Schumacher, Martin, Von Max Alsberg bis Ludwig Töpfer. Bücher und Bibliotheken jüdischer Rechtsanwälte nach 1933 - Verluste, Fundstücke und ein Erbe aus „Reichsbesitz“. Schmidt, Neustadt an der Aisch 2012. 240 S., 21 Abb. Besprochen von Ulrich-Dieter Oppitz.
Schumacher, Martin, Von Max Alsberg bis Ludwig Töpfer. Bücher und Bibliotheken jüdischer Rechtsanwälte nach 1933 - Verluste, Fundstücke und ein Erbe aus „Reichsbesitz“. Schmidt, Neustadt an der Aisch 2012. 240 S., 21 Abb. Besprochen von Ulrich-Dieter Oppitz.
Dr. Martin Schumacher, bis 2007 Generalsekretär der Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, legt eine Studie über einen bibliothekarischen Zufallsfund vor: In einem Zeitschriftenband fand er 2009 ein Ex-libris der „Bibliothek Prof. Dr. Max Alsberg“. Dies nahm er zum Anlass, dem Schicksal der Bibliothek des bedeutenden Strafverteidigers aus Berlin nachzugehen, der 1933 in der Schweiz ‚auf der Flucht vor dem Geist des Dritten Reichs’ Suizid beging. Alsberg hatte für seine Bibliothek 1931 einen Anbau an sein Wohnhaus errichten lassen, so dass man sich eine Vorstellung von Größe und Umfang der Bibliothek machen kann. Der Verfasser ging zahlreichen Spuren nach, die zu der Bibliothek hätten führen können, doch gelang es ihm nicht, einen größeren Bestand der Bibliothek zu finden.
Dieses Erlebnis war ihm Anlass, Spuren der Bibliotheken anderer jüdischer Juristen, besonders aus Berlin, nachzugehen. Detailverliebt schildert der Verfasser seine Suchwege und Suchergebnisse. Gerade die Entschädigungsakten im Berliner Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten zog er für seine Untersuchungen heran. Als Ergebnis seiner Suche stellt er resignierend fest, dass Spuren von Juristenbibliotheken kaum erhalten sind.
Zu wenig geht er auf die Gründe ein, die zu diesem spurlosen Verschwinden geführt haben können: Soweit Zeitschriften, Gesetzessammlungen und Entscheidungssammlungen aus diesen Büchersammlungen an die verwertenden Finanzbehörden kamen, wurden diese wohl Staatsbehörden und Parteibehörden übergeben, die gerade in Berlin zahlreiche Bombenschäden erlitten, so dass die Bücher verbrannten. Kommentare und Monographien waren in vielen Fällen durch neuere Gesetze entwertet, so dass sie selten Interessenten fanden. Bedenkt man, mit welchem Eifer bei den Bücherverbrennungen des Jahres 1933 die Teilnehmer, vielfach Akademiker, die Scheiterhaufen gefüllt haben, wird man kaum von diesen Personen erwarten, dass sie mit Büchersammlungen aus aufgelösten Haushalten oder Kanzleien sorgsam umgingen.
Bücher aus dem Besitze der Erforscherin der Sachsenspiegelglossen, Dr. Erica Sinauer, die nach einem Lageraufenthalt in Gurs/Südfrankreich 1942 in Auschwitz ermordet wurde, kamen an die Bibliothek der Universität Freiburg (S. 80f.). Interessant wäre heute eine Nachsuche in Freiburg, ob dort noch jetzt Bücher aus dieser Bibliothek vorhanden sind.
Das Kapitel im Anhang ‚Jüdische Rechtsanwälte als Bibliophilen und Sammler’ (S. 185-200) zeigt wie zahlreich Vertreibungsopfer in Vereinen der Buchliebhaber engagiert waren. Bedenkt man, dass wohl jeder der in der Liste genannten Sammler eine qualitätvolle Büchersammlung besaß, so muss man sich fragen, wer diese Menge von guten Büchern hätte bewahren sollen und wollen.
Dem Wiener Rechtsanwalt Dr. Ludwig Töpfer/Toepfer war es gelungen, seine kostbare Büchersammlung 1939 über Paris nach Luzern zu bringen. Ausführlich schildert der Verfasser die Bemühungen, diese Sammlung für das geplante „Führer-Museum“ in Linz für das Deutsche Reich zu erwerben. Nicht klar wurde, ob der schließlich vereinbarte Kaufpreis bezahlt worden ist. Diese Sammlung ist heute auf namhafte Bibliotheken in Frankfurt am Main, Marbach und Wolfenbüttel verteilt. Die Erwerbsgeschichte ist überaus lesenswert geschildert und sagt vieles aus über die Behandlung von „Raubgut“ bei Trägern von Kultureinrichtungen in Deutschland. Die Geschichte dieser Sammlung ist, ebenso wie die der Bibliothek Dr. Max Alsberg, an zahlreichen Stellen jeweils hinsichtlich einzelner Aspekte dargestellt worden. Eine redaktionelle Straffung des Textes, der ein umfänglicher Zeitschriftenartikel hätte werden können, durch einen erfahrenen Lektor ist leider nicht zu erkennen. Das ausführliche Literaturverzeichnis ist ebenso zu loben wie das erkennbar sorgfältig gearbeitete Personenregister.
Neu-Ulm Ulrich-Dieter Oppitz