SchubertKlaes20010814 Nr. 10438 ZRG 119 (2002) 56

 

 

Klaes, Silke, Die Post im Rheinland. Recht und Verwaltung in der Franzosenzeit (1792-1815) (= Rechtsgeschichtliche Schriften 14). Böhlau, Köln 2001. XVII, 328 S.

 

Das Interesse von Untersuchungen über die Verbreitung des französischen Rechts im Rheinland bzw. in den linksrheinischen französischen Departements und im Großherzogtum Berg ist, wie das aus einer Bonner Dissertation hervorgegangene Werk zeigt, nach wie vor ungebrochen. Das Postrecht, bisher ein abseits gelegenes rechtshistorisches Spezialgebiet, wird auf diese Weise mit der allgemeinen Rechts- und Rezeptionsgeschichte des beginnenden 19. Jahrhunderts verbunden. Thema der Arbeit ist die organisatorische Umgestaltung der Postverwaltung „in der französischen Besatzungszeit der Rheinlande von 1792 bis 1814“ (S. 2) und ihre rechtlichen Grundlagen. Allerdings sollte man in diesem Zusammenhang für die Zeit ab dem Frieden von Lunéville nicht von französischer Besatzung oder Besetzung sprechen, da die linksrheinischen Gebiete während dieser Zeit Frankreich voll eingegliedert waren. Gleichzeitig geht die Verfasserin der Frage nach, ob die Postreformen im Rheinland nicht letztlich die gleichen Überlegungen und Schwierigkeiten hatten wie die Reformen des 20. Jahrhunderts.

In einem ersten Abschnitt untersucht die Verfasserin die Ausgangsposition im Rheinland. Hierbei sind die Kennzeichnung der Beförderungseinrichtungen der Post im Hinblick auf die nachfolgenden Kapitel nur sehr knapp umschrieben (S. 10ff.). Die rheinischen Kurfürstentümer hatten das kaiserliche, durch die Thurn und Taxis‘sche Reichspost ausgeübte Postreservatrecht als rechtsverbindlich anerkannt. Gleichwohl existierte zumindest in Köln 1792 auch ein Postwagenkurs eines Privatunternehmers. Daneben bestand eine gewisse Konkurrenz mit der Staatspost Preußens, das neben der Posthoheit des Kaisers ein eigenes Postregal in Anspruch nahm. Die Verfasserin hat in diesem Zusammenhang den Poststreit im „Alten Reich“ detailliert dargestellt (S. 54ff.). Endlich geht sie, wenn auch weniger ausführlich auf die französische Post ein (S. 64ff.). Die Post wurde in Frankreich zunächst in der Betriebsform einer „ferme des Postes et Messageries“ als Pachtpost betrieben. Die Revolution legte das Briefgeheimnis erstmals rechtsverbindlich in Europa fest und schaffte die Franchise (Portofreiheit). Erst 1793 wurde die Generalverpachtung der einzelnen Postdienste (Briefpost, Reitpost, fahrende Posten [messageries]) aufgelöst und eine staatliche Post eingeführt (S. 73ff.). Ein Postzwang bestand nur für Briefe und periodische Schriften bis zu einem Gewicht von einem Kilogramm. Auf dem Gebiet der Fahrposten herrschte ein gesetzlich begründeter Wettbewerb; allerdings wurden ab 1805 neue Anbieter nicht mehr zugelassen. Die erste Phase der Übernahme französischer Einrichtungen war durch Experimente mit der Postverwaltung gekennzeichnet, die mit der Unterstellung der Post im Rheinland unter die Pariser Generalpostdirektion 1799 ein Ende fand. Damit hatte auch der Streit um die zuständige Postaufsichtsbehörde zu Beginn der französischen Herrschaft ein Ende gefunden. 1798 wurde der französische Portotarif und der Verwaltungsaufbau sowie die Hierarchie der Postämter übernommen. Während der Postmeister eines untergeordneten Postamtes bei der Thurn und Taxis’schen Reichspost als selbständiger Unternehmer im Sinne des heutigen Franchisesystems fungierte, wurden die von Frankreich übernommenen Reichspostangehörigen Beamte des französischen Staates, die den Bürgereid zu leisten hatten. Beseitigt wurde 1798 das alte Privileg der Postbeamten auf Befreiung von der militärischen Einquartierung. Der Postzwang wurde auf Briefe bis zu einem Kilo beschränkt und die fahrende Post entsprechend dem Messageriesystem freigegeben.

Die zweite Phase der rheinischen Post stand im Zeichen der geordneten Verwaltung nach französischem Muster (1799-1813), wobei ab 1803 die Pariser Postgesetzgebung unmittelbar galt. Allerdings fielen der hohe rechtliche Organisationsgrad und die Effektivität der Versorgung erheblich auseinander, was u. a. auf das mangelnde Interesse Napoléons am Postwesen zurückzuführen sein dürfte. In einem weiteren Abschnitt über die Beziehungen der deutschen Posten (als Plural von Post) zur französischen Post geht die Verfasserin vor allem auf die Auswirkungen des Reichsdeputationshauptschlusses und der Rheinbundverfassung auf Thurn und Taxis ein, das 1806 seinen Sitz in Regensburg genommen hatte, das dem Fürstprimas des Rheinbundes Dalberg unterstand. Insgesamt kam es zum Verfall der Reichspost und zu einer Konkurrenz mit den Landesposten auf den Territorien des ehemaligen Reiches. – 1814 gelang es dem Fürstenhaus Thurn und Taxis, im Rheinland die Postverwaltung vorläufig zu übernehmen. Allerdings blieben die privaten Messagerieunternehmen bestehen. Auf dem Wiener Kongreß konnte sich Thurn und Taxis mit der Forderung nach Errichtung eines nationalen und zentralen Postwesens unter seiner Verwaltung auch für das Rheinland und damit zusammenhängend nach Wiedererlangung der Souveränität und Rückgängigmachung der Mediatisierung und endlich auch nach einer Entschädigung für die 1806 verlorenen Posten nicht durchsetzen. Während es faktisch in den deutschen Mittel- und Kleinstaaten zu einer Regeneration der ehemaligen auf Reichslehen beruhenden fürstlichen Post kam, verdrängten Bayern und auch Preußen die Thurn und Taxis’schen Postanstalten vollständig. Zum 1. 7. 1816 übernahm Preußen die rheinischen Postanstalten und -beamten von Thurn und Taxis. Auf der Grundlage der preußischen Postordnung von 1782 wurde der Postzwang für Pakete bis 40 Pfund eingeführt (so wohl die Verfasserin S. 253; unklar hierzu S. 260f.). Im übrigen blieben die Grundlagen des französischen Rechts und auch des Postrechts des Großherzogtum Bergs, das sich von jenem in einigen Details unterschied, bestehen. Die privaten Fahrposten wurden zum 1. 10. 1822 gänzlich aufgehoben. Anschließend behandelt die Verfasserin noch die Verhandlungen über das rheinische Postrecht auf den Provinziallandtagen von 1827, 1832 und 1837, allerdings ohne dabei die Originalquellen über die Beratungen (S. 264ff.) heranzuziehen. Der Antrag der Stände war 1832 auf die völlige Abschaffung des Postzwangs, zumindest aber des Postzwangs für Pakete unter vierzig Pfund gerichtet. Berlin kam diesen Wünschen allerdings nicht entgegen, da die preußische Post bereits im 18. Jahrhundert als Staatsunternehmen organisiert war, „um die Loyalität dem Staate gegenüber zu fördern und den militärischen Interessen des Staates als Nachrichtenübermittler dienen zu können“ (S. 265). Das preußische Postrecht wurde durch das Postgesetz von 1852 vereinheitlicht, das „eine ungeheure Verschärfung des Postzwangs“ für die Rheinländer bedeutete, die auf diesem Gebiet liberalere und wettbewerbsfreundlichere Regelungen aus französischer Zeit gewohnt waren.

Die Schlußbetrachtung befaßt sich mit der Frage, ob die Post im Rheinland während der französischen Zeit als Vorbild für die Privatisierung der Post in unserer Zeit dienen kann (S. 271ff.). Wenn diese Fragestellung, die auch im Verlauf der Arbeit mehrmals aufgegriffen wurde, für die Gegenwartsdiskussion wenig ergiebig erscheint, so wird hierdurch jedoch die überwiegend historische Darstellung nicht beeinträchtigt. Schwerpunkt des Werkes ist die Postverwaltung im Rheinland zwischen 1793 und 1814. Leider ist das innerfranzösische Postrecht der Revolutionszeit nicht sehr klar dargestellt (S. 69ff.); ähnliches gilt für das Postrecht unter Napoleon, das im wesentlichen nur im Zusammenhang mit seiner Geltung in Deutschland dargestellt wird (S. 173ff.). Obwohl nach der Verfasserin Grundtenor des gesamten für die Zeit zwischen 1800 und 1813 ausgewerteten Aktenmaterials die Klagen über Probleme bei der Abwicklung des Postdienstes aufgrund es großen Geldmangels war, ist sie auf die die Rheinländer nicht zufriedenstellenden Postdienste im einzelnen nicht näher eingegangen. Auch wenn sozialgeschichtliche Fragen in der primär auf das Organisationsrecht ausgerichtete Untersuchung der Verfasserin nicht im Vordergrund standen, hätte mit der Darstellung von Details der Postdienstleistungen und deren Preisen – wie war etwa der französische Posttarif in dieser Beziehung zu beurteilen? – das Werk etwas mehr an Anschaulichkeit gewonnen. Insgesamt beruht das Werk auf den reichhaltigen, allerdings nicht vollständig überlieferten Aktenbeständen der Archive in Düsseldorf, Koblenz, Regensburg (Fürst Thurn und Taxis Zentralarchiv), des Geheimen Staatsarchivs Berlin-Dahlem und in Paris. Die Verfasserin hat somit ein weiteres wichtiges Gebiet des rheinischen Rechts erschlossen, das allerdings weniger wirkungskräftig war als das französische Zivil- und Justizrecht, aber insgesamt die Rheinländer mit einem liberalen, nicht völlig verstaatlichten Postwesen vertraut gemacht hat.

 

Kiel                                                                                                               Werner Schubert