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Wiegard, Gunda, Vom tempus utile zum bref délai - Die Gewährleistungsfristen im antiken und altfranzösischen Recht (= Rechtsgeschichtliche Studien 66). Kovač, Hamburg 2014. XIII, 315 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

Wiegard, Gunda, Vom tempus utile zum bref délai - Die Gewährleistungsfristen im antiken und altfranzösischen Recht (= Rechtsgeschichtliche Studien 66). Kovač, Hamburg 2014. XIII, 315 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Das Recht entsteht, besteht und vergeht in der Zeit. Deswegen gibt es vor allem für das objektive Recht Rechtsgeschichte, Rechtsdogmatik und Rechtspolitik. Aber auch das einzelne subjektive Recht kann sich als bloße Folge von Zeitablauf ändern, indem es entstehen, bestehen und vergehen kann, wie sich beispielhaft an den Fristen zeigen lässt.

 

Mit einem Teilaspekt dieser Problematik befasst sich die von Deroussin (Université Jean Moulin Lyon) und Schermaier betreute, im Wintersemester 2008/2009 an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Münster abgeschlossene Dissertation der Verfasserin. Sie gliedert sich nach einer kurzen, von dem wegen seiner Ungenauigkeit vielfach kritisierten Artikel 1648 des Code civil Frankreichs ausgehenden Einleitung in zwei Teile über die Regelungen zum Gewährleistungsrecht im römischen und byzantinischen Recht und über die Entwicklung in Frankreich. Die überzeugenden Ergebnisse werden in Schlussbetrachtungen zusammengefasst und durch ein Literaturverzeichnis und einen Anhang mit zwei Tabellen und drei Karten sowie wichtigen Lebensdaten einiger französischer Juristen von d’Argentré (1519-1590) bis Soulatges (um 1760) ergänzt.

 

Im Kern geht es der Verfasserin um die Frage, wieso der Code civil des Jahres 1804 trotz der gleichen römischrechtlichen Wurzeln des französischen und deutschen Sachmangelgewährleistungsrechts statt der ädilizischen Frist von 6 Monaten die Gewährleistung auf einen bref délai bezieht. Hierzu stellt sie nach ausführlicher Darlegung der Vorgeschichte fest, dass in Frankreich um 1804 der bref délai für rechtlich angebracht befunden wurde und die ädilizische Frist als zu lang. Demgegenüber glaubt man mit dem Übergang vom Pferd zum Gebrauchtwagen in Europa den Rechtsschutz des Käufers durch die aequitas des Richters im Einzelfall weniger gut gesichert als durch eine gesetzliche Vorschrift mit einer festen Frist, wie sie im Februar 2005 an die Stelle des bref délai gesetzt wurde, wobei stets zu bedenken ist, dass eine Fristverlängerung sich wirtschaftlich grundsätzlich in der Weise auswirkt, dass eine Stärkung der Stellung des kaufenden Verbrauchers regelmäßig einen Preiserhöhung durch den Verkäufer zur Folge hat.

 

Innsbruck                                                                              Gerhard Köbler