Original Ergebnisseite.

Großbölting, Thomas, Der verlorene Himmel. Glaube in Deutschland seit 1945. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2013. 320 S. Besprochen von Gerhard Köbler. ZIER 4 (2014) 80. IT

Großbölting, Thomas, Der verlorene Himmel. Glaube in Deutschland seit 1945. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2013. 320 S.

 

Der Verfasser geht von der Einsicht aus, dass vor allem in den Gesellschaften Westeuropas, im Gegensatz zu vier von fünf Kontinenten, auf denen religiöses Leben in den unterschiedlichsten Formen floriert, das Gegenteil der Fall ist, indem die Religion an Bedeutung verliert. Augenfällig wird diese Entwicklung für ihn dadurch, dass kaum noch Missionare aus Europa in die übrige Welt aufbrechen, sondern umgekehrt christliche Kirchen Priester aus der überseeischen Welt zur Besetzung freier Stellen verwenden. Dieser Befund führte ihn zu der Frage, wie sich die aktuelle religiöse Lage Deutschlands für einen objektiven Beobachter präsentiert.

 

Ausgewiesen für eine sachkundige Antwort ist der in Dingden 1969 geborene Verfasser durch ein Studium der Geschichte, katholischen Theologie und Germanistik in Köln/Bonn und Rom, das er 1995 mit dem ersten  Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien in Münster abschloss. Dem folgten 1998 eine geschichtswissenschaftliche Dissertation über SED-Diktatur und Gesellschaft bzw. Bürgertum Bürgerlichkeit und Entbürgerlichung in Magdeburg und Halle und 2004 eine Habilitationsschrift über die Industrie- und Gewerbeausstellungen zwischen 1790 und 1913 im Reiche der Arbeit, auf Grund deren er nach Tätigkeiten in Magdeburg, Berlin, Magdeburg und Toronto 2009 für neuere und neueste Geschichte nach Münster berufen wurde. Gegliedert ist das vorliegende, vom Exzellenzcluster Religion und Politik angestoßene wie ermöglichte, den akademischen Lehrern Arnold Angenendt und Hans-Ulrich Thamer gewidmete Werk in drei chronologisch eordnete Teile über Selbstverortungen und Illusionen nach 1945, das religiöse Feld in den sechziger und siebziger Jahren und die Brüche und Veränderungen im religiösen Feld, durch welche in den Augen des Verfassers aus Kirche Religion wurde.

 

Im Ergebnis stellt er überzeugend fest, dass gemessen an früheren Zeiten und an ihren gesellschaftsprägenden Möglichkeiten  Religion und religiöses Leben in Deutschland an den Rand gerückt sind, ohne ihre Bedeutung verloren zu haben, wie auch der Himmel als Sinnbild für den Bezug auf eine Transzendenz nicht verschwunden, aber für immer größere gesellschaftliche Zusammenhänge verloren gegangen ist, ohne dass ein Wiederfinden des alten Himmels wirklich zu erwarten ist. Gleichwohl ist für den Verfasser allen intellektuellen wie auch praktischen Problemen zum Trotz der Versuch, die Beziehungen zwischen den religiösen Gemeinschaften und der Gesellschaft produktiv zu gestalten, jede Anstrengung wert. Möge sein durch Anmerkungen gestütztes und durch ein Personenregister und ein Sachregister aufgeschlossenes Werk in einer insgesamt offenen und ungewissen Zukunft das ihm Mögliche dazu beitragen, dass die christlichen Kirchen weiter wichtige Bezugspunkte für die vielfältigen religiösen Bedürfnisse der Menschen sind und weiterhin einen wichtigen Beitrag zum Zusammenhalt und zur Gestaltung der Gesellschaft leisten.

 

Innsbruck                                                                              Gerhard Köbler