Zagolla, Robert, Im Namen der Wahrheit. Folter in Deutschland vom Mittelalter bis heute. be.bra verlag GmbH, Berlin 2006. 240 S., 22 Abb. Besprochen von Mathias Schmoeckel.

 

torture sells? Einer der „ausgewiesenen Experten zur Geschichte der Folter“ (laut Umschlag) verspricht eine umfassende Information über die Geschichte der Folter für ein Publikum, das sich angesichts des „Falls Daschner“ für dieses Thema interessiert. Die Darstellung soll mit dem Mittelalter beginnen, tatsächlich greift sie bis zum römischen Recht zurück. Anschaulich wird die Geschichte für den unvorgebildeten Laien erzählt, selbst das Corpus Iuris Civilis wird als „Sammlung des Bürgerlichen Rechts“ (S. 24) erklärt. Viele Episoden machen ihre Zeit anschaulich, doch das Fehlen weitergehender Analysen verdeutlicht, dass nicht viel mehr erreicht werden soll. Mit flotten Sprüchen, etwa von der „halben Abschaffung der Folter“ in Preußen, und wenigen Fußnoten soll ein großes Publikum angesprochen werden. Man tut dem Buch daher kaum Unrecht, wenn man es eher als Sachbuch betrachtet.

 

Der Verfasser, ein Historiker, hat Schwierigkeiten bei der juristischen Einordnung: Es wird über Jahrhunderte und europaweit ein „germanisches Strafrecht“ skizziert (S. 25ff.). Gottesurteile und Ordale werden als Synonyme betrachtet (S. 27). Das IV. Lateranum wird letztlich doch wieder als das Ende der Gottesurteile und Wiederbeginn der Folter dargestellt, wogegen sich zumindest der Rezensent gewandt hat (S. 34). Von der besonderen Rolle der Folter im gemeinen Beweisrecht, den daraus folgenden Beweisnöten der Richter und wenigen Alternativen zur Folter findet sich nichts. Stattdessen diente die Folter nach der Auffassung des Verfassers dazu, die Verhängung von Kapitalstrafen zu verhindern (S. 218). Die zentrale Rolle der Folter als Repressionsinstrument im Zusammenhang mit der Durchsetzung des öffentlichen Strafrechts und der Errichtung des Staates kommt nicht zum Ausdruck. Für die Zeit vor 1500 sind daher sowohl juristische als auch historische Defizite erkennbar.

 

Die Hälfte der Seiten widmet sich dem 20. Jahrhundert, so dass diese Zeit dichter und stimmiger geschildert wird. Hier finden sich interessante Darstellungen zur Verwendung der Folter in den deutschen Diktaturen. Im Ergebnis soll die Geschichte lehren, dass die Folter „immer wieder neu überwunden werden muss“ (S. 219). Zwar ist es seit langem selbstverständlich, dass aus der Geschichte keine Verpflichtungen gefolgert werden können, sondern in ihr höchstens Möglichkeiten erkannt werden. Eine solche plakative Feststellung wird jedoch wohl der Erwartungshaltung eines breiten Publikums gerecht werden.

 

Anzuerkennen ist, dass der Verfasser viel neuere Literatur verwertet hat. Partiell kann diese flotte Darstellung damit das populäre Werk von Quanter ergänzen. Ärgerlich ist nur die unseriöse Werbung, die gerade zu den Passagen neue Erkenntnisse verspricht, in denen lediglich Literatur nachvollzogen wird.

 

Bonn                                                                                                  Mathias Schmoeckel