Lilla, Joachim, Statisten in Uniform. Die Mitglieder des Reichstags 1933-1945. Ein biographisches Handbuch. Unter Einbeziehung der völkischen und nationalsozialistischen Reichstagsabgeordneten ab Mai 1924, unter Mitarbeit v. Döring, Martin/Schulz, Andreas. Droste, Düsseldorf 2004. 48*, 997 S.

 

Nach der in Weimar ausgearbeiteten Verfassung des (zweiten) Deutschen Reiches war der Reichstag (zusammen mit dem Reichsrat) das für die Gesetzgebung zuständige Verfassungsorgan. Durch sein Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933 übertrug er seine Gesetzgebungsgewalt auf die Reichsregierung. Seitdem führte er ein gespenstisches Schattendasein und trat bis 26. April 1942 nur noch zu 19 Sitzungen zusammen.

 

Gleichwohl bestand er. Am Ende gehörten ihm mehr als 800 Abgeordnete an. Sie waren ausschließlich Mitglieder und Hospitanten der Fraktion der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei.

 

Eine befriedigende Übersicht über sie bestand bisher nicht. Dem hilft das neue Werk in vorzüglicher Weise ab. Insgesamt erfasst es in 1294 Artikeln (nach dem Umschlag 1295) Männer des Reichstags nach dem einheitlichen Aufbau Name, Geburtsdaten und Sterbedaten, Dauer der Zugehörigkeit, Mitgliedschaft in Landesparlamenten, Biographie und Quellennachweise.

 

Adolf Hitler ist die Nr. 433. Er war Mitglied des Reichstags von März 1933-1945 für den Wahlkreis 24. Im Übrigen beschränken sich die Angaben, um nicht Eulen nach Athen zu tragen, auf die Worte Führer, […] besuchte Volksschule und Unter-Realschule. War, um seine Studien zu ermöglichen, Bauarbeiter. Von 1914 bis 1920 Soldat. Ab 30. Januar 1933 Deutscher Reichskanzler.

 

Eineinhalb Seiten nimmt demgegenüber Roland Freisler (Nr. 261) ein. Etwa zwischen diesen Längen schwanken die von Abicht bis Zunkel reichenden Artikel. Gerade weil die meisten Abgeordneten mit der Partei stiegen und fielen und deswegen wie etwa der Bürgermeister Ernst Ittameier von Wassertrüdingen oder der Forstadjunkt Otto Raber aus Lend im Pinzgau der Gegenwart überwiegend unbekannt sind, ist die Datensammlung von besonderem Interesse.

 

In der kurzen und klaren Einleitung wird das Unternehmen überzeugend eingeordnet und in seinen Quellen transparent gemacht. Der Anhang zeigt die Entwicklung des Reichstagswahlrechts, die Reichstagswahlkreise, die Reichstagswahlvorschläge, die Reichstagspräsidien und die Mitgliedschaften in anderen Volksvertretungen auf. Register erschließen die Geburts- und Sterbeorte, die Wohn- und Berufsorte, Organisationen und Institutionen, Personen, Opfer des Röhm-Putsches, 56 Fälle von Freitod (einschließlich Adolf Hitler), Internierungen, 42 Fälle von Hinrichtungen sowie Zeitschriften und Periodica auf. Insgesamt ist damit ein eindrucksvolles Hilfsmittel für die Erforschung der Zusammenhänge zwischen Parlament und Nationalsozialismus in den Jahren 1924 bzw. 1933 bis 1945 geschaffen, für das den Bearbeiter sehr zu danken ist.

 

Innsbruck                                                                                                       Gerhard Köbler