Finanzpolitik und Schuldenkrisen 16.-20. Jahrhundert, hg. v. Hedwig, Andreas (= Schriften des hessischen Staatsarchivs Marburg 28). Hessisches Staatsarchiv Marburg, Marburg 2014. XII, 358 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Finanzpolitik und Schuldenkrisen 16.-20. Jahrhundert, hg. v. Hedwig, Andreas (= Schriften des hessischen Staatsarchivs Marburg 28). Hessisches Staatsarchiv Marburg, Marburg 2014. XII, 358 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Mit der Erfindung des Geldes wie mit dem Übergang vom Sammeln und Jagen über Ackerbau und Viehzucht sowie Industrie zur Dienstleistung verstärkte sich die Abhängigkeit des Einzelnen von der ihn umgebenden Gesellschaft. Selbst in der zivilisiert und sicher scheinenden Gegenwart verlieren unvorsichtig erwerbende Eigentümer ihre Häuser, Banken ihr Kapital, Staaten ihre Glaubwürdigkeit, Energien ihren Wert und Einlagen ihre als selbverständlich erwarteten Zinsen. In dieser Lage ist ein geschichtlicher Rückblick über Finanzpolitik und Schuldenkrisen in der jüngeren Vergangenheit höchst willkommen.
Seinen Ausgangspunkt nahm das in diesem Zusammenhang entstandene, einer inhaltlichen Aufschließung durch ein Register entbehrende gewichtige Sammelwerk in der Konzeption einer Ausstellung, die von Oktober 2012 bis September 2013 unter dem Titel Finanzpolitik und Schuldenkrisen in Hessen – 16.-20. Jahrhundert im Foyer des Staatsarchivs Marburg gezeigt wurde. Ziel der Ausstellung war vor allem eine Unterrichtung der interessierten Öffentlichkeit über die Fülle des dazu vorhandenen Archivmaterials. Die dabei gewonnenen Einsichten führten zu einem zweitägigen Kolloquium, das von dem Staatsarchiv, dem Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte, dem hessischen Wirtschaftsarchiv und der historischen Kommission für Hessen im Staatsarchiv Marburg am 13. und 14. Juni 2013 durchgeführt werden konnte und dessen Ergebnisse der vorliegende Band der Öffentlichkeit zur Verfügung stellt.
In ihm folgen dem Versuch einer Annäherung an ein aktuelles Thema durch den Herausgeber insgesamt zehn Studien, die in drei Abteilungen über Rahmenbedingungen und Akteure frühneuzeitlicher Finanzpolitik, Geldverkehr und Zahlungsmittel sowie Finanzpolitik und Finanzkrisen im 19. und 20. Jahrhundert gegliedert sind und an die der Ausstellungskatalog auf den Seiten 241ff. bzw. 249ff. angeschlossen ist. Dabei beginnt Jochen Ebert mit den Domänengütern in Hessen-Kassel und Kurhessen, während andere Studien Bayern, die Habsburgermonarchie oder die Universität Marburg behandeln oder sich dem Zahlungsverkehr in Frankfurt am Main oder den Finanzstrategien in der deutschen Inflation der Jahre 1922/1924 widmen. Obwohl dann auch Sparsamkeit, Redlichkeit und Ordnung im Haushalt auffindbar sind, zeigt der internationale Vergleich doch, dass es in der Natur der Akteure an den Finanzmärkten liegt, Gewinnchancen stärker wahrzunehmen als Risiken, und muss die Verbindung der von den Vereinigten Staaten von Amerika ausgehenden Bankenkrise des Jahres 2008 mit der anschließenden Verschuldungskrise und Eurokrise als eine in dieser Form in Europa neue bedenkliche Konstellation eingestuft werden, gegen die der Einzelne sich kaum erfolgreich wehren wird können.
Innsbruck Gerhard Köbler