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Weiss, Sabine, Maximilian I. Habsburgs faszinierender Kaiser. Tyrolia, Innsbruck 2018. 400 S., 303 Abb. Besprochen von Werner Augustinovic.
Am 12. Januar 2019 hat sich der Todestag Kaiser Maximilians I. zum fünfhundertsten Mal gejährt. Mit der Ära dieses populären habsburgischen Herrschers hat sich insbesondere der in Osttirol geborene, einst an der Universität Graz als Professor für österreichische Geschichte wirkende Hermann Wiesflecker (1913 – 2009) zeit seines langen Forscherlebens befasst. Zahlreiche von ihm betreute Dissertationen erforschten die Grundlagen für sein fünfbändiges Standardwerk „Kaiser Maximilian I. Das Reich, Österreich und Europa an der Wende zur Neuzeit“ (1971 – 1986), auf das auch der vorliegende, großformatige und prächtig illustrierte Jubiläumsband im Wesentlichen aufbaut. Er soll, so die Verfasserin Sabine Weiss, eine ehemalige Studentin, dann editorische Mitarbeiterin Hermann Wiesfleckers und unter anderem Verfasserin einer Lebensgeschichte Bianca Maria Sforzas (2010), Maximilians zweiter Gemahlin, aber nicht „eine Biographie im üblichen Sinn“ darstellen, sondern „diejenigen Ereignisse seines bewegten Lebens herausstreichen, die zukunftsweisend waren: die Weitung des Horizonts über Österreich hinaus bis nach Amerika und Südostasien, die Begründung der Donaumonarchie bis nach Südosteuropa, die jahrhundertelange Verknüpfung Österreichs mit dem Kaisertum des Hauses Habsburg, die Wien zur Kaiserstadt machte und noch heute für den Tourismus von entscheidender Bedeutung ist“ (S. 8). Die intensive Auseinandersetzung mit den Quellen habe dabei auch neue Erkenntnisse zutage gefördert, so die Identifikation der Begleiter Maximilians in dem Relief an dem Prunkerker unter dem „Goldenen Dachl“ in Innsbruck als seine Tiroler Vorläufer Friedrich III. und Sigismund der Münzreiche, oder die Erkenntnis, dass ihm die Fresken der Südtiroler Burg Runkelstein, die er 1501 besuchte, die Inspiration für sein Grabmonument mit den berühmten „Schwarzen Mandern“ in der Innsbrucker Hofkirche lieferten.
Tatsächlich erweist sich der Band bei der Lektüre als der gelungene Versuch einer anschaulichen, facettenreichen und dabei allgemein verständlichen, in 15 thematische Blöcke gegliederten Vorstellung des Kaisers in seiner Zeit. Eingangs wird der nicht zuletzt durch Fälschungen (Privilegium maius 1359/1360 als Kompensation der Nichtberücksichtigung der Habsburger in der Goldenen Bulle von 1356) legitimierte Aufstieg des Hauses Habsburg seit König Rudolf I. (1273) erläutert, Maximilians Vater Friedrich III. erlangte endlich die lange ersehnte Kaiserkrone (1452) und wurde zur „Schlüsselfigur für Habsburgs welthistorischen Aufstieg“ (S. 25), indem er den Verlust der Königreiche Böhmen und Ungarn durch die burgundische Heirat seines Sohnes Maximilian (1477) kompensierte und damit den Weg nach Westen auftat. Nach der Darstellung der frühen Jahre wird diese Verbindung des Kaisersohns mit Maria von Burgund ebenso ausführlich behandelt wie dessen zweite Eheschließung mit Bianca Maria Sforza (1493), eine „Mesalliance zur Finanzierung der Kaiserkrönung“ (S. 79), sowie die für den Machtausbau der habsburgischen Dynastie in Übersee und im Donauraum so folgenreichen spanischen (1496) und böhmisch-ungarischen (1515) Doppelheiraten. Maximilians Kaiserproklamation (1508), eine „Notlösung“, wurde „zu einer Tradition, die bis zum Ende des Heiligen Römischen Reiches (1806) Bestand hatte und die allmähliche Emanzipation des Kaisertums vom Papsttum sichtbar machte“ (S. 130); Karl V. sei 1530 der letzte Kaiser gewesen, der sich noch vom Papst krönen ließ, seinen Nachfolgern genügte fürderhin der Titel eines Erwählten Römischen Kaisers. Ein Kapitel „Persönlichkeit und Geschichte. Maximilian als Mensch und Herrscher“ (S. 145ff.) widmet sich der Lebenswelt des Herrschers und bildet in seiner Verknüpfung von Pflichten und Neigungen die Überleitung zur Würdigung der über das politische Tagesgeschäft hinausgehenden Interessen und Ambitionen dieses Kaisers. In der Folge erfährt der Leser Näheres über den kaiserlichen Autor, dessen Verhältnis zu den Frauen und zu Tirol, über Tod und Gedenken und über das, was an Bauwerken, Bildwerken und literarischen Werken vom Wirken Maximilians auf uns gekommen ist. Meister wie Albrecht Dürer und Peter Paul Rubens haben ihn porträtiert, sein populäres Epitheton des „letzten Ritters“ verdanke der Kaiser weitgehend einer beliebten Gedichtsammlung Anastasius Grüns (= Anton Alexander Graf von Auersperg) aus dem Jahr 1830.
Ihre besondere Aufmerksamkeit wendet die Verfasserin an die von Maximilian angestoßenen Schriften, deren Genese sie ebenso darlegt wie sie ausführlich auf den jeweiligen Inhalt eingeht. Denn „Maximilian wollte die Erinnerung der Nachwelt an ihn steuern. Dazu dienten seine autobiographischen Texte (lateinische Autobiographie, Weißkunig, Freydal, Teuerdank). Allerdings sollten diese Werke nicht in seinem eigenen Namen veröffentlicht werden, sondern durch von ihm ausgewählte Autoren. Dadurch konnte einerseits der Anschein der Objektivität erweckt werden und andererseits er selbst dem Vorwurf des Eigenlobs entgehen. Denn in allen Werken ging es natürlich um seine Verherrlichung“ (S. 217). In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass der vorliegende Band auch immer wieder Kurzbiographien jener mehr oder weniger prominenten Persönlichkeiten einstreut, denen in Maximilians Leben und Wirken relevante Rollen zufielen; für die Schriften sind hier vor allem Joseph Grünpeck (S. 218ff.), Marx Treitzsaurwein (S. 232ff.) und Melchior Pfinzing (S. 260ff.) zu nennen. Kaiser Maximilian hatte ausweislich seiner Notizbücher die Absicht, gezählte 33 Titel – mit Masse enzyklopädische Sachbücher – in Angriff zu nehmen, von denen neben den bereits oben erwähnten Werken „das Tiroler Jagdbuch, das Tiroler Fischereibuch, die Zeugbücher, das Gebetbuch für den St.-Georgs-Ritterorden, der Triumphwagen und die Ehrenpforte“ (S. 269) tatsächlich fertiggestellt werden konnten.
Im ebenfalls ausführlichen Abschnitt „Maximilian und die Frauen“ werden neben der Mutter, der Schwester, der Tochter und den beiden Gemahlinnen auch die „überraschend viele(n)“ (S. 299) Konkubinen des Kaisers vorgestellt und der Schluss gezogen, dass, „obwohl die genaue Zahl seiner illegitimen Nachkommen nicht bekannt“ sei (verschiedene Schätzungen reichen von neun bis dreißig), Maximilian „nach Sigismund dem Münzreichen sicher die meisten ‚natürlichen‘ Kinder aller habsburgischen Herrscher (hatte)“ (S. 302). Rechtsgeschichtlich von Interesse ist ferner das Institut der prokuratorischen Eheschließung, dessen sich Maximilian gegenüber Anna von der Bretagne und Anna von Böhmen und Ungarn bedient hat (vgl. S. 296ff.).
Mit insgesamt 2101 Endnoten im Anmerkungsapparat hat die Verfasserin ihre Ausführungen mehr als hinreichend dokumentiert. Darüber hinaus hat sie ein Verzeichnis der wichtigsten Literatur und der gedruckten Quellen im Umfang von zehn Spalten zusammengestellt und den Band mit einem nützlichen Auswahlregister (Personen und Orte) ausgestattet. Damit liegt ein Werk vor, das nicht nur das Auge erfreut, sondern darüber hinaus ein ziemlich umfassendes Verständnis dieses bedeutenden Habsburgerkaisers und seiner Zeit transportiert – sicherlich ein würdiger Auftakt für das aktuelle Maximilian-Jubiläumsjahr.
Kapfenberg Werner Augustinovic