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Akten der Reichskanzlei. Regierung Hitler 1933–1945. Band 7 1940, bearb. v. Hartmannsgruber, Friedrich. De Gruyter Oldenbourg, München 2015. LXXVI, 926 S. Besprochen von Werner Schubert.

Akten der Reichskanzlei. Regierung Hitler 1933-1945. Band 7 1940, bearb. v. Hartmannsgruber, Friedrich. De Gruyter Oldenbourg, München 2015. LXXVI, 926 S.

 

Bereits drei Jahre nach Erscheinen des sechsten Bandes gibt nunmehr Friedrich Hartmannsgruber, von dem bereits die Bände 2-6 stammen, den Band 7 der Regierung Hitler für das Kriegsjahr 1940 in der bewährten und mustergültigen Bearbeitung nach der seit dem zweiten Band vorgegebenen Textgestaltung heraus. Auch im Krieg bediente sich die „Führerdiktatur zur Durchsetzung ihrer Ziele nach wie vor traditioneller Organe und Instrumente wie der Reichsregierung und der Reichskanzlei“ (S. XI). Allerdings fanden keine Kabinettssitzungen und Sitzungen des Ministerrats für die Reichsverteidigung mehr statt. Für den Abdruck kam deshalb „grundsätzlich und gleichberechtigt jede Dokumentenform in Betracht, sofern sie zur Aufhellung der Entscheidungsprozesse im Vorfeld der Gesetzgebung beizutragen vermag“ (S. XII). Hierzu gehören auch bedeutsame Gesetzesprojekte, die „wegen Ressortdifferenzen oder mit Rücksicht auf die Volksstimmung“ verschoben wurden. Denn seit Juni 1940 galt nach einem nicht veröffentlichten Führererlass ein Gesetzesmoratorium, wonach neue Regelungen nur noch ergehen sollten, „soweit sie für den ‚Abwehrkampf des deutschen Volkes‘ unerlässlich waren oder der Umsetzung bestehenden Rechts oder der unaufschiebbaren Rechtsangleichung in den neuen Gebieten“ (S. XXVIII) dienten. Hauptziel der Edition ist es, die Entstehungsprozesse im Vorfeld der Gesetzgebung zu erhellen (S. XII). Verzichtet wurde mit Rücksicht auf die „Akten zur deutschen Politik“ auf eine Wiedergabe von Aktenstücken aus dem inneren Dienstbetrieb des Auswärtigen Amtes. Nicht dokumentiert wurden auch die interministeriellen Vorgänge, wie etwa der Schriftwechsel und die Arbeitstagungen der Reichsjustizminister mit den Oberlandesgerichtspräsidenten und den Generalstaatsanwälten (hierzu die Edition von W. Schubert, Das Reichsjustizministerium und die höheren Justizbehörden in der NS-Zeit [1935-1944], 2015). Die Grundlage der Edition bilden die Aktenbestände der Reichskanzlei im Bundesarchiv Berlin (R 43 II) und die Aktenüberlieferungen der Reichsminister. Die Sachanmerkungen bzw. Sachkommentierung mit dem Nachweis weiterer nicht abgedruckter Quellen ermöglichen dem Benutzer der Edition eine detailliertere Auseinandersetzung mit den abgedruckten Quellentexten.

 

In der Einleitung zeigt Hartmannsgruber die Schwerpunkte der Regierungstätigkeit für 1940 unter folgenden Gesichtspunkten: Zivile Kriegsmaßnahmen, ein- und angegliederte Gebiete (Umsiedlung, Besatzungspolitik), innere Verfassung und Rechtsentwicklung, Wirtschaft und Finanzen sowie Arbeit und Soziales (S. IXX-LVI). Aus der Sicht des Rechtshistorikers sind vor allem Gesetze und Projekte zum Strafrecht von Interesse. Von Hitler abgelehnt wurde der Erlass zweier Verordnungen zur Änderung und Ergänzung des Strafrechts (SchwerverbrecherVO und StaatsverbrecherVO; S. 274ff.). Zur Verordnung über die Einführung des deutschen Strafrechts in den eingegliederten Ostgebieten vom 6. 6. 1940 bringt die Edition einen Schriftwechsel des Reichsjustizministers mit dem Reichsinnenminister (S. 277ff.). Vorbereitet wurde Ende 1940 bereits die Polenstrafrechtsverordnung vom 4. 12. 1941 (S. 700ff.). Im Mai 1940 lag der erste Entwurf zu dem 1944 unveröffentlicht gebliebenen Gemeinschaftsfremdengesetz (S. 325ff., 483ff.) vor. Nicht durchsetzen konnte das Reichsjustizministerium einen verstärkten Schutz von Ehen der Kriegsteilnehmer (Ehebruch mit Soldatenfrauen; S. XL, 337ff.). S. 476f. ist ein Schreiben des Reichsjustizministers Gürtner vom 24. 7. 1940 abgedruckt, in dem dieser von der „Notwendigkeit“ sprach, „die heimliche Tötung von Geisteskranken sofort einzustellen“ (S. 476). Zum Jugendstrafrecht erging unter dem 4. 10. 1940 eine Novelle zum Jugendgerichtsgesetz, die nicht unumstritten war (S. 61ff., 365ff., 495). Eine Neufassung des Militärstrafgesetzbuchs  folgte unter dem 10. 10. 1940 (hierzu S. 593 ff.).

 

Aus dem Bereich des Zivilrechts sind zu erwähnen die an Hitler gescheiterte Reform des Unehelichenrechts und des gesetzlichen Erbrechts (S. 99ff., 196ff., 409ff., 505ff.). Nicht durchsetzbar war ein allgemeines Eheverbot Deutscher mit Ausländern (S. 59ff., 565ff.; zum Eheverbot Deutscher mit Polen und Tschechen vgl. S. 398ff., 481ff., 565ff.). Ein Geheimerlass des Reichsministers des Innern vom 19. 9. 1940 ließ eine Schwangerschaftsunterbrechung in dringenden und begründeten nicht gesetzlich geregelten Fällen zu (S. 603f.). Längere Beratungen erforderte die Verordnung über die bürgerliche Rechtspflege in den eingegliederten Ostgebieten vom 25. 9. 1941 (S. 509ff., 569ff., 651ff.). Die Dokumente S. 48ff., 529ff. betreffen den zurückgestellten Entwurf eines Forstgesetzes, ein Plan, der nach 1949 von den Bundesländern und dem Bund weiterverfolgt wurde. Unter dem 21. 8. 1941 nahm der Reichsminister des Innern Stellung zum (neuen) Entwurf eines Reichskolonialgesetzes (S. 546ff.; hierzu auch W. Schubert, Akademie für Deutsches Recht 1933-1945, Protokolle der Ausschüsse, Bd. XII, 2001, S. 569ff.). Im Anschluss an den Auftrag Hitlers an Robert Ley (Führer der DAF), einen Gesetzentwurf zum (Alters)Versorgungswerk des Deutschen Volkes auszuarbeiten, legte dieser Göring seine Pläne vor (S. 236ff.; hierzu weitere Quellen bei W. Schubert, Akademie für Deutsches Recht, Bd. X, 2000, S. 513ff.). Endlich sei noch hingewiesen auf die Materialien zur Kriegssachschädenverordnung vom 30. 11. 1940 (S. 645ff., 685ff.), die auch nach 1945 noch von Bedeutung war.

 

Wie in den bisherigen Bänden erschließt ein umfangreiches Personen- und Sachregister den Inhalt des Bandes umfassend. Die Edition wird für 1941 ebenfalls von Hartmannsgruber bearbeitet und von Peter Haller und Hauke Marahrens für 1942-1945 fortgesetzt werden (S. IX). Insgesamt ist die vorliegende Edition für die NS-Zeit ein wichtiges Arbeitsinstrument, das auch für die Rechtshistoriker unverzichtbar ist.

 

Kiel

Werner Schubert