Tyrichter, Jean Conrad, Die Erhaltung der Sicherheit. Deutscher Bund, politische Kriminalität und transnationale Sicherheitsregime im Vormärz (= Studien zu Policey, Kriminalitätsgeschichte und Konfliktregulierung). Klostermann, Frankfurt am Main 2019. IX, 510 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Die Geschichte der Menschheit ist auch eine Geschichte der Herrschaft von Herrschenden über Beherrschte und der diesbezüglichen Überlegungen und Maßnahmen, die mit der Verdichtung der Menschheit und der Bildung größerer Gemeinschaften, Städte und Staaten an Bedeutung gewinnt. Vielleicht einfacher wären dabei die Verhältnisse, wenn für sie weltweit gleiche Regeln bestünden. Sie zu bilden, überall zu allgemeiner Anerkennung zu bringen und damit durchzusetzen, ist bisher aber wegen der Vielgestaltigkeit der Verhältnisse wie der Individualität von Herrschern und Beherrschten noch nicht gelungen und erweist selbst oder gerade in der Globalität der Gegenwart sich als ein außerordentlich schwieriges und kaum Erfolg verheißendes Unterfangen.

 

Das sich mit einem geschichtlichen Teilaspekt dieses Problembereichs beschäftigende vorliegende Werk beruht nach dem kurzen Vorwort des in Bonn 1985 geborenen, seit 2006 in mittlerer und neuerer Geschichte, Rechtswissenschaft und Religionswissenschaft in Heidelberg und Dijon ausgebildeten Verfassers auf seiner von Karl Härter interessiert, kritisch und wohlwollend betreuten, 2017 an dem Fachbreich (!) 2 Gesellschafts- und Geschichtswissenschaften der Technischen Universität Darmstadt eingereichten Dissertation als Ergebnis von Forschungen, die der Verfasser seit 2013 in dem Rahmen des Projekts „Die Formierung transnationaler Strafrechtsregime“ des Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte und des Exzellenzclusters „Die Herausbildung normativer Ordnungen“ in Frankfurt am Main durchgeführt hat. Gegliedert ist die Untersuchung nach einer Einleitung über Ansätze und Fragestellungen, Forschungsstand und Forschungsperspektiven sowie Methoden, Quellen und Aufbau in drei Abschnitte. Sie betreffen die historischen Rahmenbedingungen (Dissidenz, Bedrohungsnarrative, politische Kriminalität, Deutscher Bund, Strafrecht und Strafverfahren in dem Vormärz, transnationales Strafrecht in dem Deutschen Bund), die Formierung und Wirkung des Bundesregimes innerhalb des Deutschen Bundes und die Normen, Diskurse und Praktiken des Bundesregimes in Beziehungen zu außerdeutschen Staaten.

 

Hauptziel dieser Untersuchung war es, sicherheitspolitische Maßnahmen (der Herrschenden) gegen politische Kriminalität (der Beherrschten) in dem Deutschen Bund während des Vormärz aus einer möglichst ganzheitlichen Perspektive zu rekonstruieren und zu analysieren. Hierzu hat der Verfasser relevante Normen, Diskurse und Praktiken als transnationales Sicherheitsregime bzw. Bundesregime konzipiert. Auf dieser Grundlage kann er als ein zentrales Ergebnis zeigen, dass die Formierung transnationaler Sicherheitsregime gegenüber politischer Kriminalität kein eindimensionaler, kohärenter und abschließender Prozess war, sondern jeweils sich mehr und mehr verdichtende Regimestrukturen (von Herrschenden) als Reaktion auf als konkret empfundenen Sicherheitsbedrohungen (durch Beherrschte) entstanden und in der Regel zeitlich und sachlich begrenzt blieben, wobei mit dem Abklingen der Bedrohung der Wille zu Zusammenarbeit nachließ, aber gleichwohl mittelfristig Techniken und Muster der Gefahrenabwehr entwickelt wurden, die bei Bedarf kurzfristig reaktiviert werden konnten, was wegen der Vielgestaltigkeit der Verhältnisse wie der Individualität von Herrschern und Beherrschten vermutlich auch weiter so bleiben wird.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler