Kotulla, Michael, Das konstitutionelle Verfassungswerk Preußens 1848-1918. Eine Quellensammlung mit historischer Einführung. Springer, Berlin 2003. XI, 290 S.

 

Die preußische Verfassung gehört der dritten Welle der Verfassungsgebung im 19. Jahrhundert an, die infolge der revolutionären Ereignisse des Jahres 1848 einsetzte. Von daher ist der zeitliche Vorlauf für die Verfassungsurkunde gering. Dennoch gibt es mehr Materialien als bisher angenommen, ja mehr als bisher bekannt war. Diese Quellen sind in dem vorliegenden Band zusammengetragen, insgesamt 25, mit zum Teil zahlreichen Untertiteln, so daß eine Gesamtzahl von 57 erzielt wird. Die meisten dieser Dokumente betreffen die Änderungen der revidierten Verfassung von 1850. Bei den bisher nicht veröffentlichten Dokumenten handelt es sich um drei Verfassungsentwürfe zu der Verfassung von 1848 und einen zu der Verfassung von 1850.

 

In einer relativ kurzen Einleitung (S. 1-30) zeichnet der Verfasser den historischen Hintergrund der Verfassungsgebung nach. Als Vorbilder für den Urentwurf erkennt der Verfasser – entgegen der bisherigen Literatur – nicht nur die belgische Verfassung (diese nur für den Grundrechtsteil), sondern auch die französischen Charten von 1814 und 1830.

 

Der Einleitungsteil berücksichtigt die Dokumente und ergänzt sie insbesondere durch die stenographischen Berichte. Die Literatur wird nur spärlich herangezogen. Es zeigt sich, daß auch jetzt noch nicht restlose Klarheit über die Entwicklung im Einzelnen besteht. Diese Sekundärquellen sind in sich zum Teil widersprüchlich. Entgegen einer weitverbreiteten Ansicht der Literatur wertet der Herausgeber die Verfassungsoktroyierung nicht als Staatsstreich, weil der König seiner Meinung nach noch nichts von seinem Gesetzgebungsrecht abgegeben hatte. Dem wird man folgen können.

 

Auf die in den letzten Tagen der Monarchie geplanten Verfassungsänderungen geht Kotulla bemerkenswerterweise nicht ein.

 

Die Quellensammlung, die verhältnismäßig wenige, wenn auch wichtige Neuentdeckungen mit sich bringt, gewinnt ihren Wert dadurch, daß erstmals die Quellen zur preußischen Verfassung zusammenhängend veröffentlicht werden und somit der Forschung zur Verfügung stehen. Das kann nur begrüßt werden und gibt zu der Hoffnung Anlaß, daß in Zukunft über die preußische Verfassung verstärkt gearbeitet wird.

 

Leipzig                                                                                               Bernd-Rüdiger Kern