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Schwierige Erinnerung - Politikwissenschaft und Nationalsozialismus – Beiträge zur Kontroverse um Kontinuitäten nach 1945, hg. v. Ehrlich, Susanne/Heinrich, Horst-Alfred/Leonhard, Nina u. a. Nomos, Baden-Baden 2015. 103 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

Schwierige Erinnerung - Politikwissenschaft und Nationalsozialismus – Beiträge zur Kontroverse um Kontinuitäten nach 1945, hg. v. Ehrlich, Susanne/Heinrich, Horst-Alfred/Leonhard, Nina u. a. Nomos, Baden-Baden 2015. 103 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Vom 30. Januar 1933 bis zum 30. April 1945 war Adolf Hitler Reichskanzler des Deutschen Reiches und damit der von ihm geprägte Nationalsozialismus die bestimmende politische Richtung. Sie war von ihm wohl spätestens mit seinem Eintritt in die Deutsche Arbeiterpartei angestrebt und von seinen bis zu einer relativen Mehrheit zunehmenden Wählern auch unterstützt worden, kam aber für viele schließlich doch überraschend. Nach der Bestellung zum Reichskanzler musste oder konnte jedermann seine Nähe zu dieser totalitären Bewegung teils frei, teils eingebunden in die umgebenden Sachzwänge und Erwartungen selbst finden, ohne dass er freilich mit Gewissheit in die Zukunft sehen konnte.

 

Der vorliegende schmale Sammelband geht auf die durch einen Beitrag Rainer Eisfelds in der Zeitschrift für Geschichtswissenschaft im Jahre 2011 über Theodor Eschenburg ausgelöste Diskussion zurück, die auf dem zweiten Passauer Symposium Geschichtspolitik des Arbeitskreises Politik und Geschichte fortgesetzt wurde. Ziel der Veranstaltung war es, auf bislang unbeleuchtete Punkte in der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus einzugehen und neue Forschungsfelder aufzuzeigen. Die in Passau präsentierten, nunmehr abgedruckten Beiträge fragen nach der Vorgeschichte der deutschen Politikwissenschaft im Nationalsozialismus, nach Kontinuitäten und Diskontinuitäten  in den theoretischen Begriffen und Konzepten der Politikwissenschaft und nach den Konsequenzen des Übergangs von der Diktatur zur Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland, wobei den Abschluss ein Blick auf die Art und Weise bildet, wie sich die deutsche Geschichtswissenschaft mit ihrer nationalsozialistischen Vergangenheit nach 1945 befasste.

 

Dabei gewinnt Gerhard Göhler eine differenzierte Stellungnahme hinsichtlich der Verstrickung des Faches mit dem Nationalsozialismus zwischen 1933 und 1945. Helmut König ermittelt ein nur geringes Interessen der ersten und zweiten Generation der bundesrepublikanischen Politologen, sich an dem erinnerungskulturellen Diskurs zu beteiligen und sich dem Herrschaftssystem des Nationalsozialismus zuzuwenden. Sonja Begalke und Claudia Frölich tragen die Einsicht vor, dass das Personal der früheren Diktatur in der Demokratie zwar nicht den Aufstand wagte, sich aber in nicht wenigen Fällen an den früheren Werten und Regeln ausrichtete.

 

Matthias Berg kann für die an sich auf die Befassung mit der Vergangenheit ausgerichtete Geschichtswissenschaft einen bis nach 1990 ausgerichteten, auf Verdrängung und Umdeutung ausgerichteten Umgang mit der eigenen Geschichte feststellen, Darüberhinaus weisen die Herausgeber in ihrer Einführung auf eine Reihe noch offener fachhistorisch, geschichtspolitisch, erinnerungskulturell und soziologisch bedeutsamer Forschungsfelder hin. Ein Personenverzeichnis hätte dem Leser den Überblick über die im Mittelpunkt der kritisch aufklärenden Betrachtung stehenden Forscher über Theodor Eschenburg hinaus erleichtern können (z. B. Alfred Weber, Carl Brinkmann, Arnold Bergstraesser, Karl Mannheim. Norbert Elias, Hans Freyer, Arnold Gehlen, Heinz Maus, Gunther Ipsen, Gotthard Günther, Helmut Schelsky, Karl Heinz Pfeffer, Alfred Six, Eugen Kogon, Dolf Sternberger, Franz Neumann, Ernst Fraenkel, Karl Dietrich Bracher, Walter Dirks, Michael Mansfeld, Rudolf Morsey, Konrad Adenauer, Hermann Weinkauff, Theodor Heuss, Hinrich Wilhelm Kopf, Theodor Schieder, Siegfried Kaehler, Günther Franz, Kurt von Raumer, Karl Alexander von Müller, Willy Andreas, Hans Rothfels, Walter Frank, Werner Conze, Karl Bosl, Hermann Heimpel und andere), wodurch das Ergebnis des häufigen Überwiegens subjektiver Interessen beteiligter Einzelmenschen gegenüber objektiven Werte der allgemeinen Menschheit und Menschlichkeit noch bestimmter und vielleicht auch überzeugender gefasst werden könnte.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler