Die Akten des Kaiserlichen Reichshofrats (RHR), hg. von der Akademie der Wissenschaften zu
Göttingen in Zusammenarbeit mit der Österreichischen Akademie der
Wissenschaften und dem Österreichischen Staatsarchiv – Serie I Alte Prager
Akten, Band 1 A–D, Serie I Alte Prager Akten, Band 2 E-J, hg. v. Sellert, Wolfgang, bearb. v. Ortlieb,
Eva.– Serie II Antiqua, Band 1 Karton 1–43, hg. v. Sellert, Wolfgang, bearb. v. Machoczek,
Ursula. Erich Schmidt, Berlin 2009, 2010, 645, 803, 773 S. Besprochen von
Bernd Schildt.
Sowohl
in der historischen als auch in der rechtshistorischen Forschung dominierte
lange Zeit das Interesse am Reichskammergericht. Die allgemein beklagte und
wissenschaftlich nicht zu rechtfertigende Vernachlässigung des Reichshofrats
resultierte zum einen aus der unterschiedlichen Überlieferung des
hinterlassenen Quellenmaterials und zum anderen aus dem Umstand, dass die
Österreichische Rechts- und Geschichtswissenschaft lange Zeit wenig Interesse
am frühneuzeitlichen Reich hatte und insoweit die umfangreiche
Quellenüberlieferung zum Reichshofrat im Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien
wenig Beachtung fand. Hinzu kommt, dass insbesondere die landesgeschichtliche
Forschung im Reichshofrat zunächst ein durch konfessionelle Parteilichkeit
bestimmtes Machtinstrument des Kaisers gesehen hat. Mit dem Aufschwung der
Forschungen zum Reichskammergericht seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts
war dieses Verdikt zwar grundsätzlich überwunden, allerdings wurden die beiden
höchsten Reichsgerichte nunmehr zunächst und vorwiegend als Konkurrenten
verstanden. Erst in jüngster Zeit scheint sich diese Sicht insoweit zu
relativieren, als mehr und mehr gesehen wird, dass sich beide Gerichte in ihrer
judiziellen Tätigkeit auch ergänzten und z. T. wohl sogar zusammengewirkt
haben. Das gegenwärtige Defizit bei der Erforschung der judiziellen Tätigkeit
des Reichshofrats ist insoweit nicht mehr auf mangelndes Interesse der
Forschung zurückzuführen, sondern resultiert in erster Linie aus der
schlechteren Verfügbarkeit der Reichshofratsüberlieferung. Das fällt um so
stärker ins Gewicht, als mittlerweile der Inventarisierungsstand bei den
Reichskammergerichtsprozessen – je nach Zählung – zwischen 90 und 95 Prozent liegt.
So konnte vor zwei Jahren anlässlich einer Bilanzierung der über 25 Jahre von
der DFG finanzierten Inventarisierung der Prozessakten des Reichskammergerichts
ein überaus eindrucksvolles Resümee gezogen werden.
Vor
diesem Hintergrund ist es sehr zu begrüßen, dass die Akademie der
Wissenschaften zu Göttingen in Zusammenarbeit mit der Österreichischen Akademie
der Wissenschaften und dem Österreichischen Staatsarchiv – zunächst durch die
Deutsche Volkswagen Stiftung und nunmehr im Rahmen des Akademieprogramms der
Union der deutschen Akademien der Wissenschaften zur „Erschließung, Sicherung
und Vergegenwärtigung unserer kulturellen Überlieferung“ finanziert – eine
Verzeichnung von ca. 30 Prozent der Akten des Kaiserlichen Reichshofrats auf
den Weg gebracht hat. Mittlerweile sind die hier vorzustellenden ersten drei
Bände erschienen (Band 2 Alte Prager Akten am 11. 11. 2010 noch nicht im
Buchhandel erhältlich).
Das
Gesamtprojekt der Verzeichnung der Reichshofratsakten muss vor dem Hintergrund
der konkreten Überlieferungssituation im Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchiv
gesehen werden. Der dort aufbewahrte Quellenbestand umfasst ca. 70.000
Judizialakten, die in der Abteilung Judicialia in mehreren Serien überliefert
sind. Über die Bedeutung des Reichshofrats für die historische Forschung sowie
über die Gründe für die Auswahl der zu verzeichnende Quellen informiert der
Herausgeber – Wolfgang Sellert – im Vorwort (S. 7-17) zu dem im Jahr 2009
erschienenen ersten Band der Alten Prager Akten (APA). Das Vorhaben
konzentriert sich im Schwerpunkt auf die ältere Zeit der Spruchtätigkeit des
Reichshofrats. Dieser Zeitraum wird vornehmlich repräsentiert durch die Serien
der APA, der Antiqua und schließlich der Denegata antiqua. Es ist auf ca. 18
Bände angelegt, wobei jährlich ein bis zwei Bände erscheinen sollen. Inwieweit
diese Perspektive vom Gesamtumfang her realistisch ist, mag dahinstehen;
jedenfalls zeichnet sich bei der Verzeichnung der Serie 2 – Antiqua – bereits
nach Fertigstellung des ersten Bandes ab, dass die ursprünglich angenommene
Zahl von ca. 9.500 Einzelakten auf mehr als 16.000 erheblich nach oben
korrigiert werden muss; Vergleichbares gilt auch für die Serie Denegata
antiqua. Das lässt eine weit höhere Anzahl von Bänden als geplant erwarten.
Ob
die aus diesen neuen Zahlen vom Herausgeber gezogene Schlussfolgerung, dass
Tätigkeit und Funktion des Reichshofrats für das Rechts- und Verfassungsleben
des Alten Reiches im Vergleich zur Rechtsprechung des Reichskammergerichts eine
größere Bedeutung zukommt (1. Bd. Antiqua, S. 7), zutrifft, wird sich durch
künftige vergleichende Forschungen erst noch erweisen müssen. Während die
inventarisierten Prozessakten des Reichskammergerichts praktisch ausschließlich
die judizielle Tätigkeit eines Gerichts widerspiegeln, enthalten die Judicialia
des Reichshofrats in erheblichem Umfang auch Quellenmaterial, bei dem es sich
keineswegs um Prozessakten handelt. So wird bereits im ersten „Fall“ der APA
unter der Rubrik Verfahrensgegenstand dem
Sekretär von der Aa ein kaiserliches Lob für seine von [Reichsvizekanzler] Dr.
iur. Johann Baptist Weber an den Kaiserhof übermittelte Berichte ausgesprochen (S.
33). Vor diesem Hintergrund lässt sich der tatsächliche Umfang der Akten,
welche die judizielle Tätigkeit des Reichshofrats widerspiegeln, nicht
zuverlässig ermitteln. Für die geplante Erfassung auch der Reichshofratsakten
in die Bochumer Datenbank zur Höchstgerichtsbarkeit wird deshalb künftig in
judizielle und Verwaltungstätigkeit unterschieden werden müssen. Eine gegenüber
dem Reichskammergericht weiter reichende Bedeutung des Reichshofrats könnte
wohl eher aus der Tatsache resultieren, dass diese Institution durch ihre Nähe
zum Kaiser nicht nur jurisdiktionelle Aufgaben hatte.
Bei
den nunmehr vorliegenden Bänden handelt es sich um die ersten beiden Bände der
sogenannten APA und dem ersten Band der Serie Antiqua. Von den insgesamt rund
5.000 Prozessen der APA sind damit 2.195 (ca. 44 Prozent) verzeichnet und
publiziert. Bei dieser Serie handelt es sich um einen Restbestand der Prager
Filiale der Reichskanzlei aus der Regierungszeit von Rudolfs II. (1576-1612).
Da diese Akten nach seinem Tod zunächst in Prag verblieben und erst gegen Ende
des 18. Jahrhunderts nach Wien überstellt wurden, enthalten sie nicht nur – wie
man zunächst vermutet – Akten aus dessen Regierungszeit. Vielmehr datieren die
Akten dieser Serie zwischen 1452 und 1766, wobei gleichwohl der Schwerpunkt in
der Regierungszeit Rudolfs II. liegt. Sie sind – wie auch bei der Inventarisierung
der Reichskammergerichtsakten üblich – nach den Anfangsbuchstaben der
Klägernamen sortiert; Band 1 erfasst die Buchstaben A bis D und Band 2 die
Buchstaben E bis J.
Bei
der zweiten Serie – den Antiqua – erfolgte eine Inventarisierung nach Kartons
und Vorgangsnummern und nicht nach dem Alphabet. Zwar ist auch dieser Bestand
nach Namen geordnet; jedoch wurde diese Ordnung nicht konsequent verfolgt,
insbesondere wurde nicht unterschieden, ob die betreffende Partei Kläger oder
Beklagter gewesen ist. Zu berücksichtigen ist ferner, dass die Akten mit den
Anfangsbuchstaben A bis G im Zuge einer Umstrukturierung des Archivs am Ende
des 18. Jahrhunderts dem Bestand entnommen und in andere – Obere Registratur
(noch laufende Prozesse) bzw. die neugebildete Serie Decisa
(entschiedene oder liegengebliebene Prozesse) – umgelegt worden sind. Folglich
sind Prozesse beispielsweise aus Brandenburg oder Bremen in diesem Bestand
nicht zu erwarten. Dies gilt übrigens auch für die dritte zur Inventarisierung
anstehende Serie – die Denegata antiqua.
Die
bisher vorliegenden Bände bestechen durch eine sehr übersichtliche
drucktechnische Gestaltung, einen grundsätzlich einheitlichen inneren Aufbau
der einzelnen Bände und eine bemerkenswerte buchbinderische Ausstattung;
allerdings hat diese formidable Aufmachung auch ihren Preis. Der eigentlichen
Verzeichnung vorangestellt ist in allen drei Bänden eine Reihe praktischer
Hinweise für den Benutzer, die zunächst Auskunft geben über die vorliegenden
Findbehelfe und deren Unzulänglichkeit für die moderne Forschung; wobei hier
schon deutlich wird, dass sich im Verlauf der Inventarisierung geringfügige
Veränderungen ergeben haben, die dann von den Bearbeiterinnen in den
Folgebänden thematisiert werden. Neben der eigentlichen Inventarisierung
enthält jeder Band eine chronologische Konkordanz, ein Register der
Reichshofrats-Agenten, ein Register der Vorinstanzen bzw. der Juristischen
Fakultäten und Schöppenstühle, Personen- und Ortregister sowie ein
Sachregister. Die Indizes sind zwischen den beiden Bearbeiterinnen allerdings
in ihrem Verweissystem nicht immer abgestimmt. So wird beispielsweise im
Sachindex der APA unter dem Stichwort „Reichsgesetze“ u. a. auch auf die
weiteren Stichworte „Constitutio Criminalis Carolina“, „Reichsabschied“, „Reichskammergerichtsordnung“
und „Reichspolizeiordnung“ verwiesen; im Sachindex der Antiqua fehlt dieser
Hinweis beim Stichwort „Reichsgesetze“, obwohl auch dort die genannten weiteren
Stichworte vorkommen. Hilfreich wäre auch die Verwendung eines einheitlichen
Verzeichnisses der Abkürzungen und Siglen in allen Bänden, das gegebenenfalls
fortzuschreiben wäre.
Die
Verzeichnung erfolgte in enger Anlehnung an die Grundsätze für die Verzeichnung
von Reichskammergerichts-Akten („Frankfurter Grundsätze“). Dass die
Verzeichnung der Reichshofratsakten mit 14 Positionen gegenüber 8 der
„Frankfurter Grundsätze“ beinahe doppelt soviele Kategorien enthält, steht
diesem Befund keineswegs entgegen; dieser Umstand erklärt sich teils aus
technischen Gründen, teils aus der Notwendigkeit, die Neuverzeichnung mit den
für einige Serien vorhandenen alten Findbehelfen kompatibel zu gestalten.
Die
Position 1 – Signaturen – der „Frankfurter Grundsätze“ wird bei der
Verzeichnung der Reichshofratsakten in vier Kategorien erfasst: Inventarnummer
(ohne Ziff.) sowie die Ziff. (1)
Aktenserie, (2) Signatur und (3) Verzeichnis (dieser Hinweis auf den
historischen Findbehelf entfällt bei der Serie Antiqua). Die Angaben zu den
Parteien Ziffer 2 und 3 der „Frankfurter Grundsätze“ entsprechen den Ziffern 4
und 5 der Reichshofratsverzeichnung. Was hier allerdings fehlt, ist die Angabe
des Parteienstatus in der Vorinstanz für die Appellationsprozesse. Der Rubrik 4
– Prokuratoren – beim Reichskammergericht entspricht Kategorie (7) RHR-Agenten.
Der nach den „Frankfurter Grundsätzen“ unter Ziffer 5 gefasste Streitgegenstand
wird bei der Reichshofratsverzeichnung geteilt in die Kategorien (8) Verfahrensgegenstand – zeitgenössische
Formulierung und (9)
Verfahrensgegenstand – Beschreibung (so in den APA, davon abweichend in den
Antiqua „Verfahrensgegenstand – moderne
Beschreibung“). Die Ziffer 6 beim Reichskammergericht, die Instanzen
betreffend, wird wieder getrennt in Ziffer (6)
Verfahrensdauer beim Reichshofrat (so im ersten Band der APA; im zweiten
Band der APA wurde die Bezeichnung „Laufzeit“
gewählt und bei den Antiqua heißt diese Kategorie schließlich „Laufzeit eines Vorgangs“) und Ziffer (10) Vorinstanzen erfasst. Schließlich
sind auch die Ziffern 7 und 8 der Reichskammergerichtsverzeichnung beim
Reichshofrat jeweils zweigeteilt. Den Darin-Vermerken (Nr. 7) entsprechen die
Nr. (11) Entscheidungen (anders als
bei den Reichskammergerichtsprozessakten liegen bei den Reichshofratsakten in
der Regel auch die dazugehörigen Urteile vor und werden im Inventar
entsprechend nachgewiesen) und (12) Darin
(bei den Antiqua wird die Bezeichnung „Beilagen“
verwendet). Schließlich finden sich unter (13)
Bemerkungen und unter (14)
Überlieferung (in den Antiqua wurde dafür die Bezeichnung „Angaben zum Umfang der verzeichneten Akten
(Folien)“ gewählt); dies entspricht im Wesentlichen der Kategorie 8 –
Hinweise – beim Reichskammergericht. Die Verwendung von teilweise
unterschiedlichen Bezeichnungen für die einzelnen Kategorien ist wenig
hilfreich; vielleicht könnte hier bei den künftig zu edierenden Bänden eine
Vereinheitlichung Platz greifen. Hilfreich wäre es sicher auch, den an die
„Frankfurter Grundsätze“ bei der Verzeichnung der Reichskammergerichtsprozesse
gewöhnten Benutzern eine Konkordanz an die Hand zu geben.
Die
für die Inventarisierung der Reichshofratsakten gültigen
Verzeichnungskategorien werden in jedem Band ausführlich erläutert. Leider
erfolgt dies – je nach Bearbeiterin – mit unterschiedlich formulierten Texten
bei – soweit ich sehe – überwiegend vergleichbaren Inhalten; auch diese Praxis
ist nicht unbedingt benutzerfreundlich. Etwas befremdlich wirkt das eher
ahistorische und letztlich inkonsequente Bemühen um „politisch korrekten“
Sprachgebrauch, insbesondere bei den Angaben zu den Parteien in den Ziffern 4
und 5 (z. B. Kläger/in/Antragsteller/in/Hauptbetroffene/r:). So ist bei den
Erläuterungen zu Ziffer 4 zwar die Rede von Amtsträgern
(S. 11) nicht aber von Amtsträgerinnen,
obwohl beispielsweise in der laufenden Nr. 162 der Antiqua als Antragstellerin eine Priorin und eine
Äbtissin genannt werden, die folglich nach dem Selbstverständnis „politisch
korrekten“ Sprachgebrauchs als Amtsträgerinnen
zu verstehen wären.
Ein
erster gravierender Unterschied zur Verzeichnung der
Reichskammergerichtsprozessakten besteht zunächst, wie bereits erwähnt, darin,
dass nur bei den APA eine Sortierung nach dem Anfangsbuchstaben des Klägers
bzw. der letzten Vorinstanz möglich gewesen ist. Zweitens führt der in der
Fachwelt nahezu einhellig positiv bewertete Umstand, dass die im Gegensatz zu
den auf rund 50 in- und ausländische Archive verteilten
Reichskammergerichtsakten die Reichshofratsakten im Wiener Haus-, Hof- und
Staatsarchiv praktisch geschlossen überliefert sind, zu dem insoweit zweifellos
nachteiligen Effekt, dass sich damit im Gegensatz zu den
Reichskammergerichtsakten keine räumlich abgrenzbare Überlieferung ergibt.
Unterschiede
zwischen der Verzeichnung der Reichshofratsakten im Vergleich mit den
inventarisierten Prozessakten des Reichskammergerichts ergeben sich aus meiner
Sicht – neben dem bereits erwähnten Umständen, dass nicht nur Verfahrensakten
im eigentlichen Sinne verzeichnet worden sind und die Angaben zum
Parteienstatus in der Vorinstanz bei den Appellationsprozessen fehlen – mit
Blick auf den leider grundsätzlichen Verzicht auf Literaturangaben. In den
Erläuterungen zur Ziffer 13 des ersten Bandes der Antiqua fehlt zwar der
Hinweis auf die definitive Nichterfassung von Literatur; eine kursorische
Durchsicht der vorliegenden 730 Fälle bietet allerdings keinen Anlass zu der
Annahme, dass Literatur zumindest in dieser Serie künftig mitgeteilt wird. Bei
den Entscheidungen (Ziff. 11) und den Beilagen resp. Darin(-Vermerken) (Ziff.
12) wurde offenbar Vollständigkeit angestrebt, was insoweit eine deutlich
größere Verzeichnungstiefe gegenüber der Inventarisierung der
Reichskammergerichtakten bedeutet. Angesichts des Umfangs der
Aktenüberlieferung wurde dieses Prinzip bei den Antiqua jedoch aufgegeben (S.
15).
Was
im Vergleich zu den inventarisierten Reichskammergerichtsakten sofort ins Auge
fällt, ist die relativ geringe Anzahl von Appellationen. Appellationsprozesse
machen beim Reichskammergericht etwa die Hälfte aller Verfahren aus, während
beim Reichshofrat für Appellationsprozesse nach gegenwärtigem Befund
bestenfalls mit einer Quote von etwa 5 Prozent zu rechnen ist. So sind
beispielsweise von den 2.195 verzeichneten Akten des ersten und zweiten Bandes
der APA lediglich 93 Appellationsverfahren (ca. 4 Prozent) und im ersten Band
der Serie Antiqua 36 von 730 Akten insgesamt (ca. 5 Prozent). Die tatsächliche
Bedeutung dieses Befundes lässt sich allerdings nur dann richtig bewerten, wenn
klar ist, bei wieviel Akten es sich tatsächlich um judizielle Verfahrensakten
handelt.
Auffällig
ist ferner die geringe Anzahl der Überlieferung von Namen der
Reichshofratsagenten insbesondere bei den APA, wo nur in 144 von 2.195 Akten
Reichshofrats-Agenten nachgewiesen werden, was einer Quote von lediglich rund
6,5 Prozent entspricht. Das erklärt sich aus dem Umstand, dass sich die
Bevollmächtigung von Agenten als Prozessvertreter der Parteien erst im Verlauf
des 17. Jahrhunderts durchgesetzt hatte. Bei den Antiqua – deren zeitlicher
Überlieferungsschwerpunkt im 17. Jahrhundert liegt – finden sich demgegenüber
für 730 Akten in immerhin 307 Fällen Angaben zu Reichshofratsagenten; das sind
etwa 42 Prozent. Für das 16. Jahrhunderts werden demgegenüber nur ganz
vereinzelt in rund einem Dutzend Akten vornehmlich aus den neunziger Jahren
RHR-Agenten als Prozessvertreter nachgewiesen.
Die
inhaltlichen Schwerpunkte der Tätigkeit des Reichshofrats lassen sich vorläufig
nur in groben Zügen mit Hilfe des Sachindexes ermitteln. Dabei muss allerdings
berücksichtigt werden, dass bei der Erarbeitung der Indizes offenbar
vornehmlich (wenn nicht sogar ausschließlich?) die bei der Inventarisierung
verwendeten Begrifflichkeiten zu Grunde gelegt worden sind. Auf diese Weise
wurden zahlreiche Worte in die Indizierung einbezogen, deren tatsächliche
inhaltliche Relevanz für die vom Reichshofrat zu beurteilenden Sachverhalte
offenkundig nicht hinterfragt worden ist. So wird beispielsweise im Sachindex
des ersten Bandes der APA unter dem Stichwort „Kauf/Verkauf“ u. a. auch auf die
laufenden Nummern 67 und 69 verwiesen. In keinem der beiden Fälle geht es indes
um kaufrechtliche Fragestellungen; vielmehr ist beiläufig in den
Sachverhaltsangaben von „gekaufte[n] Pferden“ (Nr. 67) bzw. einem „gekauft[en]“
Haus (Nr. 69) die Rede. Im ersten Fall handelt es sich um eine „Auseinandersetzung
um Entschädigung“ wegen nicht gezahlter Reichssteuern und im zweiten Fall
bittet der Antragsteller – Paul von Appetzhofen (Verwalter der Reichslandvogtei
Schwaben) – den Kaiser um Erhebung des gekauften Hauses zu einem freien
Adelsgut. (S. 66f.). Insoweit erlaubt der Sachindex nur bedingt statistische
Rückschlüsse auf die tatsächlichen Verfahrensgegenstände, mit denen der
Reichshofrat befasst war. Gleichwohl lässt eine kursorische Durchsicht der drei
vorliegenden Bände einige grundsätzliche Aussagen zu den inhaltlichen
Schwerpunkten zu. Neben zahlreichen privatrechtlichen Fragestellungen wie
beispielsweise Bürgschaft, Darlehen, Erbrecht, Kauf, Schadensersatz,
Ehegüterrecht, Injurien und Schuldforderungen ging es besonders häufig auch um
Lehnrecht, Kassationen, Haft, Geldstrafen, Steuern und Abgaben, Zuständigkeit,
Zustellung, Vergleiche u. a.
Angesichts
der immensen Schwierigkeiten und Unwägbarkeiten bei der Erschließung eines über
Jahrhunderte massenhaft überlieferten und danach von einer Reihe aus heutiger
Sicht wenig sachgerechter Eingriffe betroffenen Quellenbestandes, bei der sich
viele Probleme erst im Verlauf der Erschließungsarbeiten zeigen, bleibt trotz
einiger kritischer Bemerkungen zu einzelnen Punkten der Verzeichnungspraxis
festzuhalten, dass mit dem Erscheinen der ersten drei Inventarbände der Akten
des Kaiserlichen Reichshofrates eine überaus wichtige Grundlage für künftige
Forschungen nicht nur zu seiner Gerichtspraxis sondern auch zu seiner
Verwaltungstätigkeit geschaffen worden ist. Trotz einiger struktureller
Unterschiede der Quellenlage erfolgte die Verzeichnung weitestgehend kompatibel
zu den beinahe vollständig inventarisierten Prozessakten des Reichskammergerichts;
damit werden nunmehr auch stärker als bisher vergleichende Analysen zur
Tätigkeit der beiden höchsten Gerichte des Alten Reiches möglich.
Abschließend
sei ein Wort zur digitalen Version im Internet erlaubt: mir scheint diese Form
der elektronischen Veröffentlichung hinsichtlich ihres Nutzens eher fragwürdig
und preislich kaum attraktiv. Sinnvoller wäre hingegen die Beigabe einer
CD-ROM, u. U. auch für mehrere Bände, die dann zu einem annehmbaren Preis
separat oder im Verbund mit der Druckfassung angeboten werden sollte.
Bochum Bernd
Schildt