Pichler, Inés, Bundesdeutsches Wortgut in der österreichischen Pressesprache. Von Abitur bis Zicken-Zoff (= Schriften zur deutschen Sprache in Österreich 43). Lang, Frankfurt am Main 2015. 271 S., Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.
Pichler, Inés, Bundesdeutsches Wortgut in der österreichischen Pressesprache. Von Abitur bis Zicken-Zoff (= Schriften zur deutschen Sprache in Österreich 43). Lang, Frankfurt am Main 2015. 271 S., Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.
Als im Frühmittelalter in den von Franken, Alemannen, Bayern, Thüringern, Sachsen und anderen Stämmen eingenommenen Gebieten allmählich die deutsche Sprache zu einer relativen Einheit erwuchs, waren die Bayern und Alemannen auf dem Boden des heutigen Staates Österreich ganz selbverständlich beteiligt. Unter habsburgischen Landesherren strebte Österreich demgegenüber als Vielvölkerreich allmählich zu relativer Eigenständigkeit. Wünschte nach dem von Österreich 1914 ausgelösten ersten Weltkrieg noch eine deutliche Mehrheit der Österreicher den von den alliierten Siegermächten unmissverständlich abgelehnten Anschluss des kleinen deutschsprachigen Restösterreich an das Deutsche Reich, so standen nach dem von dem Österreicher Adolf Hitler 1938 tatsächlich durchgeführten Vorgang am Ende des zweiten Weltkriegs dem Ergebnis mehr und mehr Betroffene negativ gegenüber und ist die politische Eigenständigkeit im Rahmen der Europäischen Union in der Gegenwart nicht mehr kontrovers.
Einen Teilbereich der damit angerissenen Thematik behandelt die am Institut für Germanistik der Universität Innsbruck lehrende Verfasserin in ihrer von Lorelies Ortner betreuten, im Juni 2013 eingereichten, als Momentaufnahme der österreichischen Pressesprache verstandenen Dissertation, die von einem plurizentristischen Konzept ohne Normoder (!) Werthierarchien zwischen den nationalen und arealen (Standard-)Varietäten und ihrer Koexistenz ausgeht und das österreichische Deutsch als ein gewachsenes, inhomogenes Kulturgut einordnet, welches zu jeder Zeit verschiedensten Einflüssen und Entwicklungen ausgesetzt war. Gegliedert ist ihre selbständige Untersuchung in 4 Teile und 10 Abschnitte. Sie betreffen eine Einleitung, Ziele, den Stand der Forschung mit besonderer Betonung der Korpuslinguistik, die Pressesprache, das Wortmaterial, das Textmaterial, quantitative Auswertungen, qualitative Auswertungen, sprachexterne Gründe für die Übernahme von Teutonismen und eine zusammenfassende Schlussbemerkung.
Durchsucht wurden 123071 Texte, in denen sich die Anzal (!, bundesdeutsch Anzahl?) der relevanten Datensätze auf 10904 belief und als häufigste bundesdeutsche Variante „seine Hausaufgaben erledigen/machen“ ermittelt werden konnte. Dabei wurde die Verfasserin selbst davon überrascht, wie häufig in der österreichischen Pressesprache (Der Standard, Neue Vorarlberger Tageszeitung, Kronen Zeitung, Kurier) bundesdeutsches Wortgut vorkommt, wobei sie eine klare Tendenz zur lexikalischen Entlehnung aus bundesdeutschem Wortgut vor allem mittelwestlicher Regionen (Frankfurt am Main, Köln) und nördlicher Regionen (Berlin, Hamburg) feststellen kann, wenn sie auch keinen Grund dafür sieht, Austriazismen im großen Ausmaß als aussterbend zu bezeichnen. Wortlisten am Ende und eingefügte Graphiken erleichtern die weitere Verwertung der interessanten Studie in künftigen Untersuchungen.
Innsbruck Gerhard Köbler