Fluch, Franz, Schwarzbuch Versicherungen – Wenn Unrecht zu Recht wird. Mandelbaum Kritik und Utopie, Wien 2015. 261 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Fluch, Franz, Schwarzbuch Versicherungen – Wenn Unrecht zu Recht wird. Mandelbaum Kritik und Utopie, Wien 2015. 261 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Am Montag, dem 10. Oktober 2005, einem sonnigen, windstillen Herbsttag, fuhr der als freiberuflicher Journalist tätige Verfasser nach seinen Worten die drei Kilometer lange Abfahrt der Laaber Bundesstraße hinter Laab im Walde-West mit dem Rennrad hinunter und dachte an einen für März geplanten achthundert Kilometer langen Fußmarsch entlang der früheren Sklavenroute von Benguela in das Hochland von Zentralangola und einen danach zu schreibenden Roman, wofür er sich dreimal in der Woche mit dem Fahrrad vorbereitete. An der Einmündung der Heimbautalstraße in die Laaber Bundesstraße sah er von Weitem hinter der Haltelinie der nachrangigen Straße einen roten Toyota Carina stehen, der ihn intuitiv dazu veranlasste, vom Fahrbahnrand in Richtung Mittelstreifen zu fahren. Diese Bewegung rettete ihm das Leben, weil während seiner Fahrt durch den Kreuzungsbereich sich auch der rote Toyota so in Bewegung setzte, dass der Radfahrer gegen den linken vorderen Kotflügel prallte, quer über die Motorhaube fiel und neben der rechten Fahrbahnseite auf der Bundesstraße liegenblieb, verletzt durch einen Bruch der oberen Schambeinäste, des Sitzbeins, des Kreuzbeins und der Dammbeinschaufel und zahlreiche weitere Schädigungen, die einen dauerhaften Grad der Behinderung und eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 60 Prozent zur Folge hatten.
Dementsprechend konnte er seinen Beruf nicht länger ausüben und musste sechseinhalb Jahre gegen die gegnerische Haftpflichtversicherung des am Unfall schuldigen, ihn fahrlässig übersehenden Autofahrers buchstäblich um das Überleben kämpfen. Veranlasst durch diesen Kampf recherchierte er fünf Jahre lang ähnliche Fälle. Im Ergebnis gelangte er zu der Überzeugung, dass auf Grund von Gerichtsgutachten von Ärzten der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt, die zusätzlich als Privatgutachter für Kraftfahrzeughaftpflichtversicherungen tätig sind, Gefälligkeitsgutachten erstatten und damit helfen, berechtigte Forderungen von Unfallopfern abzuschmettern, systematisch menschliche Existenzen rechtskräftig vernichtet werden.
An den Beginn seiner spannenden Darlegungen stellt er 10 griffige Thesen, nach denen etwa Versicherungen bei Unfallopfern immer auf Zeit spielen und bei Schadensersatzforderungen von mehr als 10000 Euro eine Klage des Unfallopfers abwarten, es in österreichischen Gerichtsverfahren gegen Versicherungen für Unfallopfer entgegen der Europäischen Menschenrechtskonvention keine Waffengleichheit gibt, Schadensersatzansprüche von Unfallopfern von der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt zum Schaden der Opfer und auf Kosten der Steuerzahler tatsächlich verhindert werden, die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt ein von den Sozialpartnern protegierter Staat im Staat ist , die Sozialpartner von der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt nach dem Grundsatz „eine Hand wäscht die andere“ in dreistelliger Millionenhöhe unterstützt bzw. subventioniert werden und Gerichte und Gerichtsgutachter Handlanger und Erfüllungsgehilfen der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt und der Haftpflichtversicherungen sind. Gegliedert ist das Werk in drei Teile über die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt und die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherungen, fünf als Beispiele aus einer umfangreicheren Untersuchungsmasse ausgewählte Unfallopfer (Franz Fluch, Waltraud Kanetscheider, Margot Franz, Rosina Toth und Adolf Stifter) und fünf Gerichtsverfahren der fünf Opfer mit den Untertiteln die vierte Säule der Demokratie, der Prozessbetrug, durch ein Falschgutachten in den Privatkonkurs, ein verhältnismäßig glimpfliches Unfallgeschehen und eine unendliche Geschichte.
Im Anhang bietet der Verfasser einen kurzen Leitfaden für künftige Unfallopfer, eine Übersicht seiner Gutachten und Gerichtsverfahren, eine Bibliographie und sine Danksagung und ruft zu einer parlamentarischen Bürgerinitiative für Unfallopfer auf. Mit dem Kraftfahrzeug ist dem Menschen eine gefährliche, oft auch tödliche Waffe in die Hand gegeben, der gegenüber das Unfallopfer meist praktisch kaum irgendwelche Chancen hat. Möge das verdienstvolle Werk dazu beitragen, dass die Verursacher von Schäden zusammen mit ihren Versicherungen von einer unabhängigen und ungeschmierten Allgemeinheit möglichst oft, rasch und vollständig zum Ersatz aller von ihnen verursachten Schäden schuldloser Opfer gezwungen werden.
Innsbruck Gerhard Köbler