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Die Protokolle der Regierung des Volksstaates Württemberg. Erster Band Die Provisorische Regierung und das Kabinett Blos November 1918-Juni 1920, bearb. v. Baumann, Ansbert. Kohlhammer, Stuttgart 2013. CXVIII, 690 S. Besprochen von Werner Schubert.

Die Protokolle der Regierung des Volksstaates Württemberg. Erster Band Die Provisorische Regierung und das Kabinett Blos November 1918-Juni 1920, bearb. v. Baumann, Ansbert. Kohlhammer, Stuttgart 2013. CXVIII, 690 S. Besprochen von Werner Schubert.

 

Die vorliegende Edition bringt die Protokolle der provisorischen Regierung und des Kabinetts Blos für die Zeit vom November 1918 bis 23. 6. 1920. Der Volksstaat Württemberg – er war nach dem Gebietsumfang das zweitgrößte, nach der Bevölkerungszahl das drittgrößte Land der Weimarer Republik – entstand 1918, nachdem der württembergische König Wilhelm II. am 30. 11. 1918 abgedankt hatte. Eine provisorische Regierung bestand seit dem 9./11. 11. 1918 aus Mitgliedern der SPD, der USPD und der bürgerlichen Parteien. Ministerpräsident war Wilhelm Heinrich Blos, der am 23. 6. 1920 zurücktrat, nachdem sich die Landeskonferenz der SPD nach den Wahlverlusten gegen eine Regierungsbeteiligung ausgesprochen hatte (S. LXIII). Wahlen zu einer Verfassunggebenden Landesversammlung fanden am 12. 1. 1919 statt; von den 150 Sitzen erhielten die Mehrheit die Sozialisten, die DDP, die Nationalliberalen und das Zentrum die überwiegende Mehrheit der Sitze. Der Volksstaat bekam am 26. 4. 1919 eine Verfassung, die durch eine Neufassung vom 25. 9. 1919 an die Weimarer Verfassung angepasst wurde. Am 7. 3. 1919 wurde Blos zum Staatspräsidenten von der Verfassunggebenden Versammlung gewählt, so dass Württemberg ab diesem Zeitpunkt „faktisch eine parlamentarisch legitimierte Regierung“ besaß (S. XXXIV). Die Edition umfasst 156 Protokolle und die Mitteilung von zwei Beschlüssen der Regierung vom 16. 11. 1918. 17 Protokolle aus der Frühzeit des Kabinetts (November 1918/Januar 1919) sind leider nicht überliefert. Die Protokolle werden, grundsätzlich auch mit den Anhängen, vollständig wiedergegeben; jedoch erfolgt nur eine „flache Kommentierung“ (S. LXXXIII).

 

In der Einleitung (S. IX-LXXX) bringt Baumann u. a. Abschnitte über das Ende des Königreichs und die Bildung der provisorischen Regierung, die Konsolidierung der politischen Machtverhältnisse, die Schwerpunkte der Regierungsarbeit, die politische Entwicklung bis zum Rücktritt der Staatsregierung im Juni 1920 sowie über die Arbeitsweise der Regierung, ohne dass über den Geschäftsgang der Kabinettsberatungen Näheres mitgeteilt wird. Die Mitglieder der Regierungen werden biographisch ausführlich erfasst (S. LXI ff.), unter anderem der Staatspräsident Blos und die Justizminister Johannes von Kiene (Zentrum, S. LXXIII) und Eugen Anton Bolz (Zentrum; S. XCVI; Bolz war von Juni 1928 bis März 1933 letzter Staatspräsident Württembergs; am 21. 12. 1944 wurde er vom Volksgerichtshof wegen seiner Beteiligung am Widerstand zum Tode verurteilt). S. XCVI-CXVIII werden die Beratungsgegenstände im Verzeichnis der Protokolle ausführlich im Zusammenhang wiedergegeben. Wichtige Beratungsgegenstände waren die Versorgung, die Demobilisierung (Arbeitslosenfürsorge), der Verzicht auf die Reservatrechte, die Württemberg nach der Reichsverfassung besaß (Post, Eisenbahn, Militär, Biersteuer), und die Wiederherstellung und Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit. Ein Verfassungsentwurf wurde von einer Kommission (ab 17. 12. 1918) ausgearbeitet, der auf Wunsch der Regierung der Tübinger Rechtslehrer Wilhelm v. Blume angehörte und der von der Regierung auch zum Regierungskommissar bei den parlamentarischen Beratungen der Verfassung entsandt wurde (S. XXIXff.). Wie weit die Regierung sich mit dem Verfassungsentwurf der Kommission befasst hat, lässt sich nicht mehr feststellen, da die Kabinettsprotokolle von Mitte bis Ende Januar 1919 nicht überliefert sind. In der Folgezeit beschäftigte sich das Kabinett nur noch am Rande mit der Verfassung (S. 131, 145, 186, 343f.). Mehrfach kamen im Kabinett auch Fragen der Reichsverfassung zur Sprache (S. 25, 90, 127, 280). Von rechtshistorischem Interesse sind ferner die Landtagswahlgesetze (S. 26, 377, 575; aktives Wahlrecht ab Vollendung des 20. Lebensjahres), die im August 1920 aufgehobene Militärgerichtsbarkeit (S. 513), die Pläne zur Aufhebung der Fideikommisse (S. 18, 68, 110, 428, 571), das Gesetz über das Verfahren vor dem Staatsgerichtshof (S. 597f.), die Schulgesetzgebung (S. 480, 488ff., 524), das Gesetz über die Berufsvormundschaft (S. 300, 303) sowie der Entwurf zu einem Gesetz über das Vorkaufsrecht des Staates und der Gemeinden an unbebauten Grundstücken (S. 196, 242, 297f.) und die Pläne zur Sozialisierung (S. 76, 98, 104). Das Werk wird abgeschlossen mit einem Personen-, Orts- und Sachregister (S. 641ff.). Das Sachverzeichnis hätte noch detaillierter sein sollen (soweit ersichtlich fehlen Nachweise für die Beratungen des Fideikommissrechts und für das erwähnte Vorkaufsrecht). Auch wenn die nur knappe Kommentierung der Protokolle in den Anmerkungen zu den Editionsgrundsätzen gehört und eine Erschließung von Archivbeständen nicht beabsichtigt war (vgl. Schindling im Vorwort, S. VIII), sollte für die folgenden Bände überlegt werden, ob man nicht für die wichtigsten Gesetzesprojekte dem Benutzer der Edition etwas detailliertere Informationen insbesondere über die Inhalte der Vorlagen an die Hand geben sollte, sofern die Protokolle hierüber nichts enthalten. An Hand der bereits in Angriff genommenen Edition der Protokolle der Regierung der Republik Baden (Bd. 1 ist bereits erschienen) und der Veröffentlichung der Regierungsprotokolle des Volksstaats Württemberg lassen sich „Entwicklungen und Verhältnisse der Weimarer Zeit in zwei mittelgroßen deutschen Ländern“ verdeutlichen und „damit die Verhältnisse in Deutschland jenseits der Metropole Berlin und der Reichsebene besser erfahrbar“ machen (Umschlagstext). Die weiteren Bände der Regierungsprotokolle für Baden und Württemberg sollen, wie der Vorsitzende der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg im Vorwort mitteilt, „in möglichst rascher Folge erscheinen“ (S. VII).

 

Kiel

Werner Schubert