Gerhold, Sönke, Die Akzessorietät der Teilnahme an Mord und Totschlag. Eine dogmengeschichtliche Rekonstruktion eines ungelösten Problems. Zugleich ein Beitrag zum Umgang mit historischen Argumenten in Rechtsprechung und Literatur und zu den Folgen unbedingter Kontinuität (= Neue Schriften zum Strafrecht 8). Nomos, Baden-Baden 2014. 683 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Gerhold, Sönke, Die Akzessorietät der Teilnahme an Mord und Totschlag. Eine dogmengeschichtliche Rekonstruktion eines ungelösten Problems. Zugleich ein Beitrag zum Umgang mit historischen Argumenten in Rechtsprechung und Literatur und zu den Folgen unbedingter Kontinuität (= Neue Schriften zum Strafrecht 8). Nomos, Baden-Baden 2014. 683 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Akzessorietät der Teilnahme bedeutet, dass die Strafbarkeit eines Teilnehmers einer Straftat davon abhängig ist, dass die Haupttat strafbar ist, wobei es nach dem Grundsatz der limitierten Akzessorietät nicht darauf ankommt, dass der Haupttäter schuldhaft gehandelt hat, sondern nur darauf, dass Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit gegeben sind, so dass die Teilnahme an einer rechtswidrigen Straftat eines Schuldunfähigen bestraft werden kann. Der Verfasser untersucht nach seinem kurzen Vorwurf dabei den Einfluss zeitgeschichtlicher Ereignisse auf die Rechtsprechung zur Teilnahme an Mord und Totschlag und deren heutige Auswirkung. Wäre, so führt er beispielhaft aus, der Bundesgerichtshof Deutschlands nach gesetzlicher Einführung der Unverjährbarkeit des Mordes vor allem zu Lasten nationalsozialistischer Täter der so genannten Qualifikationsthese gefolgt und hätte auf Gehilfen, denen im Gegensatz zu den Tätern kein subjektives Mordmerkmal nachzuweisen war, § 28 II StGB angewendet, wären bei Tötungsverbrechen der Staatskriminalität oder Makrokriminalität die neu gestalteten Verjährungsregeln unanwendbar und die Beihilfen entgegen dem Willen des Reformgesetzgebers verjährbar gewesen.
Die sich mit dieser Problematik auseinandersetzende Untersuchung ist die von Monika Frommel angeregte und betreute, 2013 von der juristischen Fakultät der Universität Kiel angenommene Habilitationsschrift des in Hamburg 1979 geborenen, nach Abitur und Wehrdienst sowie Studium in Kiel 2009 mit einer Dissertation über das System des Opferschutzes im Bereich des Cyber- und Internetstalking promovierten, zuletzt vertretungsweise in Regensburg tätigen Verfassers. Sie gliedert sich differenziert in insgesamt vier Teile und einen Anhang (S. 621ff.). Dabei folgen der Einleitung und Fragestellung das Verhältnis von Mord und Totschlag zwischen 1872 und heute unter besonderer Berücksichtigung des Einflusses der Tätertypenlehre, die Auslegung der Mordmerkmale und ihre systematische Einordnung in den Verbrechensaufbau unter besonderer Berücksichtigung von Entwicklungstendenzen sowie ein überzeugendes Gesamtergebnis.
In ihm stellt der Verfasser die Beharrungstendenzen in Rechtsprechung und Literatur an die Spitze. Dementsprechend geht nach seinen ansprechenden Erkenntnissen die Rechtsprechung zur Teilnahme an Mord und Totschlag noch heute auf die Tätertypenlehre zurück. Im Gegensatz zur herrschenden Rechtsprechung und der gängigen Literatur lässt sich mit den derzeitigen Vorgaben weitgehend ein inhaltlich widerspruchsfreies System der Teilnahme begründen, das allerdings in Anbetracht der absoluten Strafdrohung und des Charakters der Mordmerkmale als vertypte Strafzumessungsgründe nicht ohne Rückgriff auf allgemeine Strafzumessungserwägungen auskommt, so dass insgesamt eine legislative Absicherung anzustreben ist, obgleich eine zu neuen Pfaden bereite Rechtsprechung diese auch unter der geltenden Rechtslage gehen könnte.
Innsbruck Gerhard Köbler