Handbuch der hessischen Geschichte, Band 1 Bevölkerung, Wirtschaft und Staat in Hessen 1806-1945, hg. v. Speitkamp, Winfried (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen 63). Historische Kommission für Hessen, Marburg 2010. XVI, 386 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Wie Einzelne, so bedürfen auch Allgemeinheiten immer wieder der Selbstvergewisserung. Von daher sind Handbücher der Geschichte einzelner Länder ganz selbverständlich. Deswegen ist auch trotz oder gerade wegen der Vielfältigkeit der Geschichte Hessens das Handbuch der hessischen Geschichte sehr zu begrüßen.

 

Allerdings hat, wie der Herausgeber des ersten Bandes in seiner Einführung darlegt, der als Beitrag zur modernen hessischen Geschichte und zugleich als Dokument der modernen Forschungsgeschichte in Hessen entstandene Band, wie das Handbuch überhaupt, eine lange Vorgeschichte, an dessen Anfang der auf den Gründungsherausgeber Walter Heinemeyer zurückgehende Plan stand, ein Handbuch in klassischem Stil zu schaffen, das ein gleichsam verbindliches Kompendium des gesicherten Wissens in dem Raum bieten sollte, der nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs als Land Hessen politisch vereinigt wurde. Dieses Konzept folgte Vorbildern wie Bayern und Baden-Württemberg und erwies sich in der Umsetzung weitaus schwieriger als erhofft.

 

Den damit einhergehenden Zweifeln am klassischen Handbuchkonzept kommt die nun gewählte Gestalt des Handbuchs entgegen. Ursprünglich sollten die Beiträge Teil eines Bandes 4, 1 werden, der dem früher erschienenen Territorienband 4, 2 vorangestellt werden sollte, wobei in systematischer Hinsicht zentrale Sachthemen aus gesamthessischer Sicht abgehandelt werden sollten. Dies ließ sich aber aus praktischen und prinzipiellen Gründen nicht verwirklichen, so dass nun eine offene Reihe von Handbuchbänden den notwendigerweise offenen Prozess des Forschens im Sinne des Weiterentwickelns von Zugängen, Fragestellungen und Methoden wiedergeben soll.

 

Dieser verwickelten Vorgeschichte entsprechend reicht auch die Vorgeschichte einiger Beiträge des Bandes über Bevölkerung, Wirtschaft und Staat in Hessen 1806-1945 etwa zehn Jahre zurück. Gleichwohl wurden Gliederung, Zugriff und Wertung beibehalten, um den Forschungsgang zu dokumentieren. Alle Beiträge wurden aber von ihren Verfassern durchgesehen und erforderlichenfalls aktualisiert und durch weitere Literaturhinweise ergänzt.

 

Der damit geschaffene Band erstrebt keine Vollständigkeit. Er will nur einen Teil der Aspekte des Rahmenthemas behandeln. Weitere Bände mit angrenzenden Schwerpunkten wie etwa Bildung, Kunst und Kultur in Hessen 1806-1845 werden und sollen folgen.

 

Insgesamt enthält der Band sechs Beiträge. Alfred Petsch befasst sich mit Bevölkerungsentwicklung und Urbanisierung, Hans-Werner Hahn sehr ausführlich mit Wirtschaft und Verkehr, Niklot Klüßendorf mit Münz- und Geldgeschichte, J. Friedrich Battenberg mit Juden und Antisemitismus, Marco Arendt mit Kriegs- und Militärwesen sowie Rainer Polley mit Recht und Verfassung. Dabei stellt er den politischen und staatsrechtlichen Rahmenbedingungen der Rechtsordnung die fünf Sachgebiete Zivilrecht, Gerichtsverfassungsrecht und Zivilprozessrecht, Strafrecht, Strafprozessrecht und Verwaltungsgerichtsbarkeit zu Seite.

 

Während nach dem Herausgeber der Territorienband letztlich die Geschichte des vielfachen Scheiterns beschrieb, macht der jetzige Band deutlich, dass eine positiv zu bewertende Entwicklung stattfand, die Modernisierung und Integration  mit sich brachte. Dadurch werden Bausteine einer modernen Geschichte Hessens mit zahlreichen vorangestellten Literaturhinweisen geschaffen. Möge so aus großer Vielfalt letztlich weitere Einheit entstehen.

 

Innsbruck                                                        Gerhard Köbler