Der ‚Arme Konrad‘ vor Gericht. Verhöre, Sprüche und Lieder in Württemberg 1514. Begleitbuch und Katalog zur Ausstellung des Landesarchivs Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart, bearb. v. Rückert, Peter unter Mitarbeit von Heck, Andrea. Landesarchiv Baden-Württemberg, Stuttgart 2014. 284 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Der ‚Arme Konrad‘ vor Gericht. Verhöre, Sprüche und Lieder in Württemberg 1514. Begleitbuch und Katalog zur Ausstellung des Landesarchivs Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart, bearb. v. Rückert, Peter unter Mitarbeit von Heck, Andrea. Landesarchiv Baden-Württemberg, Stuttgart 2014. 284 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Am Anfang des Monats Mai des Jahres 1514 kam es nach von Unwettern und Missernten gekennzeichneten Jahren im Herzogtum Württemberg zu Unruhen unter Bauern. Auslöser waren Einschränkungen von Rechten und Erhöhungen von Abgaben in der Form der Verringerung der Maßgewichte durch den seit 1511 mit der Nichte Sabina von Bayern Kaiser Maximilians verheirateten Herzog Ulrich (1487-1550), dessen aufwendige Hofhaltung die Schulden des Landes so sehr vermehrt hatten, dass sich 1514 das Defizit auf 70 Prozent der Einnahmen belief. Hie statt der Arm Conratt schrie dabei beispielsweise Conrad Metzler aus Pfaffenhofen im Zabergau von der Brücke bei der Kirche, wer in den ‚armen Konrad‘ geloben wolle, solle zu ihm kommen und ihm folgen, und Gaispeter aus Beutelspach ließ neu eingeführte Gewichte vor aller Augen in der Rems untergehen.
Als die Bewegung sich wie ein Flächenbrand ausbreitete, bot der Herzog Verhandlungen an und berief für Ende Juni nach Stuttgart einen Landtag ein, auf dem auch Vertreter der Bauern ihre Beschwerden vorbringen sollten. Wenig später verlegte der später vom Herzog hingerichtete Tübinger Vogt Konrad Breuning – wegen der größeren Sicherheit – den hergebrachten Landtag nach Tübingen, während die Vertreter der Bauern in Stuttgart vergeblich auf den Herzog warteten. Der in Tübingen unter Vermittlung kaiserlicher Gesandter vereinbarte Vertrag von Tübingen vom 8. Juli 1514 sah eine Übernahme der Schulden des Herzogs gegen Sicherung bedeutsamer Mitspracherechte der Landschaft vor, legte aber in einem Artikel auch die Todesstrafe für Aufrührer oder Empörer fest, so dass in der Folge zahlreiche Bauern gefangen, verhört, gefoltert, gepeitscht, gebrandmarkt oder hingerichtet wurden, wodurch die Unruhen rasch zusammenbrachen.
Mit der zwischen der Massenwallfahrt zum Pfeifer von Niklashausen im Taubertal von 1476 und den Bauernkriegen von 1525 stehenden bäuerlichen Bewegung befasst sich eine Ausstellung des Landesarchivs Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart. Der zugehörige gewichtige Begleitband enthält nach einer Einführung des Herausgebers 15 einzelne, vielfach durch Abbildungen veranschaulichte Studien über Rechtsverständnis und Strafvollzug, Propaganda und Musik, Protagonisten und Gegner und den Aufstand in den Ämtern. Der zugehörige reich bebilderte Katalog gliedert sich nach einer Zeittafel über den Aufstand in sechs Abteilungen über Württemberg um 1500, Herzog Ulrich und seine ‚Ehrbarkeit‘, den armen Konrad in Aufruhr, den armen Konrad vor Gericht, den armen Konrad in der politischen Propaganda sowie die Nachwirkungen und Spuren, wobei eine beigegebene CD Sprüche und Musik im Aufstand nahebringt, so dass jeder Interessent durch Ausstellung und Katalog ein nachhaltiges Bild des Verhältnisses zwischen dem unter dem Namen Eitel Heinrich geborenen, 1498 mit elf Jahren auf Betreiben Maximilians I. in sein Amt eingesetzten, von 1519 bis 1534 vertriebenen Herzogs und seinen bäuerlichen Untertaten am Beginn der frühen Neuzeit gewinnen kann.
Innsbruck Gerhard Köbler