Jordanov, Daniel, Arrêts de règlement – Gerichtliche Gesetzgebung im frühneuzeitlichen Frankreich am Beispiel des Parlements de Provence (= Rechtshistorische Reihe 493). Lang, Berlin 2020. 246 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Die Betrachtung der Vergangenheit aus dem Blickwinkel der Gegenwart zeigt die Möglichkeiten vielfältiger Veränderungen ebenso wie die Möglichkeit der unveränderten Bewahrung über lange Zeiten, wenn schon nicht für immer, weil das sich stetig ausdehnende Universum beispielhaft aus einem winzigen ungeklärten Anfang heraus zu seiner augenblicklichen, in der Zukunft wohl noch weiter zunehmenden Gestalt gewachsen ist. Für die Gegenwart ist seit Charles Montesquieus Werk über den Geist der Gesetze von 1748 die Dreiteilung der staatlichen Gewalt in Gesetzgebung, Ausführung und gerichtliche Kontrolle grundlegend. Von daher erregt die gerichtliche Gesetzgebung wie von selbst die naheliegende Neugier des Betrachters.

 

Die sich mit ihr beschäftigende vorliegende Untersuchung ist die von Peter Oestmann angeregte und herausragend betreute, 2019 von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Münster angenommene Dissertation des dort in Rechtswissenschaft ausgebildeten und als wissenschaftlicher Mitarbeiter an dem Institut für Rechtsgeschichte tätigen, erfreulicherweise ohne Sorgen in eine ungewisse Zukunft blickenden Verfassers. Sie ist nach einer ausführlichen Einleitung über das Thema und seine Begriffe (arrêts de règlement, parlements, Quellenbegriff, Forschungsbegriff) sowie den Forschungsstand in der deutschsprachigen und in der französischsprachigen Literatur und die Zielsetzung und Themenbegrenzung in zwei Kapitel gegliedert. Diese betreffen etwas kürzer die Parlements als Gerichte für die Verwaltung des Königreichs und dementsprechend ausführlicher die arrêts de règlement des von 1501 bis 1790 bestehenden Parlements de Provence in ihrem archivalisch überlieferten Bestand und in der gedruckten, zwischen 1603 und 1744 246 Stücke von vielleicht errechenbaren 4500 arrêts umfassenden Sammlung Grimaldy de Régusses, die typischen Regelungsgebiete und Gegenstände wie Müllentsorgung, gefährliche Waffen und Maskeraden, Getreide, Fischverkauf, Berufsausübung sowie Religion und Sitten, Aufbau, Form und Stil von Anfrage, Dispositiv in objektivem Stil und Bekanntmachungsformel und das Verfahren von der Einleitung durch Anfragen und Beschwerden über Ermittlungen und Zwischenakte bis zu der Bekanntmachung.

 

Nach sorgfältigen, selbstständigen Überlegungen ordnet der Verfasser das Parlement de Provence als in dem Gewand eines Gerichtshofs handelnden Gesetzgeber ein. Im Anschluss hieran weist er auf das dabei bestehende Problem der Durchsetzung besonders hin, das noch bis in das Jahr 1789 besteht, in dessen Sommer die Überlieferung aus Furcht vor der Revolution trotz Weiterführung der Register abreißt. Auf das Verhältnis von Urteil und Gesetz bezogen artikuliert er nach Ablehnung der Erklärung des Widerspruchs zu der vorrangigen Rolle der Parlements als Gerichte mit der bloßen Vermengung von Gewalten in dem ancien régime poetisch: wie der Mond bloß das Licht der Sonne reflektiert, spricht der Richter Recht nur mit der Kraft des Gesetzes.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler