Original Ergebnisseite.

Föderalismus in historisch-vergleichender Perspektive, Band 2 Föderale Systeme – Kaiserreich – Donaumonarchie – Europäische Union, hg. v. Ambrosius, Gerold/Henrich-Franke, Christian/Neutsch, Cornelius (= Schriftenreihe des Instituts für europäische Regionalforschungen Band 22). Nomos, Baden-Baden 2015. 373 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

Föderalismus in historisch-vergleichender Perspektive, Band 2 Föderale Systeme – Kaiserreich – Donaumonarchie – Europäische Union, hg. v. Ambrosius, Gerold/Henrich-Franke, Christian/Neutsch, Cornelius (= Schriftenreihe des Instituts für europäische Regionalforschungen Band 22). Nomos, Baden-Baden 2015. 373 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Föderalismus als aus der französischen Sprache übernommene Bezeichnung der Lehre von der neben der Einheit des Ganzen die Vielheit seiner Glieder kennenden Gestaltung des Staates ist anscheinend erstmals im Jahre 1813 bei Campe belegt. Als älteste geschichtliche Form des Föderalismus gilt der Stammesföderalismus, für den als frühes Beispiel die 12 Stämme Israels genannt werden. Als Geburtsstunde des politischen Organisationsprinzips Föderalismus wird die Entstehung der Vereinigten Staaten von Amerika im Jahre 1787 angesehen.

 

In der Einleitung des sich mit diesem Phänomen Föderalismus befassenden Sammelbands heben die Herausgeber in diesem weiten Rahmen, in dem „selbstverständlich die meisten Staaten in irgendeiner Form durch föderale Strukturen und Prozesse gekennzeichnet wurden und werden“, das Deutsche Reich von 1871, die Habsburger Doppelmonarchie, die Bundesrepublik Deutschland und die Europäische Union als besonders beachtenswert hervor. Von den beiden derzeit in Deutschland betriebenen historischen Forschungsprojekten zum Föderalismus behandelt ein Projekt an der Universität München die Habsburger Doppelmonarchie als Organisation von Vielfalt und ein zweites Projekt an der Universität Siegen das Deutsche Reich von 1871 insbesondere in den vertikalen und horizontalen Verflechtungen. Der vorliegende Band veröffentliche Beiträge, die auf einer ersten gemeinsamen Tagung beider Projekte bezüglich aller vier hier relevanten föderalen Gebilde vorgetragen wurden zusammen mit weiteren Überlegungen, wobei sowohl synchron-vergleichende wie auch diachron-vergleichende Perspektiven verfolgt wurden.

 

Insgesamt enthält das vielfältige, auf dem Umschlag durch die (gemeinfreien) Flaggen der Europäischen Union, des Deutschen Reiches (1871-1918), Preußens (1892-1918), der österreichischen Reichshälfte des Hauses Habsburg und der ungarischen Reichshälfte des Königreichs Ungarn veranschaulichte Werk elf Studien. Sie sind in vier Abschnitte geteilt. Diese betreffen den Föderalismus in Deutschland, den Föderalismus im Kaiserreich, den Föderalismus in der Habsburgermonarchie und den Föderalismus komparativ.

 

Dabei behandelt Marko Kreutzmann im Eingang den Föderalismus und die zwischenstaatliche Integration in dem Deutschen, Österreich aus kleindeutscher Sicht nicht einbindenden Zollverein zwischen 1834 und 1867. Am Ende verfolgt Gerhard Lehmbruch den Entwicklungspfad des deutschen Bundesstaats in Bezug auf Weichenstellungen und Krisen. In diesen Grenzen werden Bildungsrecht und Bildungsverwaltung in Preußen, der Einfluss der deutschen Reichsländer auf die Reichsgesetzgebung, Föderalismus und Zentralismus im Postwesen und Telegraphenwesen des deutschen Kaiserreichs, die zentrifugalen und zentralen Kräfte der ökonomischen Integration in der Habsburgermonarchie, das politische Mehrebenensystem, Föderalismus und Sozialpolitik der Habsburgermonarchie, die Eisenbahnen im Deutschen Reich von 1871 und in der Europäischen Union, der (anti)hegemoniale Charakter föderaler Arrangements und vergleichend Kaiserreich, Donaumonarchie und Europäische Union betrachtet.

 

Am Ende der Befassung mit einem vielleicht von der legalistischen Hierarchie zur moderierenden Kooperation führenden Megatrend von Staatlichkeit werden die 16 beteiligten Autoren von Gerold Ambrosius bis Monika Senghaas verzeichnet. Auf ein Sachregister, das die Einzelerkenntnisse benutzerfreundlich aufschließen könnte, ist verzichtet. Insgesamt wird aber jeder an dem Phänomen Föderalismus historisch oder politisch Interessierte aus der sorgfältigen Lektüre der zahlreichen neuen Einzelergebnisse erheblichen Gewinn erfahren können.

 

Innsbruck                              Gerhard Köbler