Zuckerman, Kazimira, Missbräuchliche Arbeitsverhältnisse. Eine Untersuchung über Leiharbeit und Werkverträge. Berliner Wissenschaftsverlag, Berlin 2019. 202 S. Besprochen von Albrecht Götz von Olenhusen.

 

Die Flucht in Leiharbeit und scheinbare Werkverträge gehört zu den verbreiteten Charakteristiken in der Geschichte des Arbeitsrechts und Wirtschaftsrechts. Ihre gesamtwirtschaftlichen und individuellen Folgeerscheinungen und die mal mehr, mal weniger halbherzigen Reformversuche, die historischen Fehltritte und Rückschritte werden in dieser Dissertation (Humboldt-Universität Berlin, Betreuer Reinhard Singer) im Kontext ökonomischer Entwicklungen normativ, dogmatisch und praxisbezogen nachgezeichnet.

 

 Die längst überfälligen Revisionen des seit 1972 geltenden AÜG sollte den seit langem unübersehbaren Missbräuchen entgegenwirken. Aber die mit sozialen und rechtlichen Einschnitten verbundene Hartz I-Reform erweiterte und salvierte die Missbräuche beträchtlich, und zwar stets auf Kosten der Arbeitnehmer. Leihverträge, Zeitverträge und Werkverträge erstarkten zu festen Größen des Arbeitsmarkts. Gleiches gilt für die Ausweitung der sog. freien Mitarbeiter, die in Wahrheit faktisch als Arbeitnehmer eingesetzt werden. Die fantasiereiche Expansion der Scheinverträge in unterschiedlichen Variationen gehört zu den fragwürdigen Folgen.

 

Der Missbrauch hat zunehmende Konjunktur in Buchbranchen und Verlagsbranchen (S. 30f.). Er grassiert jedoch, wie zu ergänzen wäre, auch in anderen Bereichen der Medienwirtschaft und Kulturwirtschaft des öffentlichen und privaten Rechts.

 

Zu den Reformbemühungen zählt der „neu“ normierte Arbeitnehmerbegriff (§ 611a BGB; 2. Teil). Sehr detailliert und zutreffend kritisiert die Verfasserin, dass mit der normativen Festschreibung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kein durchgreifender Beitrag zur Bekämpfung von Missbräuchen geliefert worden ist. Sie legt das auch anhand der historischen Entwicklung pointiert dar. Zur Lösung der Abgrenzungsprobleme in punkto Werkvertrag trägt die so hoffnungsfroh propagierte, zur Norm erhobene typologische Methode wenig bei. Ein Mehrwert für Rechtspraxis und Betriebspraxis ist nicht sichtbar. Auch das europäische Arbeitsrecht hilft nicht weiter (zumal das Bundesarbeitsgericht an seinem davon abweichenden Arbeitnehmerbegriff festhält).

 

Die Reform des AÜG (3.Teil) musste dem EU-Recht entsprechen. Der Spielraum des richterlichen Ermessens wurde nicht wesentlich verringert. Der „Graubereich“ sollte durch rechtstechnische Mittel vermindert werden (S. 92ff.). Die neuen zeitlichen Schranken werden freilich kaum praktisch wirksam werden. Die luzide Kritik Zuckermans an der Reformeuphorie trifft daher den Kern, wie auch den nicht generell gelungenen Versuch, die Lohngleichhandlung zu implementieren.

 

Die Reform, so könnte man die Ergebnisse resümieren, ist gutwillig, gut gemeint, aber nicht allenthalten durchgreifend. Die Änderungen der Betriebsverfassung und Mitbestimmung bieten eine Reihe von Verbesserungen (S. 117-183). Als Fazit bleibt, dass die präzise Arbeit einleuchtend die Schwachstellen der für sich genommen tendenziell begrüßenswerten Reform analytisch sorgfältig offenbart.

 

Die unternehmerische Praxis hat allerdings noch weitere vielfältige Umgehungsformen entwickelt. Deren Kenntnis ist anscheinend bei den rechtspolitischen Instanzen weniger wirksam (s. a. S. 32). Eine verbreitete Praxis, über Leihe, Werkverträge oder Befristungen im Kontext von Outsourcing-Varianten Stammpersonal durch Scheinselbständige zu ersetzen und leichtere Disponibilität mit Kosteneinsparungen contra legem AÜG zu verknüpfen, wird durch die bisherige auch noch lückenhafte Reform kaum verhindert. Nicht selten sind bekanntlich die zum Teil gewünschten Scheinfirmen freier Mitarbeiter, die – vom Arbeitgeber angeregt – gänzlich der Weisungsmacht und Dispositionsmacht des Vertragspartners unterliegen, aber angeblich aus dem Schutzfeld des Arbeitsrechts herausfallen, die verbreiteten Instrumente der Umgehungen. Zusätzliche Probleme dieser Art und des Outsourcing stehen nicht im Kern dieser sehr eingehenden, begrüßenswerten Arbeit. Diese liefert jedoch eine fundierte, jederzeit sachliche und wohlbegründete Kritik an einem leider reformbedürftigen Reformwerk.

 

Düsseldorf                                                     Albrecht Götz von Olenhusen