Thiele, Martin, Motor der Integration – Europarechtsgeschichtliche Grundlegung der Europäischen Kommission (= Ius Internationale et Europaeum 149). Mohr Siebeck, Tübingen 2019. XIX, 569 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Jeder Mensch ist ein letztlich völlig unverwechselbares Individuum und zugleich auch ein soziales Wesen, das ohne Mitmenschen nicht wirklich bestehen und nur in der mehr oder weniger engen und langen Gemeinschaft tatsächlich die ihm zugemessene begrenzte Zeit überleben kann. Deswegen haben sich Menschen schon sehr früh zusammengeschlossen und Horden, Dörfer, Städte, Staaten und andere Vereinigungen gebildet. Gründe hierfür dürften vor allem die dadurch verbesserten Lebensbedingungen gewesen sein, die sowohl die Gewinnung von Nahrungsmitteln wie die Verringerung von Gefahren betroffen haben könnten und letztlich zu den in der Gegenwart bestehenden unterschiedlichen politischen Gegebenheiten auf der Erde geführt haben.

 

Mit der geschichtlichen Grundlegung der Europäischen Kommission als einem besonderen Einzelaspekt dieser langen vielfältigen Entwicklung der Menschen beschäftigt sich die von Frank Schorkopf betreute und in dem Sommersemester 2018 von der juristischen Fakultät der Universität Göttingen angenommene Dissertation des 1985 geborenen, in Göttingen und Leuven in Rechtswissenschaft ausgebildeten, nach der ersten juristischen Staatsprüfung und dem Erwerb des Magister Legum Europae als wissenschaftlicher Mitarbeiter an dem Lehrstuhl für öffentliches Recht und Europarecht seines Betreuers tätigen Verfassers, die unter Ermunterung durch den Betreuer in dem für eine europarechtswissenschaftliche Untersuchung ungewöhnlichen Stil einer lebhaften Erzählung gehalten ist. Sie gliedert sich nach Vorwort, Inhaltsverzeichnis, Abkürzungsverzeichnis und Einleitung in drei Kapitel mit zehn Paragraphen. Sie betreffen die Mechanisierung der integrativen Triebkraft der europäischen Einigung seit der Hohen Behörde in dem von dem Außenminister Frankreichs Robert Schuman (1886-1963) an dem 9. Mai 1950 vorgelegten, zwar auf Vorbilder zurückgreifenden, aber zugleich doch auch revolutionären Plan, den daraus entwickelten und verwendeten Motor in dem Praxistest und schließlich die Kommission als Motor in intergouvernementaler Gestaltungsstruktur.

 

Die gegenwärtige Europäische Kommission als supranationale Exekutive eines der allgemeinen Friedenssicherung und dem wirtschaftlichen Wohl der Angehörigen dienenden Staatenverbunds beruht auf politischen Entscheidungen der beteiligten, einen gewissen Teil ihrer Souveränität zurücknehmenden Mitgliedstaaten, die der Verfasser aus den verfügbaren Unterlagen in den historischen Archiven der Europäischen Union an dem Europäischen Hochschulinstitut in Florenz ermittelt hat. Sie lässt sich in dem Rahmen einer institutionellen Struktur als Regierung einer parlamentarisierten Gemeinschaft verstehen, die praktisch als integrationspolitischer Unternehmer, als außenpolitischer Akteur und als Krisenmanager wirken musste und muss. Ihr Verhalten zeichnet der Verfasser von der „relance“ des Integrationsprojekts über die Verhandlungen um die Verträge von Rom und das erste Jahrzehnt  der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft bis zu dem zu dem wichtigen Zwischenergebnis der Fusion der drei supranationalen Exekutivorgane führenden Fusionsvertrag bestmöglich nach und rundet sein überzeugendes Ergebnis durch eine Zusammenfassung, ein umfangreiches Quellenverzeichnis (S. 517ff.) und Literaturverzeichnis (539ff.) sowie ein Personenregister (563) und ein Sachregister (567) benutzerfreundlich ab, so dass nun jeder Interessierte eine umfangreiche, verständliche Untersuchung der Frühgeschichte der Europäischen Kommission zu seiner Verfügung hat.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler