Recht und Wirtschaft in Stadt und Land – Law and Economics in Urban and Rural Environment. Neunter Rechtshistorikertag im Ostseeraum 16.-20. Mai 2018 in Tallinn, Sagadi und Tartu, Estland hg. v. Luts-Sootak, Marju/Schäfer, Frank L. (= Rechtshistorische Reihe 488). Lang, Frankfurt am Main 2020. 472 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Ein Meer trennt zwar einerseits Länder, Universitäten und Menschen voneinander, kann aber in den Zeiten moderner Verkehrsmittel leicht den Mittelpunkt übergeordneter Gemeinsamkeiten bilden. In diesem verbindenden Sinne organisierten Hans Hattenhauer (1931-2015) und sein Schüler Jörn Eckert (1954-2006) in Zusammenarbeit mit Kjell Åke Modéer aus Lund in dem März 2000 in dem Landeskulturzentrum Salzau in dem Kreis Plön in Schleswig-Holstein mit großem Erfolg einen ersten Rechtshistorikertag in dem Ostseeraum. Dem folgten rasch weitere Treffen in Lund (2002), Helsinki und Turku (2004), Greifswald (2006), Kopenhagen (2008), Tartu und Riga (2010), Schleswig, Lübeck und Sehlendorf (2012) sowie Thorn (2015). 2018 wurde nach dem Wechsel von einem zweijährigen zu einem dreijährigen Rhythmus eine neunte Tagung unter Führung der Rechtshistorikerinnen und Rechtshistoriker der Universität Tartu in Estland an drei Orten ausgerichtet.

 

Der Einladung zu einem nach Geschichte und Perspektiven des Rechts, juristische Fakultäten und Juristenausbildung, Juristen, Gerichtskultur, Nationalismus, Einheit und Vielfalt, Justiz und Justizverfassung, Judiciary and Society between Privacy and Publicity wiederum sehr weit gefassten Thema folgten insgesamt 73 Teilnehmer aus den elf Ländern Dänemark, Deutschland, Estland, Lettland, Litauen, Norwegen, Österreich, Polen, Russland,  Schweden und Tschechien, die entweder an die Ostsee angrenzen oder auf die in einem weiteren Ausmaß die Ostsee wohl schon seit langer Zeit ausstrahlt, wenn man allein an den Bernsteinhandel denkt. In einem beeindruckenden Wechsel von der Stadt auf das Land und wieder zurück behandelten 26 Referenten in ihren nach den Familiennamen alphabetisch geordneten Studien zahlreiche interessante Einzelfragen. In der Einleitung skizzieren die beiden Herausgeber die wichtigsten allgemeinen Punkte.

 

An dem Beginn steht das Problem, ob ein Kleriker serfs haben kann. Danach werden das Jagdrecht in dem Generalgouvernement zwischen 1939 und 1945, die Reichweite der Schule von Salamanca in fragender Beziehung zu Rechtsgeschichte und Rechtsräumen, Maßnahmen gegen Bettelei und Landstreicherei, die Anwendung des Code de commerce in polnischen Territorien, der Eisenbahnbau in den nordöstlichen Provinzen Preußens, Grundstücksrechtsfragen, der Strafvollzug in norddeutschen Zuchthäusern, die Restitution des Privateigentums nach der Besatzung durch die Sowjetunion, das geteilte Eigentum in Estland, der Ablieferungszwang landwirtschaftlicher Erzeugnisse in Polen, Testamente in Russland, das Notarsamt in Lettland, die Strafgesetzgebung in Russland 1917, die russische Gasthofsordnung von Narva (1652), Chancen und Risiken des Forschungsfeldes Recht als ökonomischer Faktor, possessorische Hilfen in dem kaiserlichen Russland, Codices iuris Lubecensis, die Patronatsrechte während der Reformation in Livland, das Gewerberecht in den Herzogtümern Schleswig und Holstein, das Kolonenrecht des Codex Iustinianus bei David Hilchen, das Stadtrecht in Böhmen in dem 16. Jahrhundert und der Übergang von Städtern und Bauern zu Bürgern in Polen zwischen 1788 und 1792 untersucht. Den Schlusspunkt des gehaltvollen Bandes setzt Andreas Wacke mit einem Resümee seiner an anderer Stelle zu veröffentlichenden Untersuchung über Bernsteingewinnung und Bernsteinmonopol in dem Baltikum, in dem er auf die schon dem Altertum bekannte Verbindung zwischen dem Baltikum und Italien hinweist, welche Nord und Süd ebenso weiträumig verknüpft wie thematisch der Ostseeraum die beteiligten Forschenden.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler