Zimmermann, Walter, Testamente und Erbstreitigkeiten von Kriemhild bis Cornelius Gurlitt. Beck, München 2018. X, 269 S. Besprochen von Reinhard Schartl.

 

Der Verfasser, ehemals Vizepräsident des Landgerichts Passau und nach wie vor Honorarprofessor an der Universität Regensburg, ist bereits durch zahlreiche Veröffentlichungen unter anderem zum Erbrecht hervorgetreten. Er wendet sich mit dem zu besprechenden Buch an kunstgeschichtlich oder juristisch interessierte Leser. Nach einer Einführung geht er in 29 Kapiteln auf Testamente, Nachlassabwicklung und Nachlassstreitigkeiten meist bedeutender Menschen ein, beginnt allerdings mit der Erbteilung zwischen Kriemhild und ihren Brüdern Gunther, Gernot und Giselher im sagenhaften Nibelungenlied. Von den folgenden Kapiteln, die Vorgänge vom 14. Jahrhundert bis in die Gegenwart behandeln, sollen nur einige rechtsgeschichtlich und rechtswissenschaftlich bedeutsame Abhandlungen angesprochen werden (weitere Abschnitte betreffen unter anderem Erasmus von Rotterdam, Immanuel Kant, Johann Wolfgang von Goethe, Kaiser Franz Joseph von Österreich, Franz Kafka, Albert Einstein, Axel Springer). In dem Martin Luther betreffenden Kapitel geht Zimmermann ebenso wie im Vorwort in aller Kürze auf die Geschichte des aus dem römischen Recht stammenden Testaments und seiner Anerkennung im deutschen Reich ein. Ludwig van Beethovens „Heiligenstädter Testament“ (1802) hat zwar vorwiegend für die Musikgeschichte Bedeutung, weil der Komponist darin die Bedrängnis durch seine bereits fortgeschrittene Taubheit offenbarte. Im rechtlichen Sinne liegt aber auch ein Testament vor, mit dem er seine Brüder Carl und Johann zu Erben einsetzte. Dass es sich um einen an die Brüder gerichteten, aber niemals abgesandten Brief handelt, sieht Zimmermann ebenso als Frage der Verbindlichkeit der Verfügung an wie er auf Zweifel an der Testierfähigkeit Beethovens hinweist. Zu Recht ausführlich behandelt der Verfasser die letztwillige Verfügung des 1860 ohne Nachkommen verstorbenen Philosophen Arthur Schopenhauer. In einem Testament (1852) und einem Kodizill (dem Bürgerlichen Gesetzbuch nicht mehr bekannter Testamentsnachtrag, 1859) setzte er zunächst den Fonds für die preußischen Invaliden der „Aufruhr- u. Empörungs-Kämpfe der Jahre 1848 & 1849“ als Universalerben ein. Zusätzlich bestimmte er neben einer Leibrente für seine Hausmagd zahlreiche Legate, unter anderem bezüglich seiner Bücher, Kunstwerke, Musikinstrumente und anderen Instrumente sowie des Verlagsrechts für zukünftige Auflagen seiner Schriften. Ausdrücklich schloss er die Falcidische Quart (von Vermächtnissen freier Teil des Erbes) aus. Zimmermann erklärt dies eingehend aus rechtsgeschichtlicher Sicht. Im folgenden Kapitel stellt der Verfasser – mit einer an dieser Stelle zweckmäßigen Erläuterung der Testierfreiheit – das noch vor Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs 1897 erlassene Hausgesetz des Fürstenhauses Leiningen vor, dessen inhaltliche Fortgeltung 1925 durch eine erbvertragliche Verfügung des damaligen Oberhaupts des Fürstenhauses gesichert wurde. Die Gerichte der Bundesrepublik Deutschland hielten die Verfügung trotz der darin vorgesehenen Einschränkung der Eheschließungsfreiheit für die erbberechtigten Abkömmlinge für grundgesetzgemäß. Ebenfalls im Hochadel bewegen sich die Kapitel über die Wittelsbacher. Ein Kapitel betrifft den Nachlass und die Erbfolge des geisteskranken und damit testierunfähigen Königs Otto I. von Bayern, der gesetzlich und gemäß dem Wittelsbacher Familienstatut von 1819 von seinen Cousins, Prinzregent Luitpold und Adalbert, als Nachkommen seiner Vaterbrüder beerbt wurde. Die Erbschaftssteuer wurde auf ca. 3,8 Millionen Goldmark festgesetzt. Einer der Erben war König Ludwig III., der jedoch steuerbefreit war. Sehr ausführlich behandelt ein zweites Kapitel den Nachlass der Wittelsbacher, die nach dem ersten Weltkrieg für den Verlust ihres an den Staat gefallenen Vermögens durch Errichtung des Wittelsbacher Ausgleichsfonds entschädigt wurden. Das Vermögen und die Erträge dieses Fonds wurden bis 2014 geheim gehalten. Ausschüttungen waren nur für die thronfolgefähigen männlichen Mitglieder der Familie vorgesehen. Die weiblichen Familienmitglieder scheiterten nach dem zweiten Weltkrieg mit ihren auf den Gleichberechtigungsgrundsatz gestützten Klagen. Hier klingt immer wieder die Kritik Zimmermanns an der Art und Weise und der Höhe der Zahlungen als „Einkommen ohne Arbeit“ durch. Ein weiteres Kapitel erörtert die letztwillige Verfügung Adolf Hitlers, der am 29. April 1945 schon in der Absicht, sich selbst zu töten, einer Sekretärin ein Testament diktierte. Er setzte als Erben die – kurz nach Kriegsende aufgelöste – NSDAP und als Ersatzerben „den Staat“ (in diesem Falle den Freistaat Bayern) ein. Das Testament war zwar nach den Formvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs unwirksam, wurde aber vom Nachlassgericht als gültiges Militärtestament anerkannt, weil Hitler Wehrmachtsangehöriger gewesen sei. Verwickelt waren die Verhältnisse innerhalb der Industriellen-Familie Krupp, die durch das Bestreben geprägt wurden, das Fabrikvermögen – seit Anfang des 20. Jahrhunderts in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft – in einer Hand zu erhalten. Noch während des zweiten Weltkriegs – mit guten Umsätzen im Waffengeschäft – wurde testamentarisch eine Familienstiftung angeordnet. Von hohen Erbschaftssteuerlasten und Pflichtteilsverpflichtungen bewahrte die Familie ein Führererlass, durch den die Krupp AG in ein „Familienunternehmen“ umgewandelt wurde. Nach dem Krieg wurde die Aktiengesellschaft wiederhergestellt. Das zwischenzeitlich einer Erbengemeinschaft gehörende Aktienvermögen wurde 1967 in eine Stiftung übertragen. Die weltgrößte private Käfersammlung des Textilherstellers Georg Frey wurde nach seinem Tod 1976 in das nationale Kulturgüterverzeichnis eingetragen, um einen Verleih durch seine Ehefrau als testamentarischer Alleinerbin an das Naturhistorische Museum Basel zu verhindern. Die Erbin setzte dann letztwillig einen Baseler Förderverein zum Erben ein. Dieser erwirkte eine Ausfuhrgenehmigung durch politische Entscheidung des Bundesinnenministeriums. Zimmermann kritisiert – auch unter Hinweis auf das ähnliche Schicksal der in die Vereinigten Staaten von Amerika verkauften Waldseemüller-Karte – nicht ohne Berechtigung, dass der Kulturgüterschutz auf diese Weise von der Politik „ausgehebelt“ werden kann. Das postmortale Persönlichkeitsrecht thematisiert Zimmermann anhand eines Rechtsstreits zwischen der Witwe Willy Brandts und dem Hersteller einer Willy-Brandt-Gedächtnismedaille mit einem Bildnis des ehemaligen Bundeskanzlers. Eine Erläuterung des Pflichtteilsrecht und insbesondere des Pflichtteilsergänzungsanspruchs erhält der Leser durch die Schilderung einer Auseinandersetzung zwischen der für den Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche verantwortlichen Stiftung und der Erbin eines großzügigen Spenders, welcher der Stiftung zu Lebzeiten und durch ein Vermächtnis einen Großteil seines Vermögens zugewandt hatte. Dadurch erreichte der verbleibende Nachlass nicht die Höhe des gesetzlichen Pflichtteils. Der Bundesgerichtshof sah darin eine beeinträchtigende Schenkung, weshalb die Stiftung einen Teil der Zuwendungen zurückzahlen musste. Im vorletzten Kapitel geht es um den Zettelkasten des Soziologen Niklas Luhmann, der auf etwa 90.000 Zetteln Lesefrüchte und Gedanken notiert hatte. Nach seinem Testament sollte eines seiner drei Kinder – als Vorausvermächtnis – alle Rechte aus „Publikationen einschließlich Neuauflagen, Lizenzen etc.“ erhalten. In einem Rechtsstreit zwischen den Erben entschied das Oberlandesgericht Hamm, dass das Vorausvermächtnis das gesamte wissenschaftliche Werk einschließlich der Urheberrechte sowie das Eigentumsrecht an dem Zettelkasten umfasste, was der Verfasser mit guten Argumenten kritisch kommentiert. Das leicht verständlich geschriebene Buch offenbart viele interessante Details aus den Familienverhältnissen und Vermögensverhältnissen der beschriebenen Personen und führt den rechtlichen Laien in erbrechtliche Grundfragen ein.

 

Bad Nauheim                                                             Reinhard Schartl