ordnungen 5). Mohr Siebeck, Tübingen 2016. XIV, 452 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

Singer, Johanna M., Arme adlige Frauen im Deutschen Kaiserreich (= Bedrohte Ordnungen). Mohr Siebeck, Tübingen 2016. XIV, 452 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

In der erkennbaren Geschichte haben die Männer eher Vermögen als Frauen, die vor allem durch ihre Schwangerschaften an Erwerb überdurchschnittlich behindert sind. Deswegen sind Frauen am ehesten reich durch die Ehe mit reichen Männern oder das Erbe reicher Eltern. Da aber auch der Reichtum von Männern in der Zeit Änderungen erfahren kann, kann es auch arme adlige Frauen geben, obgleich grundsätzlich mit Adel die Vorstellung von Reichtum verbunden ist.

 

Mit einem Teilbereich dieser Problematik beschäftigt sich die von Ewald Frie betreute, in dem Rahmen eines Teilprojekts zu dem Thema Adelsarmut des Sonderforschungsbereichs 923 Bedrohte Ordnungen in Tübingen entstandene, in dem Sommersemester 2015 von der philosophischen Fakultät angenommene, 39 Tabellen bietende Dissertation der 1985 geborenen, ab 2004 in Geschichte, Politikwissenschaft und Spanisch mit Staatsexamen 2010 und 2011 ausgebildete, von 2011 an als wissenschaftliche Mitarbeiterin an dem Sonderforschungsbereich tätige Verfasserin. In der für die Veröffentlichung gestrafften Fassung gliedert sie nach einer Einleitung über die Forschungslandschaft, das Thema und die Fragestellung in sechs Sachabschnitte. Sie betreffen die Zugänge (Armutsbegriff, Quellen, Zeit und Raum), qualitative und quantitative Konkretisierungen, die Bedeutung von arm, Armutsursachen, Armutsbewältigungsstrategien und Berufstätigkeiten.

 

Im Ergebnis kann die Verfasserin feststellen, dass es neben den mit Schlössern, Landgütern und Bällen assoziierten (wohlhabenden) Adligen auch arme adlige Frauen gibt. Konkret betrachtet sie in diesem Zusammenhang in Württemberg Berta, Margot und Marie von Stetten-Buchenbach, Johanna und Adelheid von Zeppelin und in Preußen Mara von Freyhold in einem weiteren Rahmen von 95 ledigen adligen Frauen in Württemberg und 153 ledigen Frauen in Preußen, die in dem späteren 19. Jahrhundert Gesuche um oder Anträge auf Unterstützung stellten. Daraus kann sie ansprechend schließen, dass der Adel der Untersuchungszeit ein weites Spektrum umfasste. Damit wird eine nicht völlig unbedeutende Differenzierung der Vorstellung von der Sozialstruktur der deutschen Gesellschaft um 1900 sichtbar, die es nicht ausschloss, dass auch adlige Frauen bescheiden leben mussten, sich kein Personal leisten konnten und selbst zu arbeiten hatten.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler