Wunschik, Tobias, Knastware für den Klassenfeind. Häftlingsarbeit in der DDR, der Ost-West-Handel und die Staatssicherheit (1970-1989) (= Analysen und Dokumente – Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik 37). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2014. 364 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Wunschik, Tobias, Knastware für den Klassenfeind. Häftlingsarbeit in der DDR, der Ost-West-Handel und die Staatssicherheit (1970-1989) (= Analysen und Dokumente – Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik 37). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2014. 364 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Zum Wesen der Welt gehört der Gegensatz zwischen Sein und Schein, die übereinstimmen können, aber nicht in jedem Fall übereinstimmen müssen. Von daher versuchen Menschen zwecks Erreichung mittelbarer Ziele auch immer wieder ein vielfältiges Verhalten. In der Politik kann dies durchaus äußerliche öffentliche Gegnerschaft bei innerlichem geheimem Doppelspiel bedeuten, ohne dass die Öffentlichkeit davon so unterrichtet wird, wie sie dies erwarten könnte.
Mit einem Ausschnitt dieser Thematik befasst sich die mit einer Umschlagabbildung der Tischlerei der Produktionseinrichtung Möbel des Ministeriums des Innern in der Haftanstalt Magdeburg aus dem Jahre 1985 versehene informative Studie des 1967 geborenen, nach dem Studium der Politikwissenschaft, Psychologie und Soziologie in München und Berlin seit 1993 in der Abteilung Bildung und Forschung des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik tätigen, 1995 mit einer Dissertation über Baader-Meinhofs Kinder (die zweite Generation der RAF) in München promovierten Verfasssers. Sie gliedert sich nach einer Einleitung in drei Abschnitte. Sie betreffen den Arbeitseinsatz von Gefangenen, die Arbeitsbedingungen und den Westexport der Produkte aus Häftlingsarbeit.
Auf Grund neu aufgefundener Quellen kann der Verfasser dabei nachweisen, dass Häftlinge in der früheren Deutschen Demokratischen Republik aus repressivem, wirtschaftlichem und erzieherischem Grund arbeiten mussten und dass der Hauptzweck der Häftlingsarbeit dabei in ihrer wirtschaftlichen Nutzung bestand. Erfasst wurden hiervon beispielsweise 1975 39000 Inhaftierte bzw. 80 Prozent der Häftlinge, die zuletzt durchschnittlich 138 Mark im Monat verdienten, von denen 37 Mark für die Rücklage und 35 Mark für Familienunterstützung und weitere Zahlungsverpflichtungen abgezogen wurden. Hauptabnehmer beispielsweise der Möbelproduktion waren IKEA und Richard Karl Lämmerzahl (Neckermann, Quelle, Otto, Baur, Woolworth, Hertie, Horten, Kaufhof, Karstadt, Hess, Steinhoff), so dass durch die wirtschaftliche Zusammenarbeit von politischen Gegnern beiderseitiger Nutzen zu Lasten ausgebeuteter Dritter in beachtlichem Umfang erreicht werden konnte.
Innsbruck Gerhard Köbler