Verfassung – Geschichte, Gegenwart, Zukunft - Autorenkolloquium mit Dieter Grimm, hg. v. Davy, Ulrike/Lübbe-Wolff, Gertrude (= Interdisziplinäre Studien zu Recht und Staat 57). Nomos, Baden-Baden 2018. 154 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Verfassung ist allgemein der Zustand und besonders der allgemeine Zustand eines bedeutsamen politischen Gemeinwesens von Menschen. Da das Universum nach menschlichem Wissensstand unentrinnbar in die Dimension Zeit eingebunden ist, hat auch eine Gegebenheit Verfassung eines Gemeinwesens eine Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und damit einen Anfang und vermutlich auch ein Ende. Dementsprechend ist die Betrachtung von Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Verfassung für den Verfassungsrechtler und insbesondere den geschichtlich interessierten Verfassungswissenschaftler naheliegend, selbverständlich bereichernd und eigentlich zwingend.

 

Der in Kassel 1937 als Sohn eines Eisenbahnbeamten in dem höheren Dienst geborene, ab 1957 in Rechtswissenschaft und Politikwissenschaft in Frankfurt am Main, Berlin, Paris und an der Harvard University ausgebildete, nach der zweiten juristischen Staatsprüfung als Referent an dem Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte tätige, 1971 bei Helmut Coing mit einer Dissertation über die Rechts- und Staatslehre Léon Duguits promovierte, 1979 mit einer bis 2017 ungedruckten Schrift über Verfassung und Privatrecht habilitierte und als Nachfolger Ernst-Wolfgang Böckenfördes nach Bielefeld berufene und von 1987 bis 1999 auf Vorschlag der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands als Bundesverfassungsrichter Deutschlands und danach an der Humboldt-Universität in Berlin wirkende, 2005 emeritierte Dieter Grimm erhielt von dem Zentrum für interdisziplinäre Forschung der Universität Bielefeld als besonders hervorragender, über die Grenzen seines Faches hinaus bedeutender Wissenschaftler die Möglichkeit, sein Werk zu dem Gegenstand eines Autorenkolloquiums zu machen. Dieses fand 2017 statt. Die vorliegende Schrift stellt den Inhalt der Allgemeinheit zu ihrer Verfügung.

 

In diesem Rahmen sind nach einem Grußwort Pedro Cruz Villalóns sieben Referate versammelt, die Dieter Grimm selbst mit eigenem Nachdenken über Verfassung in den Bielefelder Jahren eröffnet. Die Verfassungsentwicklung des 19. Jahrhunderts schildert anschließend Michael Stolleis, während Ingrid Gilcher-Holtey vergangenheitsbezüglich nach dem Rebellen in Robe fragt, Uwe Volkmann zehn Annährungen an das Phänomen Verfassung unternimmt und Hans Vorländer die Gegenwartslage der Verfassung unter dem Blickwinkel des Konstitutionalismus am Scheideweg betrachtet. Der Zukunft der Verfassung widmet sich Rainer Wahl, der Zukunft der europäischen Verfassung in der Form von Fragen und Einwänden zu Dieter Grimms Sicht auf Legitimation und Finalität der europäischen Union Dieter Grimms Schülerin Gertrude Lübbe-Wolff, so dass der Band die in dem Titel eröffnete Verheißung insgesamt vollständig und in beeindruckender Weise erfüllt, selbst wenn die Zukunft ständig Gegenwart und die Gegenwart ständig Vergangenheit wird.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler