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Geschichte der Universität Unter den Linden 1810-2010. Biographie einer Institution, Praxis ihrer Disziplinen, hg. v. Bruch, Rüdiger vom/Tenorth, Heinz-Elmar, Band 1-6. Akademie, Berlin 2010. Band 4 Genese der Disziplinen. Die Konstitution der Universität, hg. v. Tenorth, Heinz-Elmar. Akademie, Berlin 2010. 579 S. Band 5 Transformation der Wissensordnung, hg. v. Tenorth, Heinz-Elmar. Akademie, Berlin 2010. 819 S., Band 6 Selbstbehauptung einer Vision, hg. v. Tenorth, Heinz-Elmar in Zusammenarbeit mit Hess,

Geschichte der Universität Unter den Linden 1810-2010. Biographie einer Institution, Praxis ihrer Disziplinen, hg. v. Bruch, Rüdiger vom/Tenorth, Heinz-Elmar, Band 1-6. Akademie, Berlin 2010. Band 4 Genese der Disziplinen. Die Konstitution der Universität, hg. v. Tenorth, Heinz-Elmar. Akademie, Berlin 2010. 579 S. Band 5 Transformation der Wissensordnung, hg. v. Tenorth, Heinz-Elmar. Akademie, Berlin 2010. 819 S., Band 6 Selbstbehauptung einer Vision, hg. v. Tenorth, Heinz-Elmar in Zusammenarbeit mit Hess, Volker/Hoffmann, Dieter. Akademie, Berlin 2010. 762 S. Besprochen von Sascha Weber.

 

Im Rahmen des zweihundertjährigen Jubiläums der Humboldt-Universität zu Berlin 2010 sind die hier besprochenen drei Bände erschienen. Sie bilden gemeinsam mit den Bänden 1 bis 3, die erst 2012 bzw. 2013 erschienen sind, ein herausragendes Beispiel für moderne Wissenschaftsgeschichte. Die später erschienenen ersten Bände behandeln die Geschichte der Institution Universität, die hier vorliegenden widmen sich der „Praxis der Disziplinen“. Dabei sind die einzelnen Bände eng miteinander verzahnt und spiegeln sich. So untersuchen Band 1 und 4 den Zeitraum 1810 bis 1918, je einmal im Bezug auf die Geschichte der Institution und die Geschichte der Disziplinen. In gleicher Weise decken die Bände 2 und 5 den Zeitraum 1918 bis 1945 ab sowie die Bände 3 und 6 die Zeit nach 1945. Eine große Überschneidung der Autorschaft im sechsbändigen Gesamtwerk verstärkt diese enge Verzahnung der Perspektiven.

 

Ziel der drei Bände zur Praxis der Disziplinen ist es, der Frage nachzugehen, wie es im Alltag der universitären Arbeit mit der Realisierung der „reinen Wissenschaft“ bestellt war. Bei dieser praxeologischen Untersuchung stehen die Eigen- und Besonderheiten der Disziplinen im Mittelpunkt, weshalb die Ausgestaltung der Beiträge den Autoren überlassen wurde und die Beiträge über kein einheitliches Schema verfügen.

 

Alle drei Bände sind nach dem gleichen Muster in einzelne Fachgruppen gegliedert: Theologie, Rechtswissenschaft, Philosophie, Historische Disziplinen, Philologien, Mathematik und Naturwissenschaften, Medizin. Mit dem fünften Band tritt noch die Sozialwissenschaft als neue Disziplin zwischen der Philosophie und den historischen Disziplinen hinzu. Besonders hervorzuheben ist, dass sechs Disziplinen in allen drei Bänden von den gleichen Autoren abgehandelt werden, nämlich die Neuzeithistorie (Wolfgang Hardtwig), die Alte Geschichte (Wilfried Nippel), die Kunstgeschichte (Horst Bredekamp und Adam S. Labuda), die Archäologie (Henning Wrede), die klassische und germanische Philologie (Holger Dainat) sowie die Mathematik (Helmut Koch u. Jürg Kramer). Dies führt über die Bände hinweg zu einer interessanten Konstanz, während andere Beiträge mit stärkeren Perspektivveränderungen aufwarten können. Jeder Band verfügt über sein eigenes, sehr hilfreiches Personenregister, handelt es sich doch bei dieser Disziplinengeschichte in erster Linie um eine Personengeschichte, genauer gesagt, um eine Professorengeschichte, die vor allem in den ausführlichen Einleitungen des Herausgebers zusammengeführt, abstrahiert und statistisch unterfüttert wird. Die einzelnen Beiträge sind auf hohem wissenschaftlichem Niveau geschrieben, auch wenn es gelegentlich an analytischer Tiefe mangelt. Die Balance zwischen der Darstellung der gesamten Forscherpersönlichkeit bzw. Forscherleistung und dem eigentlichen Wirken an der Berliner Universität hätte noch stärker zugunsten letzterem ausfallen dürfen.

 

Insgesamt betrachtet handelt es sich hierbei, trotz kleinerer Kritikpunkte, um eine außergewöhnliche Leistung und vorbildhafte Umsetzung moderner Wissenschafts- und Universitätsgeschichte, die hoffentlich Nachahmer finden wird.

 

Gießen                                                                       Sascha Weber