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Apfel, Alfred, Hinter den Kulissen der deutschen Justiz - Erinnerungen eines deutschen Rechtsanwalts 1882-1933, aus der französischen und der englischen Übersetzung rückübertragen von Gehlsen, Jan/Gehlsen, Ursula. BWV, Berlin 2013. 132 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

Apfel, Alfred, Hinter den Kulissen der deutschen Justiz - Erinnerungen eines deutschen Rechtsanwalts 1882-1933, aus der französischen und der englischen Übersetzung rückübertragen von Gehlsen, Jan/Gehlsen, Ursula. BWV, Berlin 2013. 132 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

An erster Stelle der ersten Liste, mit der am 22. August 1933 der Reichsminister des Inneren des Deutschen Reiches 33 (und bis zum 7. April 1945 insgesamt 39006) Menschen der deutschen Staatsangehörigkeit für verlustig und ihr Vermögen für beschlagnahmt erklärte, stand der am 12. März 1882 in Berlin als Sohn eines angesehenen jüdischen Gynäkologen geborene und nach dem Studium der Rechtswissenschaft in Berlin und Bonn sowie der erfolgreichen ersten und zweiten Staatsprüfung als Rechtsanwalt zugelassene Alfred Apfel. Summarisch begründet wurde dieser Verwaltungsakt damit, dass die Betroffenen durch ein Verhalten, das gegen die Pflicht zur Treue gegen Reich und Volk verstößt, die deutschen Belange geschädigt haben. Bereits in der Nacht des 27. auf den 28. Februar 1933, einige Stunden vor dem Reichstagsbrand, war Apfel von zwei Polizisten aus dem Bett geholt und wie Hunderte bekannter Intellektueller, Ärzte, Anwälte und linke Aktivisten aller Spielarten zum Polizeipräsidium gebracht worden, um ihn daran zu hindern, vor den Gerichten der neuen nationalsozialistischen Regierung, die sich noch nicht fest im Sattel fühlte, Schwierigkeiten zu machen.

 

Nach elf Tagen wurde er freigelassen, doch rieten ihm Freunde, ohne weiteres Zögern das Land zu verlassen, weil er Rache fürchten musste, die ihm die Berliner Sturmabteilung geschworen hatte, weil er sich als Zeuge für einen vom Balkon aus beobachteten Überfall von Nationalsozialisten auf Juden auf dem Kurfürstendamm im September 1931 gemeldet hatte. Am 1. April 1933 erlebte er den offiziellen Boykott-Tag gegen Juden mit. Da er an einem kurz darauf folgenden Tag den Hinweis bekam, dass sein Name auf der Liste geplanter Verhaftungen republikanischer Juristen stehe, und er keine Neigung hatte, „auf der Flucht“ erschossen zu werden oder in einem Konzentrationslager dahinzuvegetieren, verließ er Deutschland und verstarb, seiner Existenzgrundlage beraubt und in Vichy-Frankreich von Übersetzungen und Zuarbeiten für Rechtsanwälte lebend, in Marseille am 14. Februar 1941 an einem Herzinfarkt.

 

Seine bis dahin mit Hilfe geretteter Aufzeichnungen in deutscher Sprache verfassten autobiographischen Skizzen sind nur in französischer Übersetzung (Les dessous de la justice allemande 1934) und englischer Übertragung (Behind the Scenes of German Justice 1935) erhalten. Die Herausgeber haben sie umsichtig in das Deutsche zurückübertragen. Auf diese Weise ist jedermann ein eindrucksvoller Blick hinter die Kulissen der deutschen Justiz vor der Ausbürgerung möglich, der im ersten Teil Jugend, die Lage eines deutschen Juden in Frieden und Krieg sowie den Zusammenbruch des Deutschen Reiches unter Kaiser Wilhelm II. und im zweiten Teil in sieben Abschnitten politische Prozesse um Max Hoelz, heilige Feme und schwarze Reichswehr, Generäle und Richter (Carl von Ossietzky), ein Christusbild, Paragraph 218, den des Zuhältertums überführten toten Nationalhelden Horst Wessel und Adolf Hitler erfasst und fesselnd wirklichkeitsnah beleuchtet.

 

Innsbruck                                                        Gerhard Köbler