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Westemeier, Jens, Himmlers Krieger. Joachim Peiper und die Waffen-SS in Krieg und Nachkriegszeit (= Krieg in der Geschichte 71). Schöningh, Paderborn 2014. 882 S. Abb., 98 €. Besprochen von Gerhard Köbler.

Westemeier, Jens, Himmlers Krieger. Joachim Peiper und die Waffen-SS in Krieg und Nachkriegszeit (= Krieg in der Geschichte 71). Schöningh, Paderborn 2014. 882 S. Abb., 98 €. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Der 1966 geborene Verfasser wurde durch das Studium der Geschichte und politischen Wissenschaften in Regensburg gebildet. Zuerst literarisch hervorgetreten ist er 1996 durch seine 150 Textseiten umfassende Biographie über Joachim Peiper (1915-1976) als SS-Standartenführer (ohne amtlichen Nachweis über eine rechtswirksame Beförderung zum Standartenführer), die er 2004 in korrigierter und auf 200 Seiten erweiterter Fassung mit dem Titel Joachim Peiper. Zwischen Totenkopf und Ritterkreuz. Lebensweg eines SS-Führers veröffentlichen konnte. Obwohl in dieser Untersuchung beabsichtigt war, Peiper von den üblichen Klischees zu befreien, verfing sich nach der Einleitung des vorliegenden Werkes die Arbeit in den tradierten Legenden und verfiel in den bei Biografien häufig auftretenden Fehler, ihrem Forschungsgegenstand mehr mit Sympathie als mit analytischem Blick und kritischer Distanz zu begegnen, so dass sich der Verfasser infolge intensiven wissenschaftlichen Gedankenaustauschs und eines erweiterten Lebenshorizonts durch seine Tätigkeit am Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr in Potsdam in seiner von Bernhard R. Kroener betreuten, im Juni 2009 von der philosophischen Fakultät der Universität Potsdam angenommenen und jetzt in überarbeiteter Form der Allgemeinheit zur Verfügung gestellten Dissertation für die Möglichkeit entschied, frühere Einschätzungen und Schlüsse zu überprüfen.

 

In Fragestellung, Methodik, Archivarbeit, Quellenbasis und Auswertung geht diese (dritte) Fassung nach den eigenen Worten des Verfassers über die erste Peiper-Biographie weit hinaus. Dabei war für den Autor die Gefahr, nach der Idealisierung des mit 18 Jahren in die SS eingetretenen, als Kriegshelden und brillanten jungen Truppenführer verherrlichten, nach dem zweiten Weltkrieg angeblich von den Siegern zu Unrecht verurteilten Joachim Peiper in das Gegenteil zu verfallen und zum Ankläger zu werden, groß. Da er sie aber auf der Grundlage seiner wissenschaftlichen Ausbildung erkannte und zu vermeiden versuchte, ergab sich nunmehr  in Auseinandersetzung mit den Quellen das Bild eines Menschen, der nur sich kannte und die unter der Herrschaft Adolf Hitlers im Deutschen Reich zwischen 1933 und 1945 bestehenden Möglichkeiten entschieden und unbarmherzig nutzte.

 

Gegliedert ist die umfangreiche, durch zahlreiche Nachweise am Ende abgesicherte, durch Anlagen abgerundete, durch Karten veranschaulichte und durch ein Personenregister aufgeschlossene, unmittelbar nach Erscheinen das Interesse eines sachkundigen Rezensenten erweckende, aber in Ermangelung eines verfügbaren Rezensionsexemplars auf einige allgemeinere Bemerkungen des Herausgebers zu beschränkende Untersuchung in acht chronologisch geordnete Kapitel über unruhige Zeiten (1915-1933), Junkerschule mit Eintritt in die SS und Leibstandarte (1933-1938), die Tätigkeit als Adjutant Heinrich Himmlers (1938-1941), Kampf an allen Fronten (Ostfront, Frankreich, Ostfront, Italien, Ostfront, Normandie), den totalen Krieg, die amerikanische Haft (1945-1956), den Weg aus der Todeszelle in die Freiheit und die zweite Karriere (1957-1977 mit Aufstieg und Fall bei Porsche). Als Ergebnis umfangreicher Quellenauswertung stellt der Verfasser am Ende fest, dass die leuchtenden Farben, in denen Joachim Peipers Bild erstrahlt, nachträglich aufgetragen sind und einen rassistischen Weltanschauungstäter betreffen, der im Aufstieg zum Regimentskommandeur der Panzerdivision Leibstandarte Adolf Hitler mit der Anmaßung eines Herrenmenschen über Leichen ging, dem aber nach eigenen Worten in der Haft „das gute Gewissen einer idealistisch aufgefassten und bis zum Äußersten  erfüllten Pflicht eine gewisse Abgeklärtheit und philosophische Ruhe“ verlieh. In der Nacht vom 13. auf den 14. Juli 1976 starb der in Berlin am 30. Januar 1915 als Sohn  eines Offiziers in einem bildungsbürgerlichen Elternhaus geborene, durch sein anhaltendes Umfeld und die Vergangenheitspolitik der Bundesrepublik Deutschland gestützte, vom Verfasser nunmehr analytisch entmythisierte Peiper in Traves in Frankreich wahrscheinlich infolge einer Kohlenmonoxidvergiftung, Bewusstlosigkeit und Verbrennen in seinem von mehreren Jugendlichen durch Molotow-Cocktails in Brand gesteckten Haus.

 

Innsbruck                                                                  Gerhard Köbler