Fischer, Carsten, Schildgeld und Heersteuer. Eine vergleichende Studie zur Entwicklung lehnsrechtlicher Strukturen durch die Umwandlung vasallitischer Kriegsdienste in Geldabgaben im normannisch-frühangevinischen England und staufischen Reich (= Studien zur europäischen Rechtsgeschichte Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte Frankfurt am Main Band 279). Klostermann, Frankfurt am Main 2013. XIX, 392 S. Besprochen von Roland Kleinhenz.
KleinhenzFischerschildgeldundheersteuer20141221 Nr. 15042 ZIER 4 (2014) 30. IT
Fischer, Carsten, Schildgeld und Heersteuer. Eine vergleichende Studie zur Entwicklung lehnsrechtlicher Strukturen durch die Umwandlung vasallitischer Kriegsdienste in Geldabgaben im normannisch-frühangevinischen England und staufischen Reich (= Studien zur europäischen Rechtsgeschichte Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte Frankfurt am Main Band 279). Klostermann, Frankfurt am Main 2013. IX, 392 S. Besprochen von Roland Kleinhenz.
Die aus einer rechtswissenschaftlichen Dissertation an der Universität Zürich hervorgegangene Studie befasst sich mit einem relativ wenig bekannten Phänomen aus der Lehnskriegsverfassung Englands und des staufischen deutschen Reichs im Hochmittelalter, der Ablösung der lehnsrechtlichen Kriegsdienstpflicht durch Geldzahlung. Der Verfasser erhielt dafür jüngst den Preis des Deutschen Rechtshistorikertages 2014.
Die Einleitung ist leider in einigen Punkten abseits vom eigentlichen Thema zu lang geraten, etwa wenn Probleme der Erforschung des Lehnswesens und Fragen historischer Komparatistik und der Rechtsvergleichung diskutiert werden. Andererseits hätte man sich längere Ausführungen zur Heranführung an das eigentliche Thema gewünscht, wo auf die angebliche Parallelität der Entwicklungen in England und im staufischen Reich hingewiesen wird, die dann doch nicht so ganz klar wird. Dies zeigt sich vor allem im Hinweis des Verfassers auf eine Verwaltungspraxis in England ab 1154/1155, mit systematischer Erfassung der Schildgeldzahlungen in einem zentralen Register, den sogenannten Pipe Rolls, durch eine zentrale Finanzverwaltungsbehörde, Exchequer genannt (noch heute heißt der Finanzminister in Großbritannien Chancellor of the Exchequer!) einerseits, der andererseits gerade nichts gleichartiges im Stauferreich gegenüber steht. Vielmehr soll es hier, laut Verfasser, mit dem zweiten Ronkalischen Lehnsgesetz von 1158 lediglich eine gesetzliche Regelung mit Vollzugsdefizit gegeben haben. Auch zeitlich überschneiden sich die untersuchten Zeiträume für England und das vom Verfasser so genannte „Deutsche Reich“[1] ohne nähere Erklärung nur teilweise, nämlich für England der Zeitraum seit der normannischen Eroberung von 1066 bis zum Tode Heinrichs II., 1189, dagegen für das Deutsche Reich der Zeitraum vom 11. Jahrhundert bis Mitte des 13. Jahrhunderts.
Der Verfasser wendet sich dann in zwei großen und etwa gleich langen Abschnitten dem Thema zu und behandelt zunächst das Schildgeld in England und sodann die Heersteuer im Deutschen Reich. Nach einigen allgemeinen Bemerkungen zum englischen Lehnsrecht im 11. und 12. Jahrhundert und einem Überblick über vasallitische Kriegsdienste dort, ferner einem Überblick über den Forschungsstand zum Schildgeld für den Zeitraum vom 19. Jahrhundert bis heute, befasst sich der Verfasser dann zunächst mit der Ablösung von Heeresdienstpflichten im angelsächsischen England. Als Ergebnis seiner Berichterstattung über den Forschungsstand stellt der Verfasser lediglich fest, dass hinsichtlich der Frage der Ablösung von Heeresdiensten durch Geldzahlungen vieles unklar sei. Ein Schwerpunkt der Ausführungen bildet das Thema von Bußgeldzahlungen für unterlassenen Kriegsdienst in der angelsächsischen Heeresverfassung in Form der sog. fyrdwīte. Hierzu verweist der Verfasser auf zahlreiche Urkunden als Beleg für die Fortsetzung dieses Rechtsinstituts in normannischer Zeit, um als Ergebnis dann die doch wenig befriedigende Feststellung zu treffen, dass sich die tatsächliche Bedeutung des fyrdwīte und der Umwandlungsmöglichkeiten von Heeresdiensten in Geldzahlungen für das Herrschaftssystem ihrer Zeit nicht abschließend klären ließen (S. 78). Der Begriff des Schildgeldes, scutagium, vom Lateinischen scutum = der Schild, englisch scutage, sei erstmalig in einer Urkunde aus dem Jahre 1100 belegt und in zahlreichen urkundlichen Erwähnungen danach. Dies entspricht, soweit ersichtlich, dem Stand der Forschung. Wenn der Verfasser vermutet, dass dieses Institut bereits wesentlich früher in Gebrauch gewesen sei (S. 86), so mag dies durchaus naheliegend sein, ist jedoch keineswegs zwingend. Genauso gut kann es tatsächlich eine Neueinführung mit dem Amtsantritt Heinrichs I. im Jahre 1100 gewesen sein. Der Verfasser spricht dann die auffällige Besonderheit an, dass sehr lange nur geistliche Vasallen eine Befreiung vom Schildgeld erhielten, während eine solche für weltliche Vasallen erst ab 1130 nachgewiesen sei (S. 81). Eine Erklärung hierfür liefert der Verfasser aber nicht, diskutiert etwa nicht, inwieweit geistliche Vasallen militärisch weniger leistungsfähig und/oder leistungswillig gewesen sind als weltliche Vasallen. Ein Schwerpunkt der Darstellungen des Verfassers ist sodann die Entwicklung des Schildgeldes unter Heinrich II. (1154-1189). Hier stellt der Verfasser unter Rückgriff auf bereits bekannte Forschungen die insgesamt neun Schildgelderhebungen und ihre Besonderheiten im Einzelnen vor und nennt Summen der vereinnahmten Schildgelder. Anschließend werden unter Anwendung heutiger Methodik der Rechtsanwendung die Anspruchsvoraussetzungen für die Erhebung von Schildgeld wie auch die Einwendungen dagegen besprochen bis hin zur Zwangsvollstreckung. Besondere Hervorhebung verdient dabei die rechtliche Möglichkeit für die Kronvasallen, ihre Schildgeldlast auf die Aftervasallen in vollem Umfang abzuwälzen und sogar unter dem Strich einen Gewinn zu realisieren. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Möglichkeit für die Vasallen, die Schildgeldzahlungen wegen ausbleibender Zahlungen der Aftervasallen insoweit stunden zu lassen, was in der Praxis häufig die Regel war und im Ergebnis zu zeitweiligen oder dauerhaften Einnahmeausfällen für die Krone führte. Damit im Einklang stand die Rechtslage, dass Aftervasallen nicht Vollstreckungsschuldner wegen säumiger Schildgeldzahlung waren, sondern ausschließlich die Kronvasallen selbst. Schließlich bespricht der Verfasser die Zentralerfassung der Schildgeldverpflichteten durch Heinrich II., die in den berühmt gewordenen Cartae Baronum im Jahre 1166 realisiert und dokumentiert wurde, einem zentralen Schildgeldregister, das im staufischen deutschen Reich nicht seinesgleichen hatte. Beendet wird die Untersuchung über das Schildgeld mit einer kurzen Zusammenfassung über seine Entwicklung unter den Nachfolgern Heinrichs II. im 13. und 14. Jahrhundert. Auch hier bringt die Darstellung über den bisherigen Forschungsstand hinaus nichts Neues. Der Verfasser behandelt insbesondere die Regelung zum Schildgeld in der Magna Carta von 1215 und Nachfolgeregelungen, wonach das Schildgeld nur noch im Zusammenwirken von König und Baronen erhoben werden konnte. Dies läutete, nachträglich betrachtet, den Niedergang dieser Finanzquelle ein. Der Aufstieg des englischen Parlaments seit wenigstens Mitte des 13. Jahrhunderts[2] und die Erschließung neuer Finanzquellen, insbesondere neuer Steuerarten und Zölle, z.B. auf bewegliche Gegenstände unter Edward II. und Edward III., führten zum endgültigen Niedergang der scutage genannten Kriegssteuer. Den Endpunkt dieser Entwicklung bildet die vom Verfasser angesprochene Petition des Parlaments aus dem Jahre 1385, wonach König Richard II. kein Recht hätte, für die Heerfahrt dieses Jahres Schildgeld zu verlangen. Die Stellung des Parlaments war zu dieser Zeit und bereits lange davor so stark geworden, dass Steuern und Abgaben nicht mehr ohne seine Zustimmung erhoben werden konnten. Die vom Verfasser angegebene sehr kurze Begründung für den Niedergang des scutagium im 14. Jahrhundert überzeugt nicht vollauf. Danach sollen Schwierigkeiten bei der Beitreibung des Schildgeldes, der große Aufwand für seine Erhebung und die einfachere Erhebung direkter Steuern ursächlich für den Niedergang gewesen sein (S. 127). Vom Aufstieg des Parlaments und seiner von Jahrzehnt zu Jahrzehnt immer größer werdenden Macht bei Fragen der Besteuerung und Erhebung von Abgaben und Zöllen ist nicht die Rede. Auch militärische Aspekte, wie die stetig steigenden Kosten für immer mehr angeworbene Söldner, die Änderungen in der Ausrüstung und der militärischen Taktik und der damit einhergehende Niedergang (= Bedarfsminderung!) der sehr kostenträchtigen schweren gepanzerten Reiterei (= des Kerns des Feudalaufgebots!) spielen eine Rolle. Hier muss man sich nur die Auseinandersetzungen Englands mit der französischen Krone im 13. und 14. Jahrhundert ansehen, wo insbesondere der Aufstieg der Bogenschützen (Langbogner/archer) als schlachtentscheidende und nicht dem Feudalaufgebot zugehörige Truppe herausragt.[3] Der Verfasser zitiert zwar auch militärhistorische Literatur, blendet aber in seiner gesamten Arbeit militärische Aspekte und Entwicklungen im Lehnszeitalter weitgehend aus. So werden auch heute noch sehr hilfreiche ältere Überblicksdarstellungen, etwa von Charles Oman,[4] John Fortescue,[5] Hans Delbrück[6] oder Eugen von Frauenholz,[7] nicht erwähnt, ebenso nicht neuere Darstellungen.[8] In Bezug auf den Niedergang des Schildgeldes ab dem 13. Jahrhundert hat der Verfasser leider die Arbeit von Ivor John Sanders[9] unberücksichtigt gelassen und ebenso die sehr erhellende Besprechung dazu von Walther Kienast.[10] Hier erfährt man, auch wenn viele Einzelheiten noch aufklärungsbedürftig sind, dass wegen der erheblich verminderten servicia debita die Gesamtgestellungszahl (Sollaufgebot) der belehnten Ritter für das Feudalaufgebot des königlichen Heeres im 13. Jahrhundert wesentlich zurückging im Vergleich zum 12. Jahrhundert. Damit verminderte sich entsprechend die mögliche Schildgeldeinnahme erheblich. Nachdem schon im 12. Jahrhundert nur Bruchteile des möglichen Lehnsaufgebots zu den Waffen gerufen wurden, verminderte sich diese Zahl im 13. Jahrhundert noch mehr. Auf die Gründe kann hier nicht eingegangen werden, insbesondere nicht auf die sich von Feldzug zu Feldzug wandelnde Zusammensetzung des gesamten Kriegsaufgebotes, etwa unbelehnte Ritter, Bürger, Söldner, im Vergleich zum Lehnsaufgebot. Kienast erwähnt in seiner Besprechung noch, dass der Finanzbedarf des Königs speziell für seine Feldzüge immer mehr nicht nur durch neue Zölle und Steuern von der Fahrhabe gedeckt wurde, sondern auch durch Kredite bei italienischen Bankiers (a. a. O., S. 578). Der Verfasser beschließt seine Untersuchung über das Schildgeld mit einer Zusammenfassung der Ergebnisse, die allerdings gelegentlich als zu abstrakt oder zu wenig nachvollziehbar erscheint, etwa wenn behauptet wird, die Einnahmen aus Schildgeld würden im Vergleich zu anderen Einnahmequellen nicht als die bedeutendsten erscheinen (S. 128). Hier wäre es angezeigt gewesen, dies mit Zahlenangaben und Nachweisen zu untersetzen.
Im zweiten Hauptteil widmet sich der Verfasser der nach seiner Einschätzung noch wenig erforschten Heersteuer im Stauferreich. Eine zentrale und einheitliche Praxis von Ablösemöglichkeiten für Kriegsdienste kann der Verfasser mangels vorhandener Quellen nicht feststellen. So wendet er sich konsequent zunächst der Untersuchung lokaler Praktiken von Ablösemöglichkeiten zu, die sich in überlieferten Dienst- und Hofrechten finden und behandelt die einschlägigen Regelungen im Wormser Hofrecht, Bamberger Dienstrecht und Kölner Dienstrecht in Bezug auf die Kategorie unfreier Dienstleute, der Ministerialen. Besonders aufschlussreich für die Rechtspraxis der Heersteuer ist die Darstellung des gerichtlichen Streitfalles von 1157 zwischen dem Mainzer Erzbischof und den von ihm wegen Zahlung von Heersteuer in Anspruch genommenen Ministerialen, die schließlich unterlagen. Man hätte sich gewünscht, dass der Verfasser weitere ähnliche Streitfälle aus der Rechtspraxis vorstellt. Es folgt sodann die eigentliche Darstellung der Heersteuer im Stauferreich. Hier widmet sich der Verfasser zunächst den vorhandenen geschriebenen Regelungen und den damit einhergehenden Auslegungsproblemen auf Reichsebene und lokaler bzw. regionaler Ebene, so der einzigen kaiserlichen Regelung, dem zweiten Ronkalischen Lehnsgesetz Friedrich I. von 1158 und ferner den in Rechtsbüchern, wie z. B. dem Sachsenspiegel und dem Schwabenspiegel, überlieferten Regelungen zur Ablösung von Kriegsdiensten durch Geldzahlung. Interessanter als die Darstellung des bekannten Forschungsstandes sind jedoch die Ergebnisse des Verfassers. So stellt er zum einen fest, dass das, was sich vor den Ronkalischen Lehnsgesetzen, also vor dem ersten Ronkalischen Lehnsgesetz von 1154, in Bezug auf die Heersteuer abspielte, außerhalb des Bereiches der Ministerialen im Dunkeln bliebe (S. 207). Zum anderen vermutet der Verfasser, dass die lehnsrechtliche Regelung des Artikels 5 des Lehnsgesetzes von 1158 zur Ablösung von Kriegsdiensten durch Geldzahlung hinsichtlich der Ausgestaltung möglicherweise von einer regionalen oder sogar reichsrechtlichen Praxis überholt worden sei. Dass der Verfasser dem nicht weiter nachgegangen ist, wird an der fehlenden Quellenlage gelegen haben. Es fragt sich dementsprechend, ob der Verfasser damit in dieser wichtigen Frage die abschließenden wissenschaftlichen Feststellungen getroffen hat, nämlich dass der historische rechtliche und politische Tatbestand der „Heersteuer“ bedauerlicherweise unaufklärbar ist.[11] Der Verfasser behandelt sodann noch die etwas reichlicher vorhandenen Urkunden zur Ablösung vasallitischer Kriegsdienste durch Geldzahlung. Sodann diskutiert er den Gegensatz der Zulassung von Ablösungszahlungen zur Ersetzung lehnsrechtlich geschuldeter Kriegsdienste durch einseitigen königlichen Gunsterweis und andererseits durch Aushandeln und Abschluss eines Vertrages, also modern gesprochen durch hoheitliche Regelung zum einen und zum anderen durch gleichgeordnete Regelung. Etwas zu dürftig geraten die Ausführungen leider in dem Kapitel über die Unmöglichkeit der Pflichterfüllung für die Leistung von Kriegsdiensten als Ausgangspunkt für deren Monetarisierung, also sprich Schaffung einer Ersetzungsbefugnis durch Zulassung des Freikaufens von solchen Diensten (S. 242-251). Die Knappheit der Ausführungen hat insbesondere seinen Grund darin, dass der Verfasser generell jegliche militärischen Zusammenhänge, im englischen wie im deutschen Teil, weitgehend ausblendet. So geht der Verfasser bei dem Tatbestandsmerkmal des persönlichen Unvermögens nicht auf Probleme ein, wie die Abneigung überhaupt, Kriegsdienste zu leisten und deren Ursache oder die Frage der Angst vor den Strapazen des Krieges oder vor Tod oder Verwundung im Krieg, quasi die Kehrseiten von Ruhm und Ehre. In Bezug auf die Diskussion der wirtschaftlichen Unmöglichkeit zur Leistung von Kriegsdiensten (S. 243), sprich den finanziellen Belastungen, sind die Ausführungen wenig untersetzt und zu allgemein. Bei der rechtlichen Unmöglichkeit spricht der Verfasser das Problem der Mehrfachvasallität (Stichwort: „man kann nur einem Herrn dienen“) und die Lösungsmöglichkeiten dafür an und betont deren Vielgestaltigkeit und Flexibilität, weil einzelfallbezogen. Schließlich geht der Verfasser leider nur kurz auf den praktisch außerordentlich wichtigen Punkt der Auswirkungen von Ablösungsentscheidungen im Verhältnis auf nachgeordnete Lehnsverhältnisse, also solchen zwischen Kronvasallen und Aftervasallen ein, wo lapidar festgestellt wird, dass die Quellen dazu schwiegen (S. 251). Der Verfasser vermutet aufgrund einer Urkunde des Bistums Vercelli (S. 251/252), dass den Kronvasallen ein Subkollektionsrecht zustand. Diese Vermutung dürfte naheliegend und vorzugswürdig sein. Der Verfasser beschließt den zweiten Hauptabschnitt mit einer Zusammenfassung der Ergebnisse. Eine wesentliche Feststellung ist das Auseinanderfallen zwischen der übergeordneten Regelung des Ronkalischen Lehnsgesetzes von 1158 und der grundsätzlich am Einzelfall ausgehandelten Praxis. Dies ist eine weitreichende Schlussfolgerung des Verfassers, die er hauptsächlich aus den vorhandenen Urkunden bezieht. Allerdings könnte man dagegen halten, dass das Schweigen von Quellen, mangels deren Vorhandensein, auch daran liegen kann, dass entweder in der Regel einfach das Gesetz zum Zuge kam und daher ein Aushandeln am Einzelfall nicht erforderlich war oder aber überhaupt keine generelle Heersteuererhebung erfolgte. Jedenfalls hat der Verfasser keine Idee, warum die Ronkalischen Lehnsgesetze, vor allem das wichtigere und umfassendere von 1158, so bedeutungslos für die Praxis waren. Hier scheint mir jedenfalls noch nicht das letzte Wort gesprochen worden zu sein. Zweitens hat der Verfasser ein Defizit in der Finanzverwaltung der Heersteuer festgestellt, insbesondere weil ein Zentralregister wie die Cartae Baronum in England von 1166 im staufischen Reich überhaupt fehlte und eine früheste Aufzeichnung dieser Art in Deutschland erst mit den Heeresmatrikeln von 1422 im Zuge der Hussitenkriege geschaffen worden sei. Ob auch diese weitreichende und auch nicht weiter differenzierte Annahme so richtig ist, muss hinterfragt werden und bedarf weiterer Forschung. Die Schlussfolgerung des Verfassers, dass im staufischen deutschen Reich mehr auf Aushandeln und damit mehr auf „konsensuale Herrschaft“, wie es der Verfasser neudeutsch bezeichnet, gesetzt worden sei, ist zwar vertretbar, aber keineswegs bewiesen.
Der Verfasser beschließt seine Studie mit zwei abschließenden Kapiteln über „Schildgeld und Heersteuer im Vergleich“ (D.) und „Schildgeld und Heersteuer: Zusammenfassung der Ergebnisse“ (E.). Besser wäre es gewesen, diese beiden Kapitel zu einem Kapitel zusammenzuziehen. Im erstgenannten Kapitel wird sozusagen die Überlegenheit der frühen englischen Zentralverwaltung betreffend die Schildgeldverpflichteten (Cartae Baronum von 1166) gegenüber der Situation im Stauferreich hinsichtlich des Fehlens einer solchen Zentralkartei hervorgehoben. Hinsichtlich des Heersteueraufkommens wird die leider ernüchternde Feststellung getroffen, dass der genaue wirtschaftliche Ertrag der Heersteuer mangels weniger Quellen nicht bewertbar sei (S. 271 und 278). Der Verfasser vermutet, dass die Einnahmen aus der Heersteuer kaum ins Gewicht gefallen seien, aber die politische Bedeutung dieses Fiskalinstruments höher gewesen sei. Zum Militärwesen des Hochmittelalters äußert sich der Verfasser nur sehr knapp (S. 273-276). Er spricht die Entwicklung des Söldnerwesens und den Zusammenhang mit Schildgeld und Heersteuer allerdings nur an. Ob und warum dadurch und in welcher Weise genau die allmähliche Verdrängung des Schildgelds einerseits und der Heersteuer andererseits erfolgte, wird nicht ausgeführt. Die Hauptthese am Ende des Schlusskapitels lautet (S. 288), dass es im Stauferreich zwar ein Gesetz über die geldmäßige Ablösung von Kriegsdiensten mit dem zweiten Ronkalischen Lehnsgesetz von 1158 gegeben habe, aber keine lehnsrechtliche Praxis wahrnehmbar gewesen sei, während es in England kein Gesetz, aber eine rege Ablösungspraxis gegeben habe. Diese These ist zwar griffig, aber in dieser Allgemeinheit sehr zu bezweifeln, denn die wenigen Tatsachen, die der Verfasser dafür gebracht hat, genügen nicht, um eine so weitgehende Schlussfolgerung aufzustellen.
Die Arbeit schließt mit einem umfangreichen Quellen- und Literaturverzeichnis (S. 295-352) sowie einem einheitlichen Personen- und Sachindex (S. 353-392).
Die Stärken der fleißigen Studie von Fischer liegen vor allem darin, den aktuellen Forschungsstand zu den hochmittelalterlichen Rechts- und Finanzinstituten „Schildgeld“ und „Heersteuer“ in einer umfangreichen Zusammenschau auf breiter Basis zusammengetragen und als Ergebnis insgesamt, wenn auch für die Forschung ernüchternd, aufgezeigt zu haben, dass wir zu beiden Rechtsinstituten wegen lückenhafter oder überhaupt fehlender Quellenlage relativ wenig wissen, von der Heersteuer weniger als vom Schildgeld. Deshalb schließen Fischers Ergebnisfeststellungen zu einzelnen Aspekten nur allzu oft mit Vermutungen statt mit gesicherten Erkenntnissen ab. Ob damit in vielerlei Hinsicht das letzte Wort zu Schildgeld und insbesondere zur Heersteuer gesprochen worden ist –ich vermute nicht–, müssen zukünftige Forschungen zeigen. Besonders bedauerlich ist jedoch, dass Fischer Erkenntnisse der hoch- und spätmittelalterlichen Militärgeschichtsforschung so gut wie nicht berücksichtigt hat. Wäre das geschehen, würde der eine oder andere Aspekt möglicherweise in anderem Licht erscheinen. Insbesondere wäre diversen Fragen nachzugehen gewesen wie: Wie waren die Heere der englischen und staufischen Herrscher während der einzelnen Feldzüge des untersuchten Zeitraumes jeweils zusammengesetzt und in welchem Verhältnis stand das (grundsätzlich selbstfinanzierte) Lehnsaufgebot jeweils zu den von der Krone zu finanzierenden lehnsfremden Aufgeboten? Warum kämpften in manchen Feldzügen wenig oder überhaupt keine Lehnsritter? Wie verhielt es sich hier mit der Abgabepflicht von Schildgeld/Heersteuer? Wie und nach welchem Maßstab erfolgte deren Erhebung, wenn, wie im untersuchten Zeitraum in beiden Ländern üblich, nur ein Bruchteil des Lehnsaufgebotes zu den Waffen gerufen wurde? Erfolgte die Erhebung tatsächlich nur von den Vasallen, die vom Kriegsdienst infolge Ablösezahlung befreit waren bzw. die unterhalb des Gestellungssolls an Rittern blieben?[12] Oder wurde eine Gesamtsumme in Bezug auf die nicht aufgebotenen und die aufgebotenen, aber der Kriegsdienstbefreiung wegen Ablösezahlung unterliegenden Vasallen errechnet? Und nach welchem Maßstab wurde diese Summe dann auf die einzelnen Vasallen innerhalb dieser Gruppen verteilt?
Erfurt Roland Kleinhenz
[1] Die Begrifflichkeit für das Reich ist uneinheitlich, etwa Teutonicum regnum, regnum Francorum, regnum Germanicum wird es genannt. Ab 1157 erscheint in der Kanzlei Kaiser Friedrich I. der Name sacrum imperium. Ab der Mitte des 13. Jahrhunderts wird auf die Nachfolge des antiken römischen Reiches durch einen Zusatz hingewiesen: sacrum imperium Romanum, s. etwa Georg Schmidt, Art. Heiliges Römisches Reich, in Cordes, Albrecht u.a. (Hrsg.), Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, 2. Aufl., Bd. 2, Berlin 2012, Sp. 882-893.
[2] Das Parlament von 1265 von Simon de Montfort, 6th Earl of Leicester, der die Barone führte, wird als erstes Parlament Englands angesehen, dessen 750ste Wiederkehr in 2015 groß begangen werden wird, zusammen mit der 800jährigen Wiederkehr der Zustimmung König Johanns zur Magna Carta von 1215.
[3] In der berühmt gewordenen Schlacht von Crécy, am 26.VIII.1346, bestand etwa die Hälfte des englischen Aufgebots aus Langbogenschützen, s. etwa Andrew Ayton, The English Army at Crécy, in: Andrew Ayton/Philip Preston, The Battle of Crécy, 1346, Woodbridge 2005, S. 159ff.
[4] A History of War–The Middle Ages from the Fourth to the Fourteenth Century, London 1898, dort besonders S. 357ff., 369ff., 591ff., 597ff., 616ff.
[5] A History of the British Army, vol. I, London 1899, dort Ch. I-III.
[6] Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte, Bd. 3. Das Mittelalter, Neuausgabe des Nachdrucks von 1964, Berlin 2000, dort besonders S. 185ff, 261ff, 363ff, 383 ff, 424ff, 446ff, 518ff.
[7] Entwicklungsgeschichte des deutschen Heerwesens, Bd. 1. Das Heerwesen der germanischen Frühzeit, des Frankenreiches und des ritterlichen Zeitalters, München 1935.
[8] S. etwa den kurzen aber sehr guten Überblick von Michael Prestwich: The English Medieval Army to 1485, in: David Chandler und Ian Beckett (Hrsg.), The Oxford History of the British Army, Oxford und New York 2003, S. 1 ff. oder die Aufsatzsammlung von Maurice Keen (Hrsg.), Medieval Warfare, Oxford 1999; s. ferner als Übersicht zur mittelalterlichen Kriegs- und Heeresgeschichte die Bibliographie von Everett U. Crosby, Medieval warfare: a bibliographical guide, New York 2000.
[9] Feudal Military Service in England. A Study of the Constitutional and Military Powers of the Barones in Medieval England, Oxford 1956.
[10] Die englische Lehnskriegsverfassung des dreizehnten Jahrhunderts, in: Historische Zeitschrift, Bd. 183 (1957), S. 569-578.
[11] Der Verfasser hätte z.B. anhand der Schlacht von Cortenuova, 27./28.XI.1237, die mit einem glänzenden Sieg des kaiserlichen Heeres über den lombardischen Städtebund endete, untersuchen können, was es zu diesem Zeitpunkt mit der Heersteuer auf sich hatte. So befanden sich im Gefolge des Kaisers Friedrich II. nur etwa 2000 deutsche Ritter (nicht notwendig nur dem Lehnsaufgebot angehörige Reichsvasallen!), aber etwa 7000 sarazenische Bogenschützen, die nicht dem Lehnsaufgebot angehörten, s. Ernst Kantorowicz, Kaiser Friedrich der Zweite, 7. Aufl., Stuttgart 1994, S. 334; Wolfgang Stürner, Friedrich II., Teil 2, Darmstadt 2000, S. 334/335, unter Hinweis auf Hans Meier-Welcker, Das Militärwesen Kaiser Friedrichs II. Landesverteidigung, Heer und Flotte im sizilischen „Modellstaat“, in: Militärgeschichtliche Mitteilungen, Bd. 17 (1975), S. 9-48, hier S. 20-23. Hier hätte untersucht werden müssen, ob Vasallen, gleichgültig aus welchem Reichsteil, die nicht am Feldzug teilnahmen, Heersteuer als Ablöse für die Nichterfüllung der lehnsrechtlichen Dienstpflicht zu zahlen hatten. Darüber scheint nichts bekannt zu sein. Möglicherweise gab es diese Steuer zum damaligen Zeitpunkt, jedenfalls in Bezug auf den deutschen Reichsteil, schon nicht mehr oder sie war nicht mehr durchsetzbar (s. zur mangelnden Durchsetzbarkeit die knappen Ausführungen von Peter Thorau, Der Krieg und das Geld–Ritter und Söldner in den Heeren Kaiser Friedrichs II., in: Historische Zeitschrift, Bd. 268 (1999), S. 601; s. ferner noch Schlinker, Steffen, Art. Heerfahrt, HRG, 2. Aufl., Bd. 2, Sp. 855-858; Philipp Heck hat, soweit ersichtlich als Mindermeinung, in seiner vom Verfasser nicht erwähnten Schrift Übersetzungsprobleme im frühen Mittelalter, Tübingen 1931, S. 205ff., im Anschluss an die Untersuchung des friesischen Rechts sogar behauptet, es hätte eine Heersteuer nie gegeben; John Fortescue behauptet in seiner History of the British Army (o. Fn. 5), S. 14/15, ohne Nachweis, dass es gerade der Vorteil deutscher gegenüber englischen Lehnsrittern gewesen sei, dass jene von Steuern befreit gewesen seien, während letztere auch scutage hätten zahlen müssen.).
[12] So für England unter Heinrich II. wohl Charles Oman, a.a.O., S. 367, ohne weitere Begründung.