6361 | Servus (lat. M.) ist im römischen Recht der →Sklave. Er ist aus dem (römischen) Recht ausgeschlossen. S. wird man durch Geburt, Kriegsgefangenschaft und Veräußerung ins Ausland. Der s. untersteht der Hausgewalt seines Herrn und wird im klassischen römischen Recht meist wie eine (körperliche) Sache (res corporalis) behandelt. Sein Herr kann ihm aber ein Sondergut (lat. N. →peculium) einräumen, mit dem er zwar nicht rechtlich, wohl aber tatsächlich wirtschaften kann. Frei wird der s. durch Freilassung. In den lateinischen Quellen des Frühmittelalters ist s. der →Unfreie. Lit.: Kaser § 15; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 21, 35; Köbler, LAW; Die Grundherrschaft im frühen Mittelalter, hg. v. Verhulst, A., 1985 |
6362 | sessio (lat. F.) Sitzung, Sitzen, Besitzergreifung |
6363 | Setzung →Rechtssetzung, Gesetz |
6364 | Seuche ist die eine größere Zahl von Menschen erfassende übertragbare Krankheit. Gegen die S. richten sich schon im Frühmittelalter einzelne Rechtsvorschriften. Seit der frühen Neuzeit ergehen umfassende Seuchenordnungen bzw. Seuchengesetze. Lit.: Hecker, J., Die großen Volkskrankheiten des Mittelalters, 1865; Deichert, H., Geschichte des Me-dizinalwesens, 1908; Lesky, E., Österreichisches Gesundheitswesen, 1959; Fischer, A., Geschichte des deutschen Gesundheitswesens, Bd. 1f. 1933, Neudruck 1965; Winkle, S., Geißeln der Menschheit, 1997; Vasold, M., Grippe, Pest uhd Cholera, 2008 |
6365 | Sevilla am Guadalquivir wird als iberisches Hispalis 45 v. Chr. von Caesar zur (lat. F.) colonia erhoben (Colonia Iulia Romula). Über Vandalen, Sweben und Westgoten kommt es 712 an die Araber. 1248 wird es vom König von Kastilien und Leon erobert. 1502 erhält es eine Universität. Lit.: Ladera Quesada, M., Historia de Sevilla, 1988 |
6366 | Sexualdelikt →Sittlichkeitsverbrechen Lit.: Balthasar, S., Die Tatbestände der Vergewaltigung und sexuellen Nötigung, 2001; Beck, B., Wehrmacht und sexuelle Gewalt, 2004; Lehmann, P., La répression des délits sexuels dans les Etats savoyards, 2006; Brüggemann, J., Entwicklung und Wandel des Sexualstrafrechts in der Geschichte unseres StGB, 2012 |
6367 | Sexualität (F.) Geschlechtlichkeit Lit.: Payer, P., Sex and the Penitentials, 1984; Brundage, J., Law, Sex and Christian Society, 1987; Breit, S., Leichtfertigkeit und ländliche Gesellschaft, 1991; Maiwald, S./Mischler, G., Sexualität unter dem Hakenkreuz, 1999; Lutterbach, H., Sexualität im Mittelalter, 1997; Burghartz, S., Zeiten der Reinheit – Orte der Unzucht, 1999; Taeger, A., Intime Machtverhältnisse. Moralstrafrecht und administrative Kontrolle der Sexualität im ausgehenden Ancien Régime, 1999; Schnell, R., Sexualität und Emotionalität in der vormodernen Ehe, 2002; Karras, R., Sexualität im Mittelalter, 2006; Clarke, J., Ars Erotica. Sexualität und ihre Bilder im antiken Rom, 2009; Podlech, A., Sex, Erotik, Liebe, 2007; Wheeler, L., How Sex Becam a Civil Liberty, 2012 |
6368 | Seyler Raphael Lit.: Roth, W., Raphael Seyler (1535-1573), ZRG GA 21 (1900), 218 |
6369 | Sheffield wird im →Domesday Book (1086) erstmals erwähnt. 1297 erhält es Stadtrecht. 1905 wird eine Universität eingerichtet. Lit.: Hunter, J., Hallamshire, 1869 |
6370 | sheriff (M.) (um 1000) königlicher Verwalter, Graf Lit.: Morris, W., The Medieval English sheriff, 1927; Gorski, R., The Fourteenth-Century Sheriff, 2003 |
6371 | Sichard, Johannes (Tauberbischofsheim 1499-Tübingen 1552), Gastwirtssohn, wird nach dem Studium der freien Künste in Ingolstadt Lehrer in München und 1521 in Freiburg im Breisgau sowie 1524 ordentlicher Professor des Rechtes in Basel. Er veröffentlicht 24 Bände mit 113 meist unbekannten teilweise auch juristischen Texten (z. B. 1528 →Lex Romana Visigothorum, 1530 →Lex Alamannorum, →Lex Baiuvariorum und →Lex Francorum). Nach einer fünfjährigen Unterbrechung wird er 1535 Professor in Tübingen, wo er das italienische gelehrte Recht in praktischer Anwendung weitergibt. Lit.: Köbler, DRG 143; Kisch, G., Johannes Sichardus, 1952; Winterberg, H., Die Schüler von Ulrich Zasius, 1961; Burmeister, K., Das Studium der Rechte, 1974 |
6372 | Sicherheit ist Freiheit von Gefährdungen. Die S. ist in der frühen Neuzeit Aufgabe der →Polizei. 1882 beschränkt das sog. →Kreuz-bergurteil des preußischen Oberverwaltungsgerichts die Polizei auf den Schutz von Sicherheit und Ordnung. Im Nationalsozialismus (1933-1945) wird die S. teilweise missbraucht (z. B. Schutzhaft). Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 198; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 5 1984, 831; Göring, H., Die Rechtssicherheit als Grundlage der Volksgemeinschaft, 1935; Ogris, W., Die persönlichen Sicherheiten im Spätmittelalter, ZRG GA 82 (1965), 140; Siemann, W., Deutschlands Ruhe, Sicherheit und Ordnung, 1980; Metz, K., Industrialisierung und soziale Sicherheit, 1988; Repräsentation von Kriminalität und öffentlicher Sicherheit, hg. v. Härter, K. u. a. 2009; Scheiper, S., Innere Sicherheit, 2010; Sicherheit in der frühen Neuzeit, hg. v. Kampmann, C. u. a., 2013 |
6373 | Sicherheitsleistung (1756, lat. F. cautio) ist die in bestimmten Fällen zur Sicherung eines bestimmten Verhaltens zu erbringende Leistung. Die S. steht in einem gewissen Zusammenhang mit privatrechtlichen Sicherungen (z. B. Pfand, Einlager, Geisel, Arrest, Schuldhaft, Versicherung). Als allgemeinere Rechtseinrichtung entwickelt sie die frühe Neuzeit. Lit.: Bethmann Hollweg, M. v., Der germanisch-romanische Zivilprozess, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010 |
6374 | Sicherungsverwahrung →Maßregeln der Sicherung und Besserung Lit.: Schewe, J., Die Geschichte der Sicherungsverwahrung, Diss. jur. Kiel 1999 |
6375 | Sicherungsübereignung ist die zur Sicherung des Erwerbers vorgenommene Übertragung des Eigentums an einer beweglichen Sache an diesen. Sie ist bereits dem altrömischen Recht als (lat. F.) fiducia bekannt, wobei die Sache nach Erreichung des Sicherungszweckes zurückzuübereignen ist. Im 19. Jh. wird die S. nicht in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) aufgenommen, aber auch zwecks Ermöglichung der Befriedigung der Kredit-bedürfnisse der kleinen Leute bewusst nicht ausgeschlossen. Sie setzt sich bei wertvolleren Sachen im 20. Jh. gegenüber dem Faustpfand weitgehend durch, weil sie den Besitz beim Schuldner belässt, so dass dieser die Sache trotz S. nutzen kann. In Österreich ist die Bedeutung gering, weil der oberste Gerichtshof seit 1918 für die Bestellung dieselbe Publizität fordert wie für die Pfandrechtsbestellung. Lit.: Kaser § 31 I 2; Söllner § 9; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 26, 41, 213, 240, 269; Schubert, W., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966; Hromadka, W., Die Entwicklung des Faustpfandprinzips, 1971; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Luig, K., Richter secundum, praeter oder contra legem?, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 383; Drexler, M., Die Anerkennung der Sicherungsübereignung im 19. Jahrhundert und ihr Einfluss auf aktuelle Probleme, Diss. jur. Düsseldorf, 2002 |
6376 | Siebenbürgen im Karpatenbogen kommt über Römer, Ostgoten und Petschenegen im 9. Jh. an die →Ungarn. Im 12. Jh. ruft der ungarische König deutsche Siedler (→Sachsen) ins Land, die mit umfassenden Freiheiten ausgestattet werden (erste Erwähnung der selbständigen Propstei der deutschen Siedler in Hermannstadt 1191). Seit 1481 gilt die 1453 in Nürnberg oder Wien entstandene, von dem Richter Thomas Altenberger in Hermannstadt eingeführte Handschrift des Schwabenspiegels, Magdeburger und Iglauer Rechtes als bedeutendste Rechtsquelle der sächsischen Gemeinschaft aus S. Nach 1517 dringt die Reformation ein. Seit 1526 ist der Fürst von S. zwischen Habsburg und den Türken nahezu unabhängig. 1583 gewährt er ein bis 1867 gültiges Landrecht. 1691 kommt S. an →Habsburg (1765 Großfürstentum, 1848 Kronland). 1867 wird S. an Ungarn angegliedert. Am 8. 1. 1919 schließt es sich →Rumänien an. Unter der Herrschaft des Sozialismus in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s wird das siebenbürgische Deutschtum weitgehend beseitigt. Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Herrmann, G. v., Das alte Kronstadt, 1802, Neudruck 2009; Urkundenbuch zur Geschichte der Deutschen in Siebenbürgen, hg. v. Zimmermann, F. u. a., 1892ff., Neudruck 2007; Müller, G., Die ursprüngliche Rechtslage der Rumänen im Siebenbürger Sachsenlande, 1912; Müller, G., Siebenbürgens Stühle, Distrikte und Komitate vor dem Jahre 1848, 1914, Neuauflage 1922; Müller, G., Die Türkenherrschaft in Siebenbürgen, 1922; Müller, G., Die sächsische Nationsuniversität in Siebenbürgen, 1928; Müller, G., Die Gräven des Siebenbürgener Sachsenlandes, Archiv des Vereins für siebenbürgische Landeskunde 6 (1931); Meyer, G., Ist das Andreanum vom Jahre 1224 eine Fälschung? 1935; Müller, G., Stühle und Distrikte als Unterteilungen der siebenbürgisch-deutschen Nationsuniversität 1141-1876, 1941; Das Eigen-Landrecht der Siebenbürger Sachsen von 1583, hg. v. Laufs, A., 1973; Quellen zur Geschichte der Siebenbürger Sachsen 1191-1975, gesammelt v. Wagner, E., 1976; Philippi, M., Die Bürger von Kronstadt, 1986; Horedt, K., Das frühmittelalterliche Siebenbürgen, 1988; Codicele Altenberger, hg. v. Constantinescu, R., 1988; Köpeczi, B., Kurze Geschichte Siebenbürgens, 1990; Gündisch, K., Das Patriziat siebenbürgischer Städte im Mittelalter, 1993; Arens, M., Habsburg und Siebenbürgen 1600-1605, 2001; Roth, H., Kleine Geschichte Siebenbürgens, 2. A. 2003, 3. A. 2007, 4. A. 2012; Mitu, S., Die ethnische Identität der Siebenbürger Rumänen, 2003; Volkmer, G., Die siebenbürgische Frage, 2004; Roth, H., Hermannstadt, 2006; Siebenbürgisch-sächsisches Wörterbuch, Bd. 9 2006; Moldt, D., Deutsche Stadtrechte im mittelalterlichen Siebenbürgen, 2008; Die evangelichen Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts, Bd. 24 Das Fürstentum Siebenbürgen, bearb. v. Armgart, M., 2012; Generalprobe Burzenland, hg. v. Gündisch, K., 2013 |
6377 | Siebenhardenbeliebung ist die von 1426 stammende nordfriesische Rechtsquelle, die 1572 durch das von Herzog Johann erlassene Nordstrander Landrecht die formelle Geltung verloren hat. Lit.: Pappenheim, M., Die Siebenhardenbeliebung, 1926; Carstens, W., Zur Entstehungsgeschichte der nordfriesischen Siebenhardenbeliebung, Zeitschrift der Gesellschaft für schleswig-holsteinische Geschichte 65, 368; Hartz, O., Die Rechtssätze der Siebenhardenbeliebung von 1426, ZRG GA 60 (1940), 300; Carstens, W., Die Siebenhardenbeliebung, ZRG GA 62 (1942), 358; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 141 |
6378 | Siedlung ist die menschliche Niederlassung von gewissem Umfang und gewisser Dauer. Sie beginnt mit der esshaftwerdung des Menschen (Weiler, Dorf, Stadt). Bis zum Ende des 2. Jt. n. Chr. erreichen einzelne Siedlungen (Metropolregionen) eine Einwohnerzahl von bis zu 35 Millionen Bewohner (Tokio, Seoul, Mexiko, New York, Mumbai, Sao Paulo, Manila, Jakarta, Delhi, Kairo, Istanbul, Schanghai, Kansai, Kolkata, Moskau, Buenos Aires, Los Angeles, Dhaka, London, Lagos u. s. w.). Lit.: Kirbis, W., Siedlungs- und Flurformen germanischer Länder, 1952; Fischer, H., Die Siedlungsverlegung, 1952; Timm, A., Studien zur Siedlungs- und Agrargeschichte Mitteldeutschlands, 1956; Borsdorf, A. u. a., Allgemeine Siedlungsgeographie, 2010 |
6379 | Siegel ist ein eine Person verkörperndes, durch Abdruck in einem weicheren Stoff wirkendes Zeichen zur Kennzeichnung eines Schriftstücks. Das S. ist seit den ersten Hochkulturen bekannt. Bereits im 8. Jh. v. Chr. wird es als Stempel verwendet. Seit dem Frühmittelalter wird in der →Königsurkunde, mit der vor allem Einzelrechte verliehen werden, die Unter-schrift durch das S. ersetzt und werden Zeugen aufgenommen. Im zweiten Viertel des 12. Jh.s erscheint in Schwaben auch die Siegelurkunde anderer Aussteller. Seit Ende des 12. Jh.s wird selbst bei Privaturkunden das S. (siegelfähiger Personen) üblich. Die älteste Form ist der schon im Altertum nachweisbare Siegelring. Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 105; Posse, O., Die Siegel des Adels der Wettiner Lande, 1908ff.; Ewald, W., Siegelkunde, 1914; Die Siegel der Markgrafen von Brandenburg aus dem Hause Wittelsbach 1323-1373, bearb. v. Bier, H., 1933; Goerlitz, T., Die Magdeburger Schöffensiegel, ZRG GA 63 (1943), 327; Blaschke, K., Siegel und Wappen in Sachsen, 1960; Frenz, T., Papsturkunden, 1986; Dalas, M., Corpus des sceaux, Bd. 2 1991; Weiß, P., Frühe Siegelurkunden in Schwaben, 1997; Steiner, R., Die Entwicklung der bayerischen Bischofssiegel, 1998; Stieldorf, A., Rheinische Frauensiegel, 1999; Stieldorf, A., Siegelkunde, 2004; Hattenhauer, H., Sigillum facultatis juridicae, 2005; Siegel und Siegler, hg. v. Ludwig, C., 2005;;Marnetté-Kühl, B., Mittelalterliche Siegel der Urkundenfonds Marienberg und Mariental, 2006; Das Siegel, hg. v. Signori, G., 2007; Die Bildlichkeit korporativer Siegel, hg. v. Späth, M., 2009; Zehetmayr, R., Urkunde und Adel, 2010; Diederich, T., Siegelkunde, 2012 |
6380 | Siegel, Heinrich (Ladenburg/Baden 13. 4. 1830-Wien 4. 6. 1899), Generalstabsarztssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg, Bonn und Gießen sowie der Promotion (1852) und Habilitation (1853) in Gießen 1858 Professor in Wien. Er begründet die Sammlung österreichischer Weistümer und erkennt das einseitige Versprechen als Verpflichtungsgrund. Monographien behandeln Erbrecht und Gerichtsverfahren. Lit.: Luschin von Ebengreuth, A., Heinrich Siegel, ZRG GA 20 (1899), VII; Wretschko, A. v., Heinrich Siegel, 1900; Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978 |