Werböczy, Stephen, The customary law of the renowned kingdom of Hungary in three parts (1517), hg. und übers. v. Bak, János M./Banyó, Péter/Rady, Martyn mit einer einführenden Studie von Péter, László (= The laws of Hungary 1, 5). Schlacks/Department of Medieval Studies Central European University, Idyllwild California/Budapest 2005. L, 474 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Ungarn sind vielleicht um 895 aus Asien in das Donaubecken (Karpatenbecken) gelangt und nach ihrer Niederlage in der Schlacht auf dem Lechfeld 955 sesshaft geworden. Ihre finnougrische Sprache war von den Sprachen aller neuen Nachbarn völlig verschieden. Dementsprechend unterschiedlich dürfte auch ein mögliches Recht der Ungarn dieser Zeit gewesen sein.

 

Am Beginn der Neuzeit erstellt Stephanus Werböczy (um 1458-1541) erstmals eine Sammlung des Gewohnheitsrechts des Königreichs Ungarn. Er war nach einem nicht gesicherten Studium im Ausland seit 1502 Protonotar hoher ungarischer Gerichte und schließlich Kanzler eines Gegenkönigs. Sein wichtigstes Werk wird nunmehr in neuer Auflage als fünfter Band der Reihe Decreta regni mediævalis Hungariæ auf der Grundlage einer Gemeinschaftsarbeit vorgelegt.

 

Vorangestellt ist eine Einführung László Péters über The Irrepressible Authority of the Tripartitum, die auf eine etwas ältere Studie dieses ausgezeichneten Sachkenners zurückgeht. Sie geht davon aus, dass in Ungarn das Mittelalter bis in das 19. Jahrhundert angedauert habe. Hier habe die Gewohnheit bis zu diesem Zeitpunkt gegenüber dem königlichen Befehl (decretum) die größere Bedeutung gehabt, woraus sich der Erfolg Werböczys erkläre.

 

Mit Werböczy und seinem Tripartitum befasst sich dann näher Martyn Rady. Zunächst behandelt er die biographischen Daten im Grundzug. Danach wendet er sich den politischen Rahmenbedingungen zu.

 

Besonders eindringlich untersucht er die Entstehung des Tripartitum. Gegen die Annahme eines lange und mühevoll vorbereiteten Werks wendet er hauptsächlich deutliche Zeichen von eiliger Entstehung ein. Darüber hinaus habe das Tripartitum das geschriebene Recht der decreta mit dem ungeschriebenen Recht stets verbinden wollen.

 

Die drei Teile des Tripartitum hätten ursprünglich der klassischen Einteilung des Rechts nach personae, res und actiones folgen sollen. An diesen Plan hat sich der Verfasser aber nur teilweise gehalten. Der erste Teil betrifft das substantive law (Grundsätze des Grundstücksrechts des Adels), der zweite das Verfahrensrecht, der dritte Teil ganz unterschiedliche Gegenstände.

 

Das Verhältnis des dargestellten Stoffes zur Rechtswirklichkeit ist unterschiedlich. Manches entspricht mehr der gelehrten Literatur als der Wirklichkeit. An anderen Stellen wird eher das Recht beschrieben, wie es sein sollte, als das Recht, wie es war.

 

1514 legte der Verfasser sein Werk dem Landtag (diet) vor. Zwar erteilte der König seine Zustimmung. Aber das Tripartitum erhielt nie das königliche Siegel und wurde auch nie von der Kanzlei verteilt, Umstände, die bis zur Gegenwart noch nicht befriedigend geklärt sind.

 

1517 ließ der Verfasser das Werk auf eigene Kosten für einige hundert Gulden bei Singriener in Wien drucken, was innerhalb von vierzig Tagen gelang. Bereits zuvor hatte die Sammlung eine gewisse Bedeutung erlangt. Nach dem Druck galt sie gewohnheitsrechtlich teilweise sogar bis 1945 und erfuhr 55 Auflagen.

 

Die 56. Auflage, welche die Herausgeber vorlegen, ist erstmals mit einer Übersetzung (ins Neuenglische) versehen. Damit steht das Werk jedermann weltweit in einer modernen Fassung zur Verfügung. Zwei Anhänge, ein Glossar und Index ausgewählter Gegenstände sind ebenso hilfreich wie die Auswahlbibliographie, der Index titulorum und die der Veranschaulichung dienenden Abbildungen einiger Seiten früherer Drucke, die auch die Entwicklung der Bedeutung des Englischen im Verhältnis zum Deutschen in Ungarn eindrucksvoll widerspiegeln – möge durch diese schöne Leistung die Bedeutung der Rechtsgeschichte Ungarns erheblich und nachhaltig gestärkt werden, wofür sich der Verleger seit mehr als 20 Jahre entschieden und mit den modernsten technischen Möglichkeiten einsetzt.

 

Innsbruck                                                                                                       Gerhard Köbler