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Klose, Bernhard, Das Verblassen eines Makels. Das Nichtehelichenrecht der DDR als Teil der gesamtdeutschen Entwicklung (= Rechtshistorische Reihe 443). Peter Lang Edition, Frankfurt am Main 2013. 310 S. Besprochen von Werner Schubert.

Klose, Bernhard, Das Verblassen eines Makels. Das Nichtehelichenrecht der DDR als Teil der gesamtdeutschen Entwicklung (= Rechtshistorische Reihe 443). Peter Lang Edition, Frankfurt am Main 2013. 310 S. Besprochen von Werner Schubert.

 

Mit dem Werk Kloses liegt erstmals eine vergleichende Darstellung der Entwicklung des Nichtehelichenrechts der Deutschen Demokratischen Republik vor. In diesem Zusammenhang wird das Nichtehelichenrecht der alten Bundesrepublik insoweit dargestellt, „wie es für die Bewertung der getrennten Entwicklung in beiden Teilen Deutschlands erforderlich ist“ (S. 21). Zunächst gibt Klose einen Überblick über das Nichtehelichenrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs bis zur deutschen Teilung (S. 25-50), wobei im Einzelnen die Reformüberlegungen der Weimarer Zeit und der NS-Zeit nur knapp dargestellt werden. Der Entwurf eines Gesetzes über die unehelichen Kinder und die Annahme an Kindes Statt von 1925/1928 wurde im Reichsrat abschließend, im Rechtspflegeausschuss des Reichstags nur noch teilweise beraten. Eine etwas ausführlichere Berücksichtigung der Beratungen des Familienrechtsausschusses der Akademie für Deutsches Recht über das Nichtehelichenrecht (vgl. W. Schubert, Akademie für Deutsches Recht. Familienrechtsausschuss, 1989) und über den Entwurf des Reichsjustizministeriums zu einem 2. Familienrechtsänderungsgesetz von 1938/1940, der das Nichtehelichenrecht enthielt, wäre erwünscht gewesen. Ausführlich geht Klose dann auf die Entwicklung des westdeutschen Nichtehelichenrechts ein, beginnend mit dem Verfassungsauftrag des Art. 6 Abs. 5 GG sowie den Vorschlägen der Literatur und der Rechtspraxis (S. 51-68). S. 68-84 wird der Inhalt des Nichtehelichengesetzes von 1969 dargestellt, das als Kompromisslösung nur die Mindesterfordernisse der verfassungsrechtlich gebotenen Reform verwirklichte.

 

Ebenfalls nicht gradlinig verlief die Entwicklung des Nichtehelichenrechts in der Deutschen Demokratischen Republik. Allerdings standen der Mutter eines nichtehelichen Kindes seit dem Gesetz vom 27. 9. 1950 über den Mutter- und Kinderschutz und die Rechte der Frau die „vollen elterlichen Rechte zu, die nicht durch die Einsetzung eines Vormunds für das Kind geschmälert werden dürfen“ (§ 17 des genannten Gesetzes, S. 100). Der Unterhalt, den die Mutter für das nichteheliche Kind zu beanspruchen hatte, sollte sich „nach der wirtschaftlichen Lage beider Eltern richten“. Bereits 1959 hatte noch in ihrer Funktion als Direktorin der Deutschen Justizverwaltung der sowjetischen Besatzungszone Hilde Benjamin Vorschläge zur Reform des Nichtehelichenrechts veröffentlicht, die auf eine Ausarbeitung der Rechtskommission des zentralen Frauenausschusses von 1956 zurückgingen. Die Vorschläge sahen eine Amtspflegschaft des Jugendamts, die Beseitigung der Mehrverkehrseinrede sowie eine Pflichtteilsberechtigung des nichtehelichen Kindes nach dem Tod des Vaters vor. Die 1951 veröffentlichten „Rechtsgrundsätze für die Behandlung von Familienstreitigkeiten“ in Auslegung der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik und des genannten Gesetzes von 1950 behandeln die Reformfragen nur knapp (S. 105f.). Eine durchgreifende Reform des Nichtehelichenrechts durch ein Familiengesetzbuch scheiterte zunächst 1954/1955 aus bisher nicht „überzeugend“ geklärten Gründen (S. 133) und kam erst durch das Familiengesetzbuch von 1965 zustande, dessen Erlass eine eingehende öffentliche Diskussion voranging und das 1975 in das Zivilgesetzbuch eingearbeitet wurde.

 

Bis 1965 nahm die Judikatur die tragende Rolle wahr, das Nichtehelichenrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend den gesetzlichen Vorgaben und der Verfassung weiterzuentwickeln (S. 108ff., 149ff.). Jedoch blieben erhebliche Defizite bei der Gleichstellung der nichtehelichen Kinder bestehen; so wurde dem nichtehelichen Kind weiterhin gegenüber seinem Vater eine Erbberechtigung nicht zugestanden. Auch das Familiengesetzbuch von 1965 brachte dem nichtehelichen Kind noch kein volles Erbrecht nach seinem Vater. Erbberechtigt war es nur, solange es minderjährig oder unterhaltsbedürftig war (S. 177f.; volles Erbrecht erst nach dem Zivilgesetzbuch von 1975). Die Mehrverkehrseinrede wurde, obwohl sie nicht abgeschafft wurde, „praktisch beseitigt“ (S. 180f.). Dem nichtehelichen Vater standen weiterhin keine elterlichen Rechte zu; erst durch ein nur drei Tage gültiges Gesetz (1.-3. 10. 1990) war die Möglichkeit vorgesehen, dem Vater auf Antrag beider Eltern ein gemeinsames Erziehungsrecht zu übertragen (S. 176f.). Insgesamt standen die nichtehelichen Kinder nicht „im Zentrum der familienrechtlichen Diskussion“, da sie nicht dem gewünschten Familienmodell der Deutschen Demokratischen Republik entsprachen. Die klassische Familie war nach Klose „von ersichtlich so hoher Bedeutung für die Gesellschaft, dass ihre Festigung oberste Priorität hatte“ (S. 186). Die Ehe sei die Grundlage der Familie geblieben, andere Familienformen seien unerwünscht gewesen. Abgesehen von dem Bestehenbleiben der Erbberechtigung des nichtehelichen Kindes nach dem Vater wurde mit der Wiedervereinigung das Nichtehelichenrecht der alten Bundesrepublik im Wesentlichen übernommen (vgl. Art. 234 EGBGB), so dass verschiedentlich von einer Zurückschraubung des Familienrechts „auf ein niedrigeres, historisch bereits überholtes Niveau“ gesprochen wurde (S. 257). Erst die Reform des Kindschaftsrechts von 1998 und ihre Ergänzung brachten die Rechtsgleichheit für das Gesamtgebiet der neuen Bundesrepublik. Das Werk wird abgeschlossen mit einer Zusammenfassung der Entwicklung in der „alten“ Bundesrepublik (S. 250ff.) und der Entwicklung in der Deutschen Demokratischen Republik (S. 254ff.) sowie mit einer vergleichenden Betrachtung (S. 257ff.). S. 263ff. gibt Klose den Nichtehelichenrechtsentwurf der Reichsregierung in der Fassung der Reichstagsvorlage von 1929 wieder (S. 263ff.; in der Überschrift als „Gesetzentwurf 1923“ bezeichnet; § 1705 des Entwurfs wurde weggelassen). S. 275ff. folgt der im „Deutschen Recht“ veröffentlichte Nichtehelichenrechtsentwurf von 1934 aus der Reichsleitung der NSDAP. Entwurfstexte zum Familiengesetzbuch werden im Verlauf der Darstellung weitgehend in den Fußnoten mitgeteilt. Zur Darstellung der Gesetzgebungsgeschichte der Deutschen Demokratischen Republik hat Klose auf „Archivalien des Bundesarchivs Berlin zugänglichen Bestands des Ministeriums der Justiz der DDR/Verwaltungsarchiv“ zurückgegriffen (S. 22). Insgesamt hätte vielleicht die Praxis des Nichtehelichenrechts in der Deutschen Demokratischen Republik etwas übersichtlicher und kompakter dargestellt werden sollen (vgl. S. 108ff., 149ff., 165ff.). Eine Kennzeichnung der familienrechtlichen Literatur der Deutschen Demokratischen Republik zum Nichtehelichenrecht wäre aufschlussreich gewesen. Insgesamt liegt mit dem Werk Kloses eine wichtige Untersuchung über die Entwicklung des deutschen Nichtehelichenrechts im 20. Jahrhundert unter umfassender Einbeziehung des Rechts der Deutschen Demokratischen Republik vor, eine Darstellung, auf der eine noch immer nicht vorliegende umfassende Geschichte des deutschen Familienrechts seit dem Ende des 19. Jahrhunderts aufbauen kann.

 

Kiel

Werner Schubert