Röper, Johanna, Das uneheliche Kind (uægte barn) und seine Mutter in der norwegischen Gesetzgebung zwischen 1892 und 1917 unter besonderer Berücksichtigung der Castberg’schen Kindergesetze (= Rechtshistorische Reihe 490). Lang, Berlin 2020. 502 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Das Kind zweier Menschen ist das Ergebnis der natürlichen Gegebenheiten seiner Eltern, das die moderne Wissenschaft in verschiedenen Randbereichen auch bereits künstlich beeinflussen kann, selbst wenn diese derzeit in der Regel noch die Ausnahme bilden. Demgegenüber ist die Unehelichkeit eines Kindes die Folge von in der Natur völlig fehlenden, erst von dem Menschen mit Hilfe des von ihm geschaffenen Rechtes festgesetzten Gegebenheiten. Nach einem dem Werk vorangestellten Vorspruch Johan Castbergs von 1912 lässt sich der Grad der Zivilisation eines Landes daran messen, welche Rechte die Kinder und Frauen haben.

 

Nach dem Vorwort der Verfasserin ist die vorliegende Untersuchung die von Werner Schubert angeregte und optimal geförderte, von der Universität Oslo und Archiven Norwegens sowie dem Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg, der Kanzlei Boege Rohde Luebbehuesen und der deutsch-norwegischen Juristenvereinigung e. V. unterstützte, der Mutter gewidmete Arbeit. Sie ist nach einer Einleitung in vier chronologische Abschnitte gegliedert. Diese betreffen nach einem historischen Überblick über die staatsrechtliche Entwicklung Norwegens, die verfassungsrechtliche Entwicklung Norwegens, die gesellschaftliche und rechtliche Stellung der Frau in Norwegen in dem 19. Jahrhundert, die rechtliche gesellschaftliche und rechtliche(!) Stellung des Kindes in Norwegen im 19. Jahrhundert sowie Johan Castberg (1862-1926, Radikale Volkspartei) und die mit ihm verschwägerte Frauenrechtlerin Katti Anker Møller (1868-1945) als Initiatoren der familienrechtlichen Reformen und der Castberg’schen Kindergesetze die Gesetzgebung von 1892 bis 1911, die Castberg’schen Kindergesetze von dem 10. April 1915 und das Gesetz über die Adoption von dem 2. April 1917.

 

Insgesamt zeichnet die Verfasserin, die einen Teil ihrer Schulzeit in Norwegen verbrachte und Rechtswissenschaft an den Universitäten Hamburg und Oslo studierte, die Entwicklung der Castberg’schen Kindergesetze, durch die Norwegen als erstes europäischen Land 1915 die rechtliche Gleichstellung der unehelichen Kinder mit den ehelichen Kindern festlegte, sorgfältig und detailliert nach. Der umfangreiche Anhang bietet die Texte der Gesetze Norwegens in dem norwegischen Original und in deutscher Übersetzung. Auf diese Weise gelingt es der Verfasserin, eindrucksvoll zu zeigen, welche bedeutende Rolle die 2017 in die Liste des UNESCO-Dokumentenerbes aufgenommenen Castberg’schen Kindergesetze auf dem mühsamen Wege von der durch die vorwiegend von Männern geprägte christliche Kirche geförderten Diskriminierung der an ihrer Unehelichkeit unbeteiligten Kinder bis zu der aufgeklärten grundsätzlichen Gleichstellung aller Kinder einnehmen.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler