Wambach, Kai, Rainer Barzel. Eine Biographie. Schöningh, Paderborn 2019. VII, 985 S., Abb. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Obgleich der Mensch als Gattung zahlreiche einheitliche Merkmale aufweist, ist der einzelne Mensch als individuelles Wesen von allen seinen Mitmenschen anscheinend durch mindestens ein Einzelmerkmal so verschieden, dass er nicht verwechslungsfähig ist. Dementsprechend verläuft auch das Leben aller Menschen zwar grundsätzlich in gleicher Art und Weise von der Geburt bis zu dem Tode und zugleich doch völlig verschieden. In der Politik bedeutet dies auch, dass dem einen ein Ziel gelingen kann, das der andere trotz ähnlicher Voraussetzungen und vergleichbarer Zielvorstellungen niemals erreicht.

 

Mit dem Leben des in Braunsberg in Ostpreußen an dem 20. Juni 1924 als Sohn eines Oberstudienrats geborenen und nach einem ereignisreichen Wirken in München nach Krankheit in der Nacht auf den 26. August 2006 gestorbenen christlichdemokratischen Politikers Rainer Barzel beschäftigt sich die vorliegende umfangreiche Untersuchung, bei der es sich um die gekürzte Fassung der von Dominik Geppert in Themenwahl und Verschriftlichungsverlauf jederzeit mit größter Unterstützung wohlwollend begleiteten und in dem Spätsommer 2018 von der philosophischen Fakultät der Universität Bonn angenommenen Dissertation des in Bonn in Geschichte ausgebildeten und zuletzt als Referent in dem Bundesministerium der Finanzen tätigen Verfassers handelt. Sie gliedert sich nach einer Einleitung über Thema, Fragestellung, Gliederung und Quellenlage in drei Teile. Sie betreffen die Aufschwungsjahre von der Geburt bis zu dem Aufstieg des „Wunderkinds aus Düsseldorf“ zu dem Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen, die Hochkonjunktur mit Kompromissen als Erfolgsrezept auf einer politischen Achterbahn bis zu dem gekauften Misstrauensvotum von dem 27. April 1972 und die Deflation mit Versuchen, Scheitern, Schicksalsschlägen, weiterer Achterbahn und einem Leben nach der Politik ab 1985.

 

In seiner Autobiographie verstand Rainer Barzel sein Dasein als gewagtes Leben, das ihn zu großen Hoffnungen berechtigte, aber das gesetzte Ziel trotz vielfältigen Bemühens nicht erreichte. Der Verfasser schildert den eindrucksvollen Verlauf an Hand vieler, teilweise bisher unbekannter Quellen und verschiedener Gespräche mit Zeitzeugen. Insgesamt kann er dabei zeigen, dass Barzel zwar eine bedeutende politische Persönlichkeit der Bundesrepublik Deutschland zwischen Konrad Adenauer, Willy Brandt und Helmut Kohl war, dass er mit seinem vielschichtigen, umtriebigen Verhalten die Herzen der Wähler mehrheitlich aber niemals eindeutig für sich zu gewinnen vermochte, wie dies letztlich den meisten Politikern widerfährt und wegen des Wesens des Menschen und der politischen Spitze wohl auch widerfahren muss.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler