Fuchs, Thomas, Bürgerliches Gesetzbuch vom 18. August 1896. Historisch-synoptische Edition, 8 Bände, 2. Aufl. Lexetius, Mannheim 2008. 2538 S. Internetfassung http://lexetius.com/BGB. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

In der juristischen Praxis - so beginnt das kurze Vorwort aller acht Bände - steht der Gesetzesanwender immer wieder vor dem Problem, dass das neue Gesetz auf den alten Fall nicht anwendbar ist. Das unterscheidet die Gegenwart von der Vergangenheit. Aus der Zeit der Handschriften ist der etwa 400000 Wörter umfassende Codex Justinians des Jahres 534 n. Chr. in seiner endgültigen Fassung (Codex repetitae praelectionis) seit fast fünfzehn Jahrhunderten in gleicher Gestalt geblieben, während das knapp 130000 Wörter zählende deutsche Bürgerliche Gesetzbuch vom 18. August 1896 allein in den ersten hundert Jahren seiner Geltung in mehr als hundert Fällen abgeändert wurde (bis 1986 100 Novellierungen, bis 2003 200 und bis Ende 2007 mehr als 220).

 

Deswegen „muss der Gesetzesanwender die jeweils anwendbare Fassung beschaffen“. Ohne Weiteres zur Verfügung steht ihm dabei jeweils die geltende Fassung des Augenblicks. Dazu kommen die im jeweiligen Gesetzblatt veröffentlichten Änderungen, die sich aber auf die jeweils wenigen geänderten Vorschriften beschränken und die vielen jeweils nicht geänderten Bestimmungen aus arbeitsökonomischen und transparenziellen Gründen nicht anführen.

 

Wenn die aktuelle Konsolidierung (Fassung) für den alten Fall bedeutungslos ist, ältere Konsolidierungen (Fassungen) mangels Angaben zum Geltungszeitraum der Vorschriften gefährlich und Änderungsgesetze nach Ansicht des Bearbeiters praktisch unlesbar sind, steigt - vor allem für den Rechtsanwalt - das Haftungsrisiko enorm. Deswegen ist es sinnvoll, Gesetze in der Form einer historisch-synoptischen Edition darzustellen. Bei ihr sind sämtliche Fassungen aller Paragraphen für einen bestimmten Zeitraum übersichtlich und integriert mit Angaben zum Inkrafttreten und zu den Änderungen enthalten.

 

Eine derartige Lösung wird durch die geschäftige Betriebsamkeit gut bezahlter, zum Nachweis ihrer Notwendigkeit verpflichteter Parlamentsabgeordneter gewissermaßen von selbst herausgefordert. Sie lässt sich mittels der am Ende des 20. Jahrhunderts revolutionierten technischen Möglichkeiten auch durchaus erstellen. Deswegen ist zu J. von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen von Hans-Wolfgang Strätz bereits 1998 eine BGB-Synopse 1896-1998 vorgelegt worden (XXXII, 1736 S.), welche die kopierte Fassung des Frakturschrift verwendenden Reichsgesetzblattes von 1896 (S. 604ff.) für einen oder mehrere Paragraphen auf der jeweiligen linken Seite und spätere Veränderungen mit Angabe des jeweiligen Inkrafttretens sowie bei Fehlen einer Abänderung dem noch geltenden Text auf der rechten Seite gegenüberstellt.

 

Diese Leistung ist auf breiteres Interesse gestoßen. Deswegen erfolgte 2000 eine Neubearbeitung unter Erstreckung auf den Zeitraum von 1896 bis 15. September 1999 (XLI, 1808 S.). Hieran hat sich 2006 eine Fortführung bis 2005 angeschlossen (L, 1248 S.).

 

Der Bearbeiter ändert die Art der Darstellung dadurch, dass er alle Texte in einheitlicher Schrift wiedergibt. Außerdem stellt er die jeweils geltende Fassung voran und lässt ihr die früheren Fassungen in kleinerer Schriftgröße folgen, wobei er jeweils eine Fassung und ihre Vorfassung zeilengetreu nebeneinanderstellt und die Abweichungen durch kursive Auszeichnung hervorhebt, so dass bei beispielsweise 6 Fassungen für § 247 insgesamt sieben Textblöcke geboten werden. Begleitet wird der Abdruck von zahlreichen hilfreichen Fußnoten.

 

Der Druck wird derzeit im Print-on-Demand-Verfahren hergestellt. Der Text ist inzwischen auch unter http://lexetius.com/BGB werbegestützt im Internet abrufbar, wobei sich jeder einzelne Paragraph über ein vorangestelltes Paragraphenregister einzeln aufrufen lässt und Abweichungen farblich hervorgehoben werden. Der damit verbundene Aufwand hat sich mit Hilfe einer vom Bearbeiter geschaffenen komplizierten Software gut bewältigen lassen.

 

Insgesamt bietet dieses Werk seinem Zielpublikum eine durch den modernen technischen Stand ermöglichte vorzügliche Hilfe. Der Rechtshistoriker wird darüber hinaus auch noch an einer gleichzeitigen Verfügbarkeit aller jeweiligen Gesamtfassungen interessiert sein, wie sie seit 2006 in allmählichem Aufbau unter http://www.koeblergerhard.de/Fontes/BGBalleFassungen.htm geboten wird. Unabhängig hiervon ist die Leistung des Verfassers ein deutlicher, hoffentlich dauerhaft fortgeführter Fortschritt und sollte der Gesetzgeber selbst für die Zukunft dazu übergehen, eine lückenlose Reihe aller digitalen Gesamtfassungen aller Gesetze der Öffentlichkeit unentgeltlich zur Verfügung zu stellen.

 

Innsbruck                                                                                                                              Gerhard Köbler