Wallenstorfer, Richard, Jüdisches Leben im Rahmen der sich wandelnden politischen Landschaft Österreichs von 1867 bis 1938. Kovač, Hamburg 2020. 109 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Die Angehörigen der Religionsgemeinschaft Judentum besiedelten, auch wenn ihre Frühgeschichte nicht eindeutig feststellbar ist, ursprünglich vermutlich das Gebiet um Jerusalem, Hebron und Beer Sheva. Nach einem erfolglosen Aufstand gegen die Herrschaft der Römer verstreuten sie sich über weite Bereiche des römischen Reiches. Immer wieder grausam verfolgt, erweiterten sie bis in die Gegenwart ihre Niederlassungen auf die gesamte Welt, wenn sie unter dem Einfluss westlicher Großmächte auch den Staat Israel nach dem zweiten Weltkrieg als neuen Kristallisationspunkt von den Palästinensern gewinnen konnten.
Nach dem kurzen Vorwort der vorliegenden schlanken Arbeit befasst diese sich zentral mit der soziokulturellen Situation und Integration der jüdischen Bevölkerung Österreichs von der eigentlich bereits 1804 beginnenden Kaiserzeit bis zu dem unter Engelbert Dollfuß geschaffenen autoritär geführten Bundesstaat. Gegliedert ist die Studie nach einer kurzen Einleitung in fünf Sachkapitel. Diese betreffen die thematische Ausgangssituation, die Doppelmonarchie Österreich-Ungarn, den ersten Weltkrieg, die erste Republik und den Bundesstaat Österreich.
Grundlage der wohl als Bachelorarbeit bei Ursula Mindler-Steiner an dem Institut für Geschichte in Graz entstandenen Untersuchung ist die vorliegende Sekundärliteratur. Zu den rund vierzig genannten Titeln gehört auch die vierte Auflage der Rechtsgeschichte Hermann Baltls von 1979. Die zentrale Fragestellung der Untersuchung der politischen Umstände, die zu der Änderung der Staatsform geführt haben, wie sich die Rechtsprechung diesen Umständen angepasst und wie sich dieser Wandel von Staatsform und Rechtsprechung schließlich in gesellschaftlich relevanter Weise auf die jüdische Bevölkerung ausgewirkt hat, dürfte auf diesen Grundlagen durchaus angemessen betrachtet sein, wenn der Verfasser an dem Ende zu dem Ergebnis kommt, dass die österreichischen Juden und Jüdinnen an dem Schluss der Untersuchungszeit mit einem Staat konfrontiert waren, der nicht nur die teilweise bereits vorhandenen antisemitischen Tendenzen der nichtjüdischen Bevölkerung beträchtlich förderte, sondern auch in nie dagewesener Weise ein systematisches Vorgehen gegen Juden und Jüdinnen in seiner politischen Einflusssphäre forcierte, das in dem Versuch ihrer Vernichtung gipfelte.
Innsbruck Gerhard Köbler