Pohl, Mareike, Fliehen - Kämpfen - Kapitulieren. Rationales Handeln im Zeitalter Friedrich Barbarossas (= Wege der Geschichtswissenschaft). Kohlhammer, Stuttgart 2013. 288 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Pohl, Mareike, Fliehen - Kämpfen - Kapitulieren. Rationales Handeln im Zeitalter Friedrich Barbarossas (= Wege der Geschichtswissenschaft). Kohlhammer, Stuttgart 2013. 288 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Vinzenz von Prag stand 1158 als Teilnehmer des zweiten Italienzugs Friedrich Barbarossas an den Ufern der Adda vor den reißenden Fluten und dachte darüber nach, was in einer solchen Lage zu tun nötig sei. Er sah es für schlecht an, sich in solche Gefahren zu stürzen und ließ sich eher vom Wohlergehen als vom Wagemut raten, zog mit seinen Reisegefährten und ortskundigen Helfern weiter und überschritt auf der Brücke des Kaisers sicher den Fluss, während viele andere ertranken. Mit diesem Beispiel für vernünftiges Handeln statt unbedachten Vorgehens eröffnet die Verfasserin ihre von Hans-Henning Kortüm betreute Regensburger Dissertation.
Gegliedert ist die Untersuchung außer in eine Einleitung über menschliches Handeln zwischen Alterität und Kontinuität, Methode und Theorie sowie Überlegungen zum Forschungsstand mit der Ehre als typisch mittelalterlichem Handlungsmotiv in fünf Sachkapitel. Sie betreffen die Erfolgschancen eines Kampfes, die den Kollektivnutzen gefährdenden Alleingänge Einzelner, schmutzige Tricks und Listen als Strategien mit der Belagerung Cremas als Chicken Game und den Kämpfen um Tortona und Alessandria, die rationale Entscheidung der Kapitulation in Brescia, Mailand, Crema, Piacenza und Bologna und das Geld als vielseitiges Tauschgut. Nach einer Schlussbetrachtung folgen Quellenverzeichnis und Literaturverzeichnis.
Ausgangspunkt ihrer Überlegungen ist die mögliche Andersartigkeit, Fremdheit und auch Unverständlichkeit des Mittelalters für die Gegenwart. Demgegenüber gelangt die Verfasserin in Verwendung moderner soziologischer Überlegungen zu menschlichem Verhalten (Rational-Choice-Theorie) zu der Annahme, dass rationales Handeln auch in der Zeit Friedrich Barbarossas doch sehr viel wahrscheinlicher war, als (von manchen Forschern) bisher geglaubt oder behauptet. Dementsprechend müssen sich symbolhaftes und zweckrationales Handeln nicht gegenseitig ausschließen und hat auch im Mittelalter die Überlegung sogar für den Menschen einen wichtigen Platz vor einem reißenden Fluss.
Innsbruck Gerhard Köbler